Nach der Party ist vor der Party
12. Juli 2006Die Absperrung der Fanmeile wird gar nicht erst aufgehoben: An gleicher Stelle zelebriert die schon totgeglaubte Love Parade am Samstag (15.7.) nach zwei Jahren Pause lautstark ihre Wiederauferstehung. "The Love is Back!" heißt das Motto des Musikspektakels. Die Veranstalter rechnen mit hunderttausenden Besuchern auf der traditionellen Strecke durch den Tiergarten, zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule.
Rund 1,5 Millionen waren es zur Blütezeit 1999 gewesen, bevor der Reiz des Neuen schwand, auch anderswo auf der Welt auf Riesenfreiluftpartys getanzt werden konnte, Puristen die Kommerzialisierung des Ganzen beklagten und gleichzeitig die Müllabfuhr bezahlt werden musste. Die finanziellen Probleme wuchsen, nach der Parade 2003 war Schluss. Mit neuen Leuten, neuen Sponsoren und einem geänderten Konzept soll jetzt der Neustart gelingen.
Nicht mehr nur Techno
Vor allem soll nicht nur Techno, sondern die "gesamte Bandbreite der Electronic Dance Music" zu hören sein: House, Trance, Minimal, Drum 'n' Bass, Progressive, Chill Out und anderes mehr kündigen die Veranstalter an. Neben 40 "Floats", den lautsprecherbestückten Wagen, gibt es elf stationäre Bühnen, auf denen sich auch Nachwuchskräfte wie der 13-Jährige DJ Sascha "The Raveboy" austoben können.
Internationaler soll die Veranstaltung auch werden. "Clubkulturträger und DJs aus der ganzen Welt" sind angekündigt, darunter die Szenestars Paul van Dyk, Tiesto, Ricardo Villalobos und Westbam, der auch die diesjährige Hymne "United States of Love" komponiert hat. Zur Schlusskundgebung abends an der Siegessäule tritt Reamonn-Sänger Rea Garvey auf, mit dem Song "Be Angeled" von Jam & Spoon - eine Hommage an den DJ Mark Spoon, der im Januar mit 39 Jahren starb.
Traubenzucker statt Ecstasy
Neu ist auch, dass die Lastwagen nebst Anhängern und technischer Ausrüstung den Musikclubs kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Dafür kommen die Sponsoren auf, die ihrerseits größere Werbeflächen auf den Trucks bekommen. Der Hauptsponsor, eine Fitness-Studio-Kette, bekommt gleich zwei Wagen. Ihr Inhaber Rainer Schaller stellt eine Million der auf zwei bis drei Millionen Euro geschätzten Kosten zur Verfügung und ist gleichzeitig Geschäftsführer der Love Parade GmbH.
Der 37-Jährige sieht sein "Engagement mittel- bis langfristig" angelegt. Ob und wie es künftig weiter geht, soll aber die Resonanz auf die erste Parade unter seiner Regie zeigen. Der neue fitte Touch ist bei der Planung unübersehbar – und vielleicht auch ganz passend, so kurz nach dem sportlichen Großereignis des Jahres. Traubenzucker und Kühl-Gel statt Ecstasy und hochprozentigen Getränken sollen dazu beitragen, dass das Ereignis "friedlich und sicher" über die Bühne geht.
Gesundheits-Parade?
Das Tanzen stehe im Vordergrund, betonen die Veranstalter: "Drogen haben auf der Love Parade nichts zu suchen." Mitglieder der Fitness-Studio-Kette mit Erste-Hilfe-Ausbildung sollen als "Loveguards" die Besucher bei Bedarf mit Traubenzucker, Kondomen, Ohrstöpseln, Kühl-Gel und Infobroschüren des Drogennotdienstes versorgen. Nach dem Motto "Weniger Alkohol - mehr Spaß" sollen an alkoholischen Getränken nur Bier und Mixgetränke mit wenig Umdrehungen angeboten werden. Auch an die Umwelt und die Kummer gewöhnten Anwohner wird demonstrativ gedacht. Deren Nerven sollen mit Hilfe gezielter einsetzbarer Lautsprechersysteme besser geschont werden, außerdem ist eine halbe Stunde eher Schluss ans früher.
"Wer in einem fremden Wohnzimmer feiert, muss auch aufräumen", sagt Veranstalter Schaller. Pfandgeschirr und Eindämmung des Schwarzhandels, so viele Toiletten wie noch nie und die komplette Übernahme der Abfallbeseitigungskosten hat er versprochen.
Immer noch Friede, Freude, Eierkuchen?
Die Love Parade fand bisher 15 Mal statt. 1989 zogen noch 150 Leute unter dem Motto "Friede, Freude, Eierkuchen" über den Kurfürstendamm. Das Spektakel wuchs, wurde in den Tiergarten verlegt und löste jeden Sommer verlässlich Diskussionen aus. Das Ende begann 2001, als der Umzug seinen Status als politische Demonstration verlor und nicht mehr kostendeckend veranstaltet werden konnte, weil die Organisatoren selbst für Reinigung und Sicherheit aufkommen mussten. (ina)