Nach dem Sturm
30. November 2012Nach dem Sturm - Ägyptens Wirtschaft und der Neuanfang
Fast zwei Jahre nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak wird in Ägypten weiterhin um einen neuen politischen Kurs gerungen. Mindestens ebenso entscheidend für die Zukunft des arabischen Landes ist eine bessere Wirtschaftspolitik. Denn Jahrzehnte der Misswirtschaft und Korruption haben Ägypten in eine ökonomische und soziale Schieflage gebracht. Die Hälfte der Bevölkerung ist arm, die Arbeitslosigkeit - besonders unter Jugendlichen - alarmierend hoch, die Kluft zwischen Unter- und Oberschicht groß. Die neue Regierung unter dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi hat angekündigt, vieles besser zu machen. Die Menschen warten ungeduldig auf Taten.
Die beiden Deutsche Welle-Autoren Jaafar Abdul Karim und Thomas Hasel haben sich im Herbst 2012 auf den Weg nach Ägypten gemacht, um die aktuelle wirtschaftliche und soziale Situation in dem 80 Millionen-Einwohner Land zu erkunden. Sie treffen Menschen aller Schichten - einfache Bürger, Politiker, Aktivisten, Arbeiterrechtler und Experten – und suchen nach Gründen dafür, dass Ägypten auf dem Weg vom Entwicklungsland zum modernen Industrieland irgendwo in der Mitte hängen geblieben ist. Sie stoßen an vielen Stellen auf die Spuren schlechter Regierungsführung, die die 30-jährige Herrschaft Mubaraks hinterlassen hat: eine ausufernde, Innovationen erstickende Bürokratie; ein Militär, das durch seine wirtschaftlichen Privilegien den Wettbewerb verzerrt; ein System, in dem persönliche Beziehungen mehr wert sind als individuelle Leistung; eine Sozialpolitik, die Arme benachteiligt, Reiche fördert.
Doch sie entdecken auch Projekte, die Hoffnung machen. Denn viele Ägypter verlassen sich nicht mehr auf den Staat und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand.
Ob sich die sozioökonomische Lage der Menschen im Land am Nil schnell bessert, ist noch nicht klar. Eines aber ist sicher: Wenn dies nicht geschieht, steht Ägypten bald vor einer zweiten Revolution.
Nach dem Sturm - Tunesiens Wirtschaft und der Neuanfang
Fast zwei Jahre nach der Jasmin-Revolution sind die politischen Verhältnisse in Tunesien halbwegs stabil. Doch hat die neue Regierung bisher nicht geliefert, weswegen die Menschen damals auf die Straßen gegangen sind: Arbeit. Die Deutsche Welle-Autoren Anne Hoffmann und Selim Harbi begeben sich auf eine Reise durch ein Land im Umbruch. Sie begegnen jungen gut ausgebildeten Menschen, die versuchen, mit neuen Ideen und viel Energie sich und ihr Land voran zu bringen. Aber ebenso treffen sie Verzweifelte.
Mut zum Aufbruch hat Slim Nasraoui, der zusammen mit seinem Bruder Khaled die erste Solarfabrik Tunesiens aufgebaut hat, mitten im Nirgendwo, in einer armen Region, Oued Zarga, unweit der algerischen Grenze. Dreißig Leute aus der Umgebung haben hier Arbeit gefunden.
An der Küste weiter im Süden nahe der Stadt Sfax ist der Sitz eines der größten Olivenölproduzenten Tunesiens, Slim Fendri. Sein Bioöl wurde vor kurzem von der deutschen Zeitschrift Biopress als eines der 25 besten Olivenöle ausgezeichnet. Er liefert es an Gourmetshops vor allem in Frankreich. Zu Zeiten des alten Regimes war das nicht möglich.
Auch im trockenen Landesinneren, in den ärmsten Regionen des Landes, rund um Kasserine, wo 2011 die Revolution ihren Anfang nahm, gibt es Hoffnungsschimmer. Frauen haben sich zu einer Kooperative zusammengeschlossen, um traditionelle, lokale Produkte wie Teppiche, Stoffe, Flecht– und Tonwaren zu produzieren. Die Künstlerin Sadika Keskes aus Tunis hat die Kooperative initiiert, ihr Verein "Femmes, montrez vos muscles" (Frauen, zeigt eure Muskeln!) arbeitet mit den Frauen, fördert sie mit kleinen Summen.
Kleine Lichtblicke im kargen Süden. Doch hier herrscht auch immer noch tiefe Verzweiflung. Die Menschen in den Phosphatbergbaugebieten um Redayef und Metlaoui, werden von den Regierenden nach wie vor alleine gelassen. Hier gab es bereits 2008 die ersten Aufstände, vom alten Regime totgeschwiegen, vier junge Männer starben. Heute will niemand mehr für Hungerlöhne in den staatlichen Phosphatminen schuften, ohne Arbeitschutz oder Gesundheitsvorsorge.
Nach wie vor hat fast jeder vierte Tunesier keinen Job. Es kommt immer wieder zu Streiks, geplante wirtschaftliche Reformen kommen kaum voran. Investoren tun sich noch schwer. Dazu seit einiger Zeit die lautstarken und zum Teil gewalttätigen Störmanöver der radikalen Islamisten. Zu wenig setzt die regierende Ennada dem entgegen. Wird sich die noch „zarte Pflanze“ der Demokratie behaupten können und wachsen? Und wie gut stehen die Chancen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung in absehbarer Zeit?