Moskauer Afghanistan-Runde ohne USA
14. April 2017Die Hoffnung stirbt zuletzt! Wohl deshalb versuchte der Kreml noch am Tag der Ankunft Rex Tillersons in Moskau, das Weiße Haus zu überreden, doch an der Afghanistan-Konferenz teilzunehmen. Diese findet zwei Tage nach dem Besuch des US-Außenministers in der russischen Hauptstadt Moskau statt. Zu dem Expertentreffen am 14. April sind zwölf Länder eingeladen, darunter neben den USA, China, Indien, Pakistan und dem Iran auch die fünf zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken.
"Federführung Russlands nicht akzeptieren"
Doch die USA ließen über ihren Botschafter in Russland mitteilen, dass sie der Konferenz fernbleiben werden. Die Gründe dafür lägen auf der Hand, so mehrere Experten im Gespräch mit der Deutschen Welle. Man wisse immer noch nicht, wie die neue Strategie für Afghanistan unter Präsident Trump aussehen werde, meint Ahmad Saidi, früherer afghanischer Diplomat und politischer Analyst. "Unter der Regierung Trump ist noch keine neue Strategie für Afghanistan erkennbar", sagt auch Nicole Birtsch von der Stiftung "Wissenschaft und Politik" (SWP).
Das Treffen in Moskau kann als Konkurrenz-Veranstaltung verstanden werden. Denn die "Quadrilaterale Koordinationsgruppe" unter der Federführung der USA mit China, Pakistan und eben Afghanistan sei nicht erfolgreich gewesen, sagt Birtsch. "Und Washington wird eine Federführung Russlands voraussichtlich nicht akzeptieren."
Illusion der Annäherung
Dabei fing das Jahr 2017 zumindest aus der Sicht Moskaus vielversprechend an. Afghanistan wurde im Kreml als eine "geeignete Plattform für pragmatische Zusammenarbeit" mit den USA gehandelt. Denn die Einschätzung der Lage am Hindukusch sowie die Interessen des Weißen Hauses und die des Kremls schienen weitgehend kompatibel. Beiden ging es darum, für langfristige Stabilität in der Region zu sorgen.
Am Anfang von Trumps Amtszeit hätte Moskau von der US-Regierung auch eine Position bezüglich Afghanistan erwartet und mit einer Annäherung gerechnet, so der renommierte russische Experte Arkadi Dubnow. "Doch die Skandale wegen des Verdachts der Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahl haben eine Gegenreaktion hervorgerufen: Das Team des neuen Präsidenten stellt die Kreml-Politik auch dort infrage, wo das Weiße Haus mit Moskau im Interesse beider Seiten zusammenarbeiten könnte", sagt Dubnow der DW.
Russland bestätigt Kontakte zu den Taliban
Das Treffen am 14. April ist aber in einem Punkt besonders interessant: Russland lüftet möglicherweise ein offenes Geheimnis. Denn vor Kurzem bestätigte Moskau offiziell Verbindungen zur radikal-islamischen Taliban-Bewegung. "Wir haben Kontakte zu den Taliban. Wir besprechen zwei Dinge: Erstens, die Sicherheit russischer Staatsbürger; zweitens, wir motivieren sie, sich an dem Friedensprozess zu beteiligen", sagte Ende März der russischer NATO-Botschafter Alexandr Gruschko.
Russland könne dabei zwei strategische Ziele verfolgen, so Nicole Birtsch von der SWP. "Die eine Argumentation ist, dass Russland die Taliban unterstützen möchte, gegen den IS zu kämpfen. Zum anderen ermöglicht der Zugang zu den Taliban auch, indirekt auf Afghanistan einzuwirken. Sei es dadurch, das die Taliban in ihrem Kampf unterstützt werden, oder weiter gedacht dadurch, dass die Taliban bei Friedensverhandlungen an der Macht beteiligt werden. Das sind zwei Seiten einer Münze."
In der Tat sei Moskau endlich zu dem Schluss gekommen, dass von den Taliban kein Risiko einer Expansion ins Ausland ausgehe, kommentiert Arkadi Dubnow. Diese Bewegung sei in Afghanistan eine "reale nationale militärpolitische Struktur mit terroristischen Praktiken: "Und gerade weil die Taliban seit über zwanzig Jahren eine reale Macht haben, ist ein afghanischer Frieden ohne sie nicht möglich." Es sei mittlerweile sowohl im Osten als auch im Westen Konsens, so Birtsch, "dass es keine militärische Lösung mit der Taliban geben könnte und das bedeutet, sie in Verhandlungen einzubinden".
Doch heißt das auch, dass Russland die Taliban unterstützt, sogar mit Waffen, wie zwei NATO-Generäle neulich vermutet haben? Der russische Experte Dubnow ist da skeptisch. Die Kritik Washingtons, Moskau verbandele sich mit den Taliban, weckt beim ihm eher den Eindruck, das Trump-Team möchte den Verdacht der Nähe zu Putin auf jeden Fall leugnen: "Da kann man nicht umhin, als den Analytikern recht zu geben, die sagen, die Amerikaner sollten den Russen keine Vorwürfe wegen ihrer Kontaktversuche mit den Taliban machen. Allein deshalb nicht, weil sie es nachweislich viel früher selbst versucht haben."
Taliban in Moskau?
Die Bekanntgabe, Russland stehe im Kontakt zu den Taliban, wird von vielen Experten in Moskau dahingehend interpretiert, der Kreml bereite die Öffentlichkeit auf eine Taliban-Delegation in Moskau vor. Eine solche Teilnahme schloss auch der einflussreiche afghanische Politiker Mohammad Hanif Atmar nicht aus, als er Mitte März Moskau besuchte.
"Die Konferenz besuchen nur Vertreter der afghanischen Regierung, sagt hingegen der Sprecher des Außenministeriums in Kabul, Ahmad Shekib Mostaghani, auf Nachfrage der DW. Die russische Seite habe nichts über eine Taliban-Delegation gesagt. Er fügte hinzu, dass man in Moskau die Position vertreten werde, solche Konferenzen könnten "einen von Afghanistan selbst geführten Friedensprozess nicht ersetzen, allerdings können sie direkte Gespräche der beiden Seiten fördern."