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Moroder: Der Godfather des Disco-Sound

Jens von Larcher17. Februar 2015

Mit seinen Synthesizer-Sounds löste Giorgio Moroder eine Revolution auf den Tanzflächen aus. Der Urvater des Techno bringt im Juni sein erstes Studioalbum seit 30 Jahren heraus. Wir haben vorab mit ihm gesprochen.

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Giogio Moroder (Foto: Filmfest München)
Bild: Filmfest München

DW: Herr Moroder, was war die Grundidee für das neue Album?

Giorgio Moroder: Ich habe sehr gute Sänger dabei. Einige etablierte wie Britney Spears, Kylie Minogue und Sia. Und ein paar ganz junge Leute, die sehr gut sind, aber noch relativ unbekannt. Die Idee für das Album ist: ziemlich tanzbare Musik, mit ein bisschen Retro - aber moderne Musik, moderne Sounds.

Wie war denn die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Künstlern, die aus einer anderen Generation kommen?

Prinzipiell ist es doch wesentlich anders als zu meiner Zeit, wo ich mit Donna Summer, Irene Cara oder David Bowie selbst im Studio gesessen habe. Da hatte man noch die Kontrolle über alles. Jetzt hat sich das verschoben. Jede Sängerin hat einen Manager, einen Vocal Manager, einen Vocal Producer. Und auch durch das Internet hat sich natürlich viel verändert: Man schickt die Tracks irgendwo hin, bekommt sie zurück, verändert sie, schickt sie erneut.

Gehen wir ganz an den Anfang. Mit 19 haben Sie die Schule abgebrochen, weil Sie beschlossen hatten, Musiker zu werden...

Ich habe an dem Morgen, an dem ich zum Examen gehen sollte, verschlafen. Die Schuld habe ich der Dame gegeben, bei der ich gewohnt habe. Ich hätte dann das Jahr wiederholen müssen, habe aber gesagt: Nein, ich höre auf! Jetzt will ich Musiker werden.

Cover Giorgio Moroder & Kylie Minogue: Single ‘Right Here, Right Now’
Cover der neuen Single "Right Here, Right Now" mit Kylie Minogue

Wie muss man sich die Anfänge praktisch vorstellen, haben Sie Konzerte gespielt und dann im Auto geschlafen?

Nein, das Schlafen im Auto kam später (lacht). Das war Ende der 60er Jahre in Berlin, da habe ich als Komponist angefangen und das ist immer schwierig. Ich bin dann öfters in Discotheken aufgetreten, zum Beispiel im damals berühmten "Scotch-Club" in Aachen. Da ist es manchmal passiert, dass ich nach dem Job, statt nach Berlin zurück zu fahren, im Auto geschlafen habe. Sehr ungemütlich!

Dann sind Sie nach München gegangen und haben dort den Synthesizer für sich entdeckt?

In München hatte der klassische Komponist Eberhard Schoener einen Moog Synthesizer. Ich bin zu ihm gegangen und er hat mir etwas vorgespielt. Mit seinem Tonmeister habe ich dann mehrere Platten aufgenommen.

Was hat Sie am Synthesizer fasziniert?

Es gab Tausende und Tausende von Sounds. Man musste natürlich dann die guten Sounds finden. Damals dauerte das immer sehr lang. Im Jahr 1978, wenn ich mich richtig erinnere, habe ich dann "I Feel Love" komponiert und gespielt. Es war praktisch das einzige Lied bis dahin, wo wirklich alle Instrumente Synthesizer waren.

Hat sich mit diesem Titel das Verständnis von Musik grundlegend verändert?

Brian Eno hat damals zu David Bowie gesagt: "I found the future sound!" Es war damals etwas sehr revolutionäres. Ich habe dann die Fassung von 3 ½ auf 17 Minuten verlängert. Das war sicher eines der ersten richtig langen Disco-Stücke.

Eigentlich haben Sie damals, gemeinsam mit anderen, Disco gestartet und München auf die internationale Musiklandkarte gesetzt.

Moroder beim Pitchfork Music Festival 2014 (Foto: Getty Images)
Moroder beim Pitchfork Music Festival 2014Bild: Daniel Boczarski/Getty Images for Ketel One

Es war eine Zeit, wo eine Gruppe von Musikern, Produzenten und Sängern wirklich viel getan hat und viel gearbeitet hat. Ich bin aber eigentlich wenig in die Discotheken gegangen. Ich habe teilweise von Mittag bis Mitternacht gearbeitet und hatte dann keine große Lust, noch tanzen zu gehen. Außerdem bin ich kein guter Tänzer. Aber ich habe öfters den DJs neue Bänder zum Testen gegeben. Wenn plötzlich die Tanzfläche leer war, habe ich die Bänder gleich weggeworfen und neu angefangen.

Dann kam der Umzug in die USA, wo Sie sich mehr auf Filmmusik konzentriert haben. Hits hatten Sie aber weiterhin...

Alan Parker hatte gerade den Film "Midnight Express" gedreht und wollte einen Sound, nur ein Stück, mit dem Gefühl von "I Feel Love". Und ich habe dann "The Chase" für ihn komponiert. Das war mein Einstieg in die Filmbranche. Und weil die Leute wussten, dass ich sowohl den Score machen kann als auch Lieder komponieren, haben sie das natürlich ausgenutzt. Ich habe dann zum Beispiel für Paul Schrader "American Gigolo" gemacht, wo dann das Lied mit Blondie "Call me" ein Hit wurde.

Merken Sie eigentlich schon beim Produzieren, wenn ein Lied wie "Call Me" richtig großes Hitpotenzial hat?

Manchmal schon. Als ich das Demo für Blondie gemacht habe, dachte ich schon, das ist ein guter Song. Als Deborah Harry dann den Titel "Call Me" vorschlug und mir den Refrain vorgesungen hat, hat es einfach perfekt gepasst. Das war eins der Lieder, wo ich wirklich am Anfang schon gesagt habe: Das wird ein Hit!

Dann hat man eine sehr lange Zeit weniger von Ihnen gehört. Was haben Sie da gemacht?

Hundertausend Sachen! Ich habe ein Auto gebaut, ein wunderbares Auto, 16 Zylinder, ich habe den Prototypen in Los Angeles. Dann habe ich einen Kurzfilm gedreht, dafür habe ich auch einen Preis gewonnen. Ich habe viel Golf gespielt, viele andere Sachen angefangen und nicht beendet.

Bis Daft Punk während der Arbeit an "Random Acces Memories" auf Sie zukamen…

Daft Punk (Foto: Getty Images)
Daft Punk fragten Moroder für eine Kollaboration anBild: Getty Images

Und mich gefragt haben, ob ich interessiert wäre, mit ihnen etwas zu machen. Erstens einmal liebe ich die Gruppe und zweitens war es ein Angebot, zu dem man einfach nicht Nein sagen kann. Ich war in Paris und Thomas Bangalter hat mich einfach angerufen und gefragt, ob ich Zeit habe, ins Studio zu kommen. Alles, was er von mir wollte, war, mein Leben zu erzählen. Ich hab dann zwei Stunden oder mehr einfach gesprochen, alles wurde aufgenommen. Sechs Monate danach oder noch später haben sie mir das Lied vorgespielt und ich war sehr überrascht, wie gut es geworden ist. Es war auch emotional berührend, man hört seine eigene Stimme sein Leben erzählen.

Was ist denn der Unterschied zwischen Dance-Musik von heute und der, die Sie in den Anfängen produziert haben?

Der ist eigentlich nicht sehr groß. Das Schlagzeug ist beinahe das gleiche, die Stimmen sind die gleichen. Technisch ist natürlich alles etwas besser geworden. Es gibt Sounds, die man damals nicht hatte. Es war allerdings immer schön, mit Musikern zu arbeiten. Heute arbeitet man vielleicht nur noch mit einem Musiker oder sogar alleine, da verliert man natürlich auch den Input.

Wie ist es jetzt für Sie, wieder in aller Munde zu sein, als "Godfather" von Disco?

Ich bin eigentlich überrascht, dass die Leute jetzt meinen, dass ich der Godfather von Disco war. Ich habe das damals nicht so mitgekriegt. Aber mit der Zeit werden einige Sachen vielleicht besser. Vielleicht denkt man jetzt, dass "I Feel Love" wirklich etwas Außergewöhnliches war. Aber ich habe das damals nicht so empfunden.

Das Interview führte Jens von Larcher


Mehr als 100 Goldene und Platinschallplatten, drei Oscars, vier Grammys: Giorgio Moroder (74) gilt als einer der einflussreichsten Produzenten elektronischer Musik überhaupt. Donna Summer, David Bowie, Freddy Mercury, Blondie: Die Liste seiner musikalischen Kollaborationen ist lang. Nachdem er in den 70er Jahren in München Disco erfunden hatte, zog es ihn in die USA, wo er in den 80er Jahren zu einem der gefragtesten Filmkomponisten wurde. Im Jahr 2013 huldigten Daft Punk auf ihrem Album "Random Access Memories" Moroders Pionierleistung mit dem Track "Giorgio By Moroder".