1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Kaufen Sie kleine und sparsame Autos"

23. August 2017

Schon drei Wochen nach dem Diesel-Gipfel hält die Umweltministerin dessen Ergebnisse für unzureichend. Deshalb fordert SPD-Politikerin Barbara Hendricks Nachrüstungen - auch für neuste Diesel-Autos.

https://p.dw.com/p/2ihNJ
Symbolbild Dieselskandal Automobilindustrie
Bild: picture-alliance/dpa/K.J. Hildenbrand

Der Saal im fünften Stock des Umweltministeriums ist voll, es mag am berüchtigten Sommerloch im politischen Berlin liegen, dass so viele Journalisten gekommen sind. Aber sicher auch am Dauerthema Diesel-Skandal. Anfang August hatte die Regierung mit der Auto-Industrie in Berlin einen Diesel-Gipfel veranstaltet. Das wichtigste Ergebnis damals: Rund fünf Millionen Diesel-Fahrzeuge, die wesentlich mehr Stickoxide ausstoßen als es die Norm der Europäischen Union erlaubt, erhalten ein Update der Abgas-Software.

"Sechs Prozent sind zu wenig!"  

Drei Wochen später erläutert Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), dass diese und die anderen auf dem Gipfel beschlossenen Maßnahmen bestenfalls zu einer Minderung der Belastung mit Stickoxiden von sechs Prozent führen. Das hat sich die Ministerin von den Experten des Umweltbundesamtes (UBA) in Dessau errechnen lassen. Sechs Prozent, das ist zu wenig: "Die Bevölkerung in den deutschen Städten hat ein Recht auf saubere Luft. Deshalb brauchen wir Maßnahmen, die zu einer raschen Senkung der Stickoxid-Belastung führen. Der Diesel-Gipfel war ein erster Schritt, dem dringend weitere und größere Schritte folgen müssen."

Konkret heißt das: Auch neuste Diesel-Autos müssen nach Ansicht von Hendricks nachgerüstet werden, ein bloßes Update der Steuersoftware reicht nicht aus. Ohnehin rät die Ministerin den Verbrauchern, lieber gar keine Diesel-Autos mehr zu kaufen, wenn die Hersteller jetzt mit Prämien zum Kauf neuer Autos locken: "Für die Umwelt ist es am besten, wenn die Prämie dazu motiviert, vor allem kleine und sparsame Autos zu kaufen." Und weiter: "Das sind etwa Elektroautos, solche mit Hybrid- und Gasantrieb, sparsame Benziner oder modernste Diesel, die geringe reale Emissionen auf der Straße haben." An anderer Stelle macht die SPD-Politikerin aber klar: Selbst die neusten Diesel-Autos mit der Euro-Norm 6 überschreiten ohne Nachrüstungen die Grenzwerte.

Deutschland Tankstelle Diesel Zapfsäule
Schlechte Zeiten für Diesel-Fahrer, auch wenn der Sprit billig ist: Auch neuste Autos überschreiten die GrenzwerteBild: picture-alliance/Citypress 24/D. Simka

Dicke Luft in 70 Städten

Die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, präsentierte eine Studie über die mageren Ergebnisse des Diesel-Treffens vor drei Wochen: "Für fast 70 deutsche Städte reichen die Maßnahmen voraussichtlich nicht aus, um die Atemluft unter den Grenzwert von maximal 40 Mikrogramm Stickoxid im Jahresmittel zu senken. Nur in 20 Städten, die derzeit knapp über dem Grenzwert liegen, werden die Beschlüsse des Diesel-Gipfels dazu führen, die seit 2010 geltenden EU-Grenzwerte endlich einzuhalten." 

Hendricks hatte den Diesel-Gipfel zusammen mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einberufen. Lange Zeit wurde ihm vorgeworfen, allzu nachsichtig auf die Skandale rund um Diesel-Autos, etwa die bewusste Täuschung der Verbraucher mit Schummel-Software, reagiert zu haben. Hat Hendricks jetzt aktuell mit ihm über ihre neusten Erkenntnisse gesprochen? "Ja, kurz, am Rande der Sitzung der Regierung heute Morgen", meint die Ministerin etwas schmallippig.

Deutschland Dieselgipfel in Berlin | Dobrindt & Hendricks
Auf dem Diesel-Gipfel vor drei Wochen: Barbara Hendricks (SPD) und Alexander Dobrindt (CSU)Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

VDA: Nachrüstung geht oft gar nicht

Der Politik sitzen die Gerichte im Nacken. Zuletzt hatte sich das Verwaltungsgericht in Stuttgart für Fahrverbote ausgesprochen, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Auf den Vorstoß von Hendricks reagiert der Verband der Automobilindustrie (VDA) prompt: "Nur drei Wochen nach dem Gipfel besteht keinerlei Anlass für Nach-Justierungen", heißt es in einer Erklärung. Überhaupt seien Nachrüstungen "in der Breite technisch nicht umsetzbar, weil bei der Vielzahl der betroffenen Modelle der Platz für den Einbau der notwendigen Teile fehlt."

Der Streit zwischen der Politik und der Wirtschaft über die Folgen des Diesel-Skandals geht offenbar in die nächste Runde.