Nach dem Gaza-Krieg: Schwierige Rückkehr zur Normalität
24. Januar 2009Erstmals seit dem Ende der israelischen Militäroffensive ist an den Schulen im Gazastreifen am Samstag (24.01.2009) wieder unterrichtet worden. Sowohl die 221 Schulen des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge (UNRWAH) als auch die öffentlichen Schulen, die von der regierenden Hamas betrieben werden, öffneten ihre Pforten.
Den rund 200.000 Kinder soll mit diesem Schritt ein "Gefühl von Normalität" vermittelt werden, wie der Sprecher des UN-Flüchtlingswerks, Christopher Gunness, sagte. Die Kinder und Jugendlichen sind traumatisisiert durch die Kämpfe und den Verlust von Familienmitgliedern. Lehrer berichteten, einige Kinder wollten in der Schule über ihre schrecklichen Erlebnisse sprechen.
Viele Stühle bleiben leer
Mit Beginn der israelischen Angriffe war der Unterricht am 27.12.2008 eingestellt worden. Aber auch die Rückkehr in ihre Schulen war für viele Kinder und Jugendliche schmerzhaft. Sie vermissten einige ihrer Mitschüler, die die Gewalt der letzten Wochen nicht überlebt haben. Die 16-jährige Dona Matta von der katholischen Schule Heilige Familie in der Stadt Gaza berichtete schockiert darüber, wie sie erfahren habe, dass eine Klassenkameradin im Krieg getötet wurde. "Ich bin froh, zurück zu sein, aber auch sehr traurig, weil die Schulbank meiner Freundin leer ist", so die Schülerin.
Wegen Mangel an Unterrichtsräumen wurden in einigen Fällen mehrere Klassen gleichzeitig in Gruppen von bis zu 120 Schülern unterrichtet. Denn in vielen Schulen sind Menschen untergebracht, deren Häuser bei den Luftangriffen zerstört wurden. Andere Schulen wurden bei den dreiwöchigen Kämpfen beschädigt. Während der Militäroperation hatte die israelische Luftwaffe unter anderem zwei Schulen des UN-Hilfswerks beschossen.
Löcher in den Mauern erinnern an die Kämpfe
Bei einem Angriff auf eine UNRWA-Schule waren mehr als 40 Menschen getötet worden. Israelischen Angaben zufolge hatten militante Palästinenser Mörsergrantaten aus der Schule heraus abgefeuert. Der 15-jährige Mohamed Abu Dschalala erzählte nun, es sei sehr schwer gewesen, wieder in die Schule zurückzukommen. Man könne immer noch die Löcher der Bomben in den Mauern sehen. Allein aus seiner Klasse seien vier Mitschüler getötet worden.
Insgesamt kamen bei den dreiwöchigen Kämpfen nach Angaben von palästinensischen Rettungskräften 1330 Menschen im Gazastreifen ums Leben, darunter 437 Kinder.
Die rund 1,5 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind stark von internationaler Hilfe abhängig. Israel erlaubte zum ersten Mal seit mehr als einem Monat wieder die Einreise ausländischer Helfer in den Gazastreifen.
EU will nicht mit der Hamas zusammenarbeiten
UNRWA-Sprecher Adnan Abu Hasna begrüßte dies. Die Aufgaben, die vor den Hilfsorganisationen lägen, seien gewaltig. Für den Wiederaufbau würden große Mengen an Baumaterialien benötigt. Die Vereinigung Internationaler Entwicklungshilfeagenturen (AIDA) beklagte dagegen, Israel habe bisher nur wenige Helfer in den Gazastreifen durchgelassen. Der Zugang müsse ohne Einschränkungen gewährleistet werden, forderte die Organisation.
Der EU-Außenbeauftragte, Javier Solana, sagte, das Wichtigste sei jetzt, sich um die Menschen zu kümmern, die keine Wohnung, Nahrung und Gesundheitsversorgung mehr hätten. Die EU strebe an, sofort mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Dabei wolle man aber nicht mit der Hamas zusammenarbeiten, der die israelischen Angriffe gegolten hatten. Solana sprach sich außerdem für eine internationale Untersuchung der Angriffe aus. Es müsse geklärt werden, ob Israel in dieser Zeit Kriegsverbrechen begangen habe. (kis)