Badekultur im Spiegel der Kunst
13. März 2020Ein heißes Bad wirkt manchmal Wunder. Das wussten schon die alten Ägypter. Aufs Baden schworen die alten Griechen, von den Römern ganz zu schweigen. Seither macht Badekultur Schule. Im Rückblick und erst recht im Spiegel der Kunst erzählt die älteste Kulturtechnik der Menschheit viel über das Funktionieren von Gesellschaften, über Macht-und Klassenverhältnisse, über die Beziehung zwischen Mann und Frau, die Gepflogenheiten von Handel und Wandel. "Baden war immer auch eine soziale Angelegenheit", sagt Kurator Hendrik Bündge im Gespräch mit der Deutschen Welle, "und sie ist bis heute ideologisch, religiös, sozial und kulturell aufgeladen."
Und zwar überall auf der Welt: "Körper. Blicke. Macht. Eine Kulturgeschichte des Bades", so hat die Kunsthalle Baden-Baden ihre neue Ausstellung genannt, die in Zusammenarbeit mit dem Museum Mucem in Marseille entstand. Die Schau versammelt Werke aller Kunstepochen. Da findet sich die mit einem nackten Jüngling bemalte, antike Keramikschale ebenso wie der mittelalterliche Holzschnitt, der eifrig plaudernde Frauen im Badehaus darstellt. Das Renaissance-Gemälde einer Badeszene gesellt sich zur alten japanischen Netsuke-Figur einer Mutter, die ihr Baby in einen Zuber taucht.
Waschen - eine soziale Praxis
Eine Version des berühmten Gemäldes "Der Tod des Marat" aus dem Atelier von Jacques-Louis David (1748-1825) hat es in die Ausstellung geschafft. Alltagsgegenstände wie alte Barbierschüsseln, Badheizer oder Hammamsandalen lassen sich in der Baden-Badener Schau ebenso antreffen wie die Werke namhafter Künstler - von Albrecht Dürer über David Hockney, Joseph Beuys und Nan Goldin bis hin zu Paul Chan, Monira Al Qadiri und Thomas Demand. Letzterer hat für ein Foto den Ort rekonstruiert, wo der Politiker Uwe Barschel tot aufgefunden wurde - eine Badewanne. Ein dokumentarisches Bild zeigt eine Fußwaschung als Kunsthappening im Seminar des Künstlers Joseph Beuys. Von der Antike bis zur Gegenwart – "Das Waschen des Körpers als soziale Praxis", sagt Kurator Bündge, "ist so alt wie die Menschheit selbst."
Zu allen Zeiten gehen Reinigungsrituale über Hygiene, Gesundheit und Wohlbefinden hinaus. So galt schon das antike Badehaus als sozialer Treffpunkt, und als perfekter Ort fürs Geschäft: "Da wurden politische Kontakte geknüpft und Verhandlungen geführt ", sagt Bündge. Die Griechen übergossen gestählte Männerkörper mit kaltem Wasser, die Römer hingegen liebten das warme Wasser. "Auch wenn mancher bei zu viel Hitze um seine Manneskraft fürchtete." Im französischen Absolutismus verzichtete man aus Angst vor Epidemien ganz auf Wasser, hier kamen kleine Flacons und Puderdosen zum Einsatz.
Im Lauf der Jahrhunderte ging es - jedenfalls in der Kunst - mehr und mehr um die Präsentation der Körper – und den begehrlichen männlichen Blick darauf. Nackte Frauenkörper erscheinen unter verschiedensten Vorwänden. Und warum sind die Nackten der Kunstgeschichte meistens weiblich? "In den letzten 700 Jahren der Kunstgeschichte", sagt Bündge, "hat das vor allem damit zu tun, dass männliche Maler den nackten weiblichen Körper gemalt haben und männliche Betrachter sich diese Bilder gerne aufgehängt haben". Das ändert sich erst im 20. Jahrhundert.
Private und öffentliche Bäder als Orte der Reinigung, als Kampfplatz der Geschlechter, aber auch als Ort politischer Machtkämpfe, das möchte die Baden-Badener Schau zeigen. Und wenn schon im ersten Ausstellungsraum ein Seifenspender hängt, verwundert das kaum in Corona-Zeiten, da Händewaschen zur ersten Bürgerpflicht erhoben ist. Freilich: Der 100 Jahre alte Automat ist eine Leihgabe des Hygiene-Museums Dresden.
Die Ausstellung "Körper. Blicke. Macht." in Baden-Baden geht noch bis zum 21. Juni 2020.