Nach Feierabend in Damaskus
28. Oktober 2009Tobias schlendert durch die abendlichen Gassen. Als wäre es nicht schon eng genug, zwängt sich ein Auto nach dem anderen hindurch. Man muss förmlich den Bauch einziehen. Alle Fahrer haben die Scheiben heruntergekurbelt und jeder hört eine andere Musik. Auch die CD-Geschäfte werben mit viel Orientpop. Aus einem Lädchen dringen auffallend andere Töne.
Welche Musik gerade angesagt ist
Tobias wird neugierig. Garo heißt der Verkäufer. Er klärt Tobias auf: „Das ist Lena Chamamyan, die ist aus Damaskus und jetzt eine der bekanntesten Interpreten hier. Sie macht Orient-Jazz, verbindet Tradition und Moderne. Einfach wunderbar. Und dann gibt es noch Bashar Zarkhan. Der macht Sufi-Musik, Derwisch-Sound.“ - „Können wir’s mal hören?“, fragt Tobias. Der junge Ladenbesitzer packt eine CD aus und legt sie in den Player. Tobias zögert nicht lange und ersteht die beiden CD’s.
Eine kostet umgerechnet gerade 3 Euro. "Alles Originale," beteuert Garo. Er zählt weitere Namen syrischer Popstars auf. „Aber die verkaufe ich nicht, ich hab hier nur, was mir selbst gefällt. Ich habe meine eigenen Charts und da liegen Lena und Bashar ganz vorn.“
Ausgehen im christlichen Viertel von Damaskus
Auch eine neue palästinensische Band preist er an. Garo spielt selbst Gitarre. Er ist wie zwei Drittel der syrischen Bevölkerung unter 25. Und die Jugend will was erleben. In der immer größer werdenden Szene kennt er sich aus. Seine Tipps: „Für Konzerte gehen wir in die Zitadelle in der Altstadt und eine gute Disco hier im Viertel heißt Marmar.“
Draussen umfängt uns wieder Pop. Tobias marschiert vorbei an Galerien mit moderner Malerei durch die verwirrend verwinkelten Gassen, als zöge ihn jemand mit einem Faden. Ab und an wird er schon angesprochen und trifft Bekannte. Heut’ abend geht es mal nicht zur ZEN-Lounge, einer Bar auf einem Hochhaus, wo er mit anderen Deutschen jüngst Oktoberfest gefeiert hat und ein kleines Bier 6 Euro kostet. Auch sein bester Freund Wael hat keine Zeit.
Mit dem besucht Tobias öfter ein muslimisch geprägtes Internetcafé im Ausgehviertel Alrabweh. Will heißen: Limonade statt Bier und ab und an ein gen Mekka ausgerichteter Gebetsteppich. Dort wird geskyped und atemberaubend schnell Trick Track, also Backgammon gespielt. Der einzige Nachteil: Es ist ein men’s only Café.
Wie junge Leute in Damaskus ihren Feierabend verbringen
Dafür lädt mich Tobias in eine andere kleine Oase ein: ins Abu George. Die Begrüßung fällt sehr freundlich aus. Der kleine, rundliche Wirt hat seiner Kneipe gleich seinen Namen vermacht. Ich bestelle einen syrischen Rotwein namens Napoleon. Tobias nimmt ein mildes libanesisches Bier der Marke Almaza. Dazu gibt es Snacks - Chips, die aussehen wie Rigatoni-Nudeln. Tobias mag die kleine Eckkneipe: „Ja, das ist ein Kleinod. Man geht eben hierher mit den jungen Leuten und setzt sich hier rein, hat nette Gespräche. Ich habe hier schon viele nette Menschen kennengelernt.“
Im Abu George hängt neben unverfänglichen Plattenhüllen von Beethoven und einem Zimmer-zu-Vermieten-Zettel ein aufreizendes Aktfoto gleich unter dem Ventilator. Tobias klärt auf: „Wir sind hier halt im Christenviertel. Da darf man so was.“
Das Abu George zählt ganze 13 Stühle. Die Toilette hinter einer Falttür ist nur 1 x 1 Meter groß. Über ihr stapeln sich auf einem Holzbrett immer fünf Weinkisten übereinander bis ganz unter die Decke. Kein Wunder: Das Abu George ist unter einem einzigen Rundbogen eines Altstadthauses untergebracht.
Tobias verabschiedet sich von Wirt Abu George. Wer in Damaskus Alkohol ausschenken will, muss wegen eventueller Belästigungen durch Betrunkene eigentlich alle Nachbarn um Erlaubnis bitten, hat der junge Deutsche erfahren. Oder aber gute Beziehungen zu den Beamten haben. Wie hat es wohl Abu George gemanagt?
Autorin: Stefanie Markert
Redaktion: Birgit Görtz