Lecker: Frische Erdbeeren sogar im November
7. November 2018"Wo kommen die denn her?" "Das gibt's doch gar nicht." Solche Fragen hörte die Landwirtin Ingrid Deumlich in den vergangenen dreieinhalb Wochen an ihrem Verkaufsstand an der Landstraße im hessischen Dornheim häufiger von ungläubigen Kunden. Und auch die 71-jährige Bäuerin selbst ist täglich aufs Neue verwundert über die Erdbeerernte im Herbst. "Das habe ich auch noch nicht erlebt. Das gab's noch nie."
Das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sorgt hierzulande ohnehin für Kapriolen. In der Landwirtschaft haben Hitze und Trockenheit oft die Ernte verkümmern lassen. Doch im Fall der frühen Erdbeersorte Clery sowie der neuen Sorte Malling Centenary beschert das milde Klima nun einen unverhofften zusätzlichen Ertrag, wie die Zeitung "Darmstädter Echo" berichtet. Die Pflanzen würden zum zweiten Mal Früchte tragen, so Deumlich.
Der November ist der neue Frühling
"Bei bestimmten Frühsorten ist das eine Antwort auf die Witterungsverhältnisse in diesem Jahr", erklärt Willi Billau aus dem südhessischen Lampertheim. "Es sind aber nur drei, vier Betriebe, wo das wirklich Freude macht." Für viele Früchte sei die Trockenheit wie Winter gewesen und die zunehmende Feuchte im Herbst zusammen mit den milden Temperaturen ein Zeichen für Frühling, sagte Billau. Manche Betriebe hätten die Blüte durch Bewässern angetrieben, andere sich dagegen entschieden.
Auch Stefan Manke aus Riedstadt baut die recht neue Sorte Malling Centenary an. Er erntet derzeit auf rund 1,8 Hektar November-Erdbeeren, nicht im Gewächshaus und nicht unter Folie - sondern auf dem Damm im Feld. "In dem Umfang ist das absolut neu." Er rechne mit etwa einer Tonne Ertrag im November. Allerdings: "Ein Frost und es ist vorbei", sagte Manke. Tunnel gegen den Frost aufzustellen, lohne sich finanziell nicht, denn die Nachfrage nach Erdbeeren im November sei nicht hoch genug und der Aufwand relativ groß.
Niedrigpegel behindern Rheinschiffe
Bringt der milde Herbst den Erdbeer-Bauern unerwartete Zusatzeinnahmen, so beschert das Niedrigwasser des Rheins manchen Tankstellen im Rheinland ungeahnte Umsatzeinbußen. Denn der niedrige Rheinpegel sorgt für Lieferengpässe und damit leere Zapfsäulen. Vereinzelt mussten die Unternehmen den Verkauf von Benzin oder Diesel zeitweise sogar ganz einstellen, weil ihnen der Sprit ausgegangen war, wie Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen in Bonn, berichtet. Meist bekämen die Tankstellen aber nach einigen Stunden oder am nächsten Tag Nachschub.
"In den Tanklagern entlang des Rheins kommt nicht genug Treibstoff an, weil die Tankschiffe nur noch halb so viel oder noch weniger Benzin und Diesel transportieren können", sagt ein Sprecher des Tankstellen-Branchenführers Aral in Bochum. Die Transportkapazität der Schiffe sei nur zu einem Teil durch Lastwagen ersetzbar. Der Reformationstag und Allerheiligen in der vergangenen Woche hätten die Situation zusätzlich erschwert, weil Feiertagsfahrverbote für Lastwagen gegolten hätten, sagte der Aral-Sprecher weiter. Das Unternehmen arbeite mit Hochdruck an der Lösung der Logistik-Probleme.
Nationale Ölreserve geöffnet
Das Wirtschaftsministerium hatte am 24. Oktober Teile der nationalen Ölreserve entlang der Rheinschiene freigegeben - und zwar 70.000 Tonnen Benzin, 150.000 Tonnen Diesel und 56.000 Tonnen Kerosin. Die Bestände werden nach der Freigabe den Mitgliedsunternehmen des Erdölbevorratungsverbandes (EBV) angedient, einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Sitz in Hamburg. Die Mitglieder - das sind Unternehmen der Mineralölwirtschaft - entscheiden selbst, ob sie die Mengen abnehmen wollen oder nicht.
Der EBV war in den Zeiten der Ölkrisen in den 1970er Jahren eingerichtet worden, um eine mögliche Unterbrechung der Ölversorgung abzufedern. Er hält Rohöl und Ölprodukte vor, die ausreichend sind, um Deutschland 90 Tage lang zu versorgen, insgesamt rund 24 Millionen Tonnen. Bisher wurde nur sehr selten auf die Reserven zurückgegriffen, zuletzt während der Libyen-Krise 2011. Noch nie wurden die Bestände genutzt, um logistische Versorgungsprobleme in einer einzelnen Region zu überbrücken.
Die Freigabe von Kraftstoff aus der deutschen Erdölreserve hat nach Angaben von Mineralölexperten zu keiner durchgreifenden Verbesserung der Lage geführt. Eine echte Entspannung bei der Versorgung der Tankstellen mit Benzin und Diesel wird es demnach erst gegen, wenn die Wasserstände wieder steigen.
kle/rb (dpa, www.echo-online.de)