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Ein toter Russe vor Gericht

28. Januar 2013

Qualvoll starb der Anwalt 2009 in einem Gefängnis. Schon da galt der Fall Magnitski als Symbol für Justizwillkür in Russland. Doch nun wird ihm posthum auch noch wegen Steuerhinterziehung der Prozess gemacht.

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Eine Frau hält ein Foto von Sergej Magnitski in Händen (Foto: dapd)
Bild: dapd

Appelle der Mutter von Sergej Magnitski, das Andenken ihres Sohnes nicht posthum noch weiter zu beschmutzen, prallten an den Mauern der Moskauer Strafjustiz ab. Es war Regierungschef Dmitri Medwedew, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Magnitski als Betrüger bezeichnete - und damit wohl den Ton für das Verfahren vorgab.

Laut Anklage soll Magnitski als Jurist des Finanzunternehmens "Hermitage Capital Management" gemeinsam mit seinem britischen Chef William Browder 522 Millionen Rubel Steuern hinterzogen haben. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft beiden vor, Steuererklärungen gefälscht und illegal Vergünstigungen für Behinderte genutzt zu haben. Medwedew warf Browder auf dem Forum in Davos vor, die Politik zu benutzen, um seine "betrügerischen Handlungen" zu überdecken.

Der Prozess wurde am Montag allerdings erst einmal verschoben. Die Anwälte der Familie Magnizki argumentierten, es sei illegal, gegen einen Toten zu Gericht zu sitzen. Das zuständige Moskauer Gericht hält jedoch an dem Verfahren fest und setzte den 18. Februar als nächsten Termin fest - diesmal mit Pflichtverteidigern, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete.

Schläge noch am Todestag?

Wenn das Gericht nun vom kommenden Monat an besagte Vorwürfe aufrollt, geht es nicht um Magnitskis bis heute ungesühnten Tod. Dabei stehen Vorwürfe im Raum, der Herzkranke habe trotz Beschwerden gegen die Haftbedingungen keine medizinische Hilfe erhalten. Außerdem soll der 37-Jährige noch am Tag seines Todes in Handschellen mit Gummiknüppeln geschlagen worden sein. Magnitski starb am 16. November 2009 nach 358 Tagen unter Qualen in Moskauer Untersuchungshaft.

Es geht bei dem Strafprozess auch nicht um jene Vorwürfe, die Magnitski vor seiner Festnahme gegen Mitarbeiter des russischen Innenministeriums erhoben hatte. Als Anwalt und Buchhalter von "Hermitage Capital" hatte er nach Darstellung seines Arbeitgebers einen Steuerbetrug durch Staatsdiener in Höhe von mehr als 200 Millionen US-Dollar aufgedeckt. Als er die Tatverdächtigen des Innenministeriums anzeigte, nahmen ihn die Angeschuldigten in Untersuchungshaft.

Adoptionsverbot und der Fall Magnitski

"Sergej Magnitski war ein Anwalt, der seine Arbeit gewissenhaft erledigt hat und dafür mit dem Leben bezahlte. Sein Fall unterstreicht die tiefen Ebenen der Korruption in Russlands System der Gesetzesvollstreckung", sagt John Dalhuisen von Amnesty International. Magnitski habe in Briefen an Behörden auch immer wieder über Drohungen geklagt und über den Druck, seine Anschuldigungen zurückzuziehen und sich selbst zu belasten.

"Verletzung der Grundrechte auch im Tod"

Seine Mutter Natalja Magnitskaja will an der "Gerichtsfarce" gegen ihren Sohn nicht teilnehmen. Sie appellierte an die Pflichtverteidiger, das Verfahren zu boykottieren, weil es dafür keine Grundlage gebe."Die Anklage von Sergej Magnitski verletzt seine Grundrechte auch im Tod, besonders sein Recht, sich selbst zu verteidigen", betonte auch Amnesty-Experte Dalhuisen. Das Verfahren gegen einen Toten sei ein "ganz neues Kapitel" in der sich verschlechternden Menschenrechtslage in Russland.

Der Fall Magnitski beschäftigt die internationale Politik schon seit Jahren. US-Präsident Barack Obama unterzeichnete im Dezember ein nach Magnitski benanntes Gesetz. Darin enthalten sind Sanktionen wie Einreiseverbote und Kontosperrungen gegen russische korrupte Beamte, die Menschenrechte mit Füßen treten. Auf einer schwarzen Liste stehen dem Vernehmen nach bisher etwa 60 kriminelle Russen.

Weil Russland das US-Gesetz als Einmischung in seine inneren Angelegenheit sieht, unterzeichnete Kremlchef Wladimir Putin zuletzt ein "Anti-Magnitski-Gesetz". Unter anderem dürfen demnach nun US-Familien keine russischen Waisen mehr adoptieren. Kritiker warfen Putin daraufhin vor, er mache mit dem Adoptionsverbot hilfsbedürftige Kinder zu Geiseln russischer Machtspiele mit den USA.

sti/se (dpa)