1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pipeline gefährdet

Friedel Taube25. April 2012

Das Pipelineprojekt Nabucco sollte Mitteleuropa mehr Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen bringen - so die Idee vor zehn Jahren. Ein Mitglied des Konsortiums ist nun abgesprungen und gefährdet das ganze Projekt.

https://p.dw.com/p/14ko9
Abkommen über die Nabucco-Pipeline wird unterzeichnet, Ankara, Türkei, 13.07.2009 (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es dürfte ein harmonisches Treffen gewesen sein, damals im Jahr 2002, stilvoll abgerundet durch einen gemeinsamen Besuch der Wiener Staatsoper. Auf dem Spielplan stand Giuseppe Verdis "Nabucco" und den Vertretern der Energiekonzerne aus der Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich schien die Darbietung gefallen zu haben. Wieso sonst hätten sie ihr gerade aus der Taufe gehobenes Projekt nach der Verdi-Oper benannt? Es ging damals um nichts weniger als den ehrgeizigen Plan, unabhängig vom russischen Gaszulieferer Gazprom zu werden und ein Konsortium für eine Pipeline von Aserbaidschan bis Österreich zu gründen - die Nabucco-Pipeline.

Krisenanfällige Planung

Von der damaligen Harmonie ist zehn Jahre später offensichtlich nichts geblieben. Der deutsche Energiekonzern RWE - erst nach dem Wiener Opernbesuch als sechstes Mitglied dazugestoßen - beäugt seine Teilnahme am Pipelineprojekt inzwischen kritisch und überlegt, auszusteigen. Jetzt hat am Dienstag (24.04.2012) auch noch der ungarische Energiekonzern MOL angekündigt, wegen der in die Höhe schnellenden Kosten nicht mehr zahlen zu wollen. Die Finanzierung sei in diesem Umfang nicht vertretbar, hieß es kurz und knapp aus Budapest, weshalb man dem Budget für 2012 nicht mehr zugestimmt habe. Statt acht Milliarden Euro soll das Projekt, so berichten informierte Kreise, bis zu 15 Milliarden Euro teuer werden. Grund seien gestiegene Baustoffpreise, allem voran für Eisenerz. Da heißt es auch für die Konsortiumsmitglieder: Sparen - sagt Jonas Grätz vom Center for Security Studies an der ETH Zürich: "Ungarn befindet sich in der Wirtschaftskrise und hat auf der anderen Seite gute Angebote aus Russland bekommen. Ungarn ist ja auch Teil des russischen Projekts South Stream. Ungarn ist sehr abhängig von russischen Erdgaslieferungen", so Grätz zur Deutschen Welle. Da rechne es sich einfach mehr, mit der russischen Seite zu arbeiten, statt die Nabucco-Pipeline mit voranzutreiben.

Jonas Grätz, Center for Security Studies an der ETH Zürich (Foto: privat)
Jonas Grätz, Center for Security Studies an der ETH ZürichBild: Jonas Grätz

South Stream, das Gas aus Russland über Ungarn bis nach Italien transportieren soll, ist aber nur eines von mehreren Konkurrenzvorhaben, unter denen Nabucco leidet. Unter anderem gibt es da noch das türkische Projekt Tanap und eine geplante Pipeline des Konzerns BP. "Meine Einschätzung ist, dass Nabucco durch den Ungarn-Fall geschwächt ist", sagt Grätz, "das Alternativprojekt von BP dürfte größere Chancen haben."

Pipeline nicht tot - nur kürzer

Sterben muss das Projekt aber trotz der abtrünnigen Konsortiumspartner nicht unbedingt. Eine günstigere Alternative wäre, die Pipeline nur bis zur griechischen Grenze zu führen und dann auf bereits bestehende, türkische Röhren auszuweichen - statt Nabucco noch durch die komplette Türkei hindurch bis zur aserbaidschanischen und georgischen Grenze zu bauen. "Ich denke, dass die Nabucco-Pipeline auf jeden Fall verkürzt wird", schätzt Grätz, "was jedoch die ungarische Entscheidung für das Projekt bedeutet, muss man jetzt erst noch sehen." Sich aus Nabucco zurückzuziehen, sei allem voran auch eine symbolische Geste der Ungarn gewesen, so der Experte. "Die Ungarn wollten damit einfach zeigen, dass momentan die russische South Stream die Nase vorn hat".

Die Chancen, die Nabucco gerade für die Staaten in Ostmitteleuropa biete, würden so allerdings nicht genutzt und der ursprüngliche Sinn des Projekts nicht erreicht - nämlich unabhängig von Russland zu werden. Hier müsse man abwarten, was beispielsweise das geplante Projekt von BP bringen wird, so Grätz - aber dazu seien derzeit noch keine Einzelheiten bekannt. "Die entscheidende Frage ist doch: Gelingt es, zentralasiatisches Gas unabhängig von Russland auf den europäischen Markt zu bringen? Ob das nun durch Nabucco geschieht oder durch eine andere Pipeline, ist eigentlich egal", findet der Experte. Zunächst einmal müssen auch Partner gefunden werden, die überhaupt auf aserbaidschanischer Seite Gas zur Verfügung stellen - auch diese sind noch nicht gefunden. Hier liegt der Ball auf Seiten der potentiellen Zulieferer, die aber noch nichts zugesagt haben. Abzuwarten bleibt außerdem, wie die EU sich zu dem ehemaligen Vorzeigeprojekt stellt - auch hier finden sich aufgrund der Kostenexplosion nur noch wenige Fürsprecher.

Infografik Gaspipeline Nabucco
Bild: DW

Damals, 2002, als man noch in trauter Runde in Wien zusammen saß und die Idee für Nabucco Gestalt annahm, planten die Beteiligten, die Pipeline im Jahr 2015 zu eröffnen. Jetzt wagen selbst Experten keine Voraussage mehr. Optimist Jonas Grätz geht derzeit davon aus, dass ab 2018 das Gas durch Nabucco nach Mitteleuropa fließen könnte.