USA gehen auf Distanz zu Saudi-Arabien
9. Oktober 2016Die Sicherheitszusammenarbeit mit dem sunnitischen Königreich sei "kein Blanko-Scheck" und die Berichterstattung über den Vorfall "zutiefst verstörend", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Ned Price. Auch wenn die US-Regierung Saudi-Arabien bei der Verteidigung des eigenen Staatsgebiets unterstütze, "müssen und werden wir weiterhin unsere ernsten Bedenken zum Ausdruck bringen über den Konflikt im Jemen und darüber, mit welchen Mitteln er geführt wird", erklärte Price. Er ergänzte: "Wir haben eine sofortige Überprüfung unserer bereits deutlich reduzierten Hilfe für das saudi-arabisch geführte Bündnis eingeleitet - und wir sind bereit, unsere Unterstützung anzupassen, um den Prinzipien, Werten und Interessen der USA besser gerecht zu werden."
Mindestens 140 Tote
Die Kritik der USA an Saudi-Arabien kommt nicht von ungefähr. Der Luftangriff auf Menschen in einer Trauerhalle in Jemens Hauptstadt Sanaa ist einer der schwersten seit Beginn des Bürgerkriegs. Neuen UN-Angaben zufolge wurden bei der Attacke während der Beerdigung am Samstag laut Vertretern der Gesundheitsbehörden mehr als 140 Menschen getötet und mindestens 525 verletzt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich entsetzt. Jeder vorsätzliche Angriff auf Zivilisten sei "absolut inakzeptabel", erklärte er am Sonntag. Es müsse eine "schnelle und unabhängige" Untersuchung zu dem Vorfall geben, die Verantwortlichen müssten Rechenschaft ablegen.
In Bans Erklärung wurde erwähnt, dass die Angriffe offenbar von der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition geflogen wurden, allerdings machte der UN-Generalsekretär selbst niemanden direkt verantwortlich. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte dazu: "Berichte über Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte" in den militärischen Auseinandersetzungen im Jemen hätten "ein erschreckendes Ausmaß" angenommen. "Wir begrüßen daher, dass der UN-Menschenrechtsrat dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte nun ermöglicht hat, solche Vorfälle unabhängig zu untersuchen."
Der Nachrichtenagentur Saba zufolge ist das von Saudi-Arabien geführte sunnitische Bündnis für die Luftangriffe verantwortlich. Ob die Darstellung zutrifft, ist aber noch nicht geklärt. Die Agentur wie auch das Gesundheitsministerium unterstehen den schiitischen Huthi-Rebellen, die gegen die international anerkannte Regierung des Landes und das sunnitische Bündnis kämpfen.
Der für den Jemen zuständige UN-Nothilfekoordinator Jamie McGoldrick erklärte, die humanitären Helfer im Land seien "erschüttert und entsetzt" über den Luftangriff. McGoldrick verurteilte die Attacke, machte aber niemanden direkt dafür verantwortlich.
Das Militärbündnis ließ über die saudi-arabische Agentur SPA mitteilen, es kenne die Berichte über die "bedauerliche und schmerzliche Bombardierung" der Trauerhalle. Man werde den Fall zusammen mit US-Experten sofort untersuchen.
Die Streitkräfte des Bündnisses hätten klare Anweisungen, keine belebten Gebiete anzugreifen und zivile Opfer zu vermeiden. Ein Schuldeingeständnis läßt sich aus der Stellungnahme jedoch nicht herauslesen.
Huthi-Funktionäre unter den Opfern
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz im Jemen kündigte Hilfe für die Opfer des Angriffs an. Unter den Toten und Verletzten sollen auch ranghohe Funktionäre der Huthi-Rebellen sein.
Jemens Hauptstadt Sanaa ist seit September 2014 unter der Kontrolle der Huthis, die gegen Truppen der Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi kämpfen. Die Angriffe des saudi-arabischen Bündnisses hatten im März 2015 begonnen und trafen neben Huthi-Stellungen immer wieder auch humanitäre Einrichtungen, Märkte oder Hochzeitsgesellschaften. Viele Unbeteiligte wurden dabei getötet. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hatte kürzlich ihr Personal aus dem Norden des Landes abgezogen und als Gründe "willkürliche Bombardements" und "unzuverlässige Zusicherungen" des Militärbündnisses angeführt.
Die USA stützten den Kurs Saudi-Arabiens bislang und verlangen von den Huthis, sich aus den großen Städten im Jemen zurückzuziehen sowie ihre Waffen abzugeben. US-Außenminister John Kerry hatte trotz der Vielzahl bislang getöteter Zivilisten gesagt, das militärische Vorgehen der saudischen Regierung in Riad sei eine Antwort auf die Gewalt, die in dem bitterarmen Nachbarland wüte.
haz/stu ( dpa, afp, rtr)