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Nach der Wahl: Wohin steuert Deutschland?

Sabine Kinkartz23. September 2013

Die CDU hat die Bundestagswahl gewonnen. Weiter wie bisher wird es trotzdem nicht gehen. Die FDP ist aus dem Parlament geflogen und andere mögliche Koalitionspartner werden harte Bedingungen stellen.

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SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: Nigel Treblin/Getty Images)
Bild: Nigel Treblin/Getty Images

Es gab Momente an diesem Wahlabend, da schien eine absolute Mehrheit für CDU und CSU in greifbarer Nähe. Eine hauchdünne Mehrheit. Ein Sitz, vielleicht zwei im Deutschen Bundestag. Rein rechnerisch kann eine Partei mit einem solchen Ergebnis alleine regieren. Aber will sie es auch? Wie schnell kann es passieren, dass bei wichtigen Abstimmungen im Parlament ein Abgeordneter krank oder auf andere Weise verhindert ist. Oder dass Abgeordnete gegen die in der Fraktion vertretene Mehrheitsmeinung stimmen. Und dann? Eine solche Regierung käme einer permanenten Zitterpartie gleich.

Die Bundeskanzlerin wollte sich über solche Fragen am Wahlabend auch noch gar keine Gedanken machen. Über mögliche Koalitionen werde am Montag (23.09.2013) in den Parteigremien gesprochen. "Aber feiern dürfen wir heute schon, denn wir haben's toll gemacht", so Angela Merkel, die sich sichtlich darüber freute, die Umfrageergebnisse der letzten Wochen für ihre Partei noch deutlich übertroffen zu haben. Merkel steht damit vor ihrer dritten Amtszeit als Bundeskanzlerin. Sie werde auf jeden Fall bis 2017 zur Verfügung stehen, versicherte sie.

Bundeskanzlerin Angela Merkel steht lachend und winkend vor einer blauen Wand. (Foto: REUTERS)
So sehen Sieger aus: Angela Merkel auf der Wahlparty der CDUBild: Reuters

Schwere Zeiten für die SPD

Bei der SPD hingegen herrscht Katzenjammer. Das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der Sozialdemokraten hat ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück eingefahren. Nicht einmal drei Prozent mehr als 2009, als die SPD das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte verkraften musste. Das war nach dem Ende der großen Koalition mit der Union. Die hatte damals von dem Bündnis profitieren können, die Sozialdemokraten nicht. Daran wird sich die SPD erinnern, sollte die CDU in den kommenden Wochen auf die Partei zugehen und Koalitionsverhandlungen vorschlagen. Die SPD wird sich nicht erneut als Juniorpartner vereinnahmen lassen, sondern darauf achten, dass sie auch in einer Koalition ein eigenes, erkennbares Profil behält.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ließ das schon durchblicken, als er noch am Wahlabend sagte, die Lage sei sehr unklar. "Daher tut die SPD gut daran tun, keiner Spekulation darüber nachzugeben, wie eine Regierungsbildung aussehen könnte. Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel. Sie muss sich eine Mehrheit besorgen." Sollte die SPD als Mehrheitsbeschaffer dienen, dann ist schon jetzt absehbar, dass mögliche Koalitionsverhandlungen diesmal wohl deutlich länger dauern werden als 2005.

Drei in Schwarz, Rot und Gelb gekleidete Figuren. (Foto: dpa/lhe)
Union und SPD sind wieder im Bundestag vertreten, die Liberalen müssen sich nach etwas anderem umsehenBild: picture-alliance/dpa

Bei vielen Themen dürfte es krachen

Die SPD wird versuchen, ihre zentralen Wahlversprechen in jedem Fall durchzusetzen. Dazu gehören ein bundesweiter gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro, eine Neuregelung der Leiharbeit und eine Rücknahme des von CDU/CSU eingeführten Betreuungsgeldes für Familien, die ihre Kleinkinder nicht in die Kindertagesstätte schicken wollen. Einführen möchte die Partei eine Mietpreisbremse. Für Besserverdienende will die SPD den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen. Zudem wollen die Sozialdemokraten die Möglichkeit doppelter Staatsbürgerschaften für in Deutschland geborene Kinder aus eingewanderten Familien schaffen.

Mit ihrem Wahlprogramm sind die Sozialdemokraten ein ganzes Stück nach links gerückt und die meisten der darin aufgestellten Forderungen dürften bei CDU und CSU auf wenig Gegenliebe stoßen. Vor allem bei den Themen Steuererhöhung und flächendeckender Mindestlohn könnte es krachen, denn in diesen Punkten stehen sich die Parteien geradezu unversöhnlich gegenüber.

Weniger kritisch sieht es in der Außenpolitik aus. Union und SPD sind hier weitgehend auf einer gemeinsamen Wellenlänge. Das gilt auch für die Euro-Krise, die in den kommenden Wochen sicherlich erneut Schlagzeilen machen wird. Spätestens dann, wenn über ein drittes Hilfspaket für Griechenland verhandelt werden muss. Doch egal, ob es in den vergangenen vier Jahren um Hilfspakete oder Rettungsschirme ging, die SPD hat schon als Oppositionspartei die Politik der Bundesregierung mitgetragen und war für Angela Merkel ein verlässlicher Partner.

Grüne können blockieren

Schwierig dürfte sich eine große Koalition allerdings auf die politischen Machtverhältnisse im Bundesrat auswirken. Dort haben die von SPD und Grünen regierten Länder die Mehrheit. Eine Mehrheit, die bis ins Jahr 2016 hinein gesichert zu sein scheint. Die Bundesländer werden bei vielen wichtigen Gesetzesvorhaben der neuen Regierung ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben. Doch wie werden sich die rot-grün regierten Länder entscheiden, wenn es um schwarz-rote Gesetze geht? Werden die grünen Bündnispartner eine Einigung blockieren? Die Konstellation ist denkbar ungünstig und wird viel Verhandlungsgeschick erfordern.

Doch gibt es überhaupt eine Alternative? Eine linkes Bündnis aus SPD, Grünen und der Linken ist theoretisch möglich, praktisch haben die Parteien dies vor der Wahl allerdings ausgeschlossen. Außerdem hätte die Union zusammen mit den Grünen im Bundestag eine Mehrheit. Doch die konnten schon die Wähler mit ihren Steuerplänen und dem Vorschlag, in Kantinen an einem Tag pro Woche nur vegetarisches Essen anzubieten, nicht überzeugen. Noch weniger dürfte ihnen das mit der Union gelingen, denn die politischen Gräben zwischen CDU/CSU und Grünen sind viel zu tief, als dass ein solches Bündnis realistisch erscheinen würde. Das machte der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin noch am Wahlabend deutlich. Man werde gegebenenfalls mit der Union Gespräche führen, sagte er. Aber derzeit sehe er wenig Substanz für gemeinsames Handeln.