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Politik

"Nafri": Vorsicht, Polemik!

Krsto Lazarevic
5. Januar 2017

Darf man das, von "Nafris" sprechen und damit zwischen den Zeilen einen kollektiven Verdacht auf potenzielle Täterschaft implizieren? Unser Autor sieht das nicht so eng. Eine Polemik von Krsto Lazarevic.

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Gartenzwerg mit Deutschlandflagge
Bild: imago/imagebroker

Liebe Nafris, 

willkommen in Deutschland. Wir sind ein sehr gastfreundliches Land, was sich daran zeigt, dass wir in den vergangenen Jahren Millionen Menschen aufgenommen haben, die sich hier sehr wohlfühlen. Im Sommer 2015 wurden viele von ihnen sogar mit Umarmungen und Teddybären am Münchener Hauptbahnhof begrüßt. Wir freuen uns über Ihre Ankunft und sind stolz darauf, dass wir uns über Sie freuen. Es gibt aber ein paar Verhaltensregeln, die zu beachten wären, um das Zusammenleben angenehmer zu gestalten. 

Bei jungen und aus Nordafrika stammenden Männern kann es nämlich passieren, dass Polizisten sie als potenzielle Vergewaltiger klassifizieren. Die Polizei wird Sie dann in Tweets als Nafris (Nordafrikanische Intensivtäter) bezeichnen, auch wenn sie noch keine Ausweiskontrollen gemacht hat und daher gar nicht wissen kann, ob Sie vorbestraft sind. Nordafrikanische Männer sind für manche Deutsche eben grundsätzlich potenzielle Intensivtäter. Nehmen Sie das nicht zu persönlich, es ist nur ein kleiner Preis dafür, in einem der sichersten Länder der Welt leben zu können. 

Eigentlich ist "Racial Profiling" in Deutschland verboten, was sogar aus Artikel 3 (3) des Grundgesetzes hervorgeht. Dort heißt es: "Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden." Wenn es aber um Polizeikontrollen geht, vergessen viele Deutsche manchmal, was im Grundgesetz steht. Seien Sie ihnen deswegen nicht böse. Das Grundgesetz ist noch relativ jung und gilt für viele Deutsche erst seit 1990. 

In Deutschland herrscht Presse- und Meinungsfreiheit. Falls Sie es nicht gut finden, wenn Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert werden, sollten Sie das allerdings lieber für sich behalten. Das deutsche Recht lässt es zwar nicht zu, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe zu selektieren, aber auf dieses Recht sollten Sie nicht bestehen. Sollten Sie es trotzdem tun, kann es sein, dass die größte Boulevardzeitung Deutschlands eine kleine Kampagne gegen Sie startet. Sollten Sie das nicht gut finden, werden viele Menschen darauf hinweisen, dass man ja wohl noch sagen darf, was sowieso schon die ganze Zeit gesagt wird. Viele Deutsche sagen nämlich gerne: "Man wird ja wohl noch sagen dürfen" - obwohl sie sowieso alles sagen dürfen. 

Falls Sie Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe für rassistisch halten, behalten Sie auch das lieber für sich. Viele deutsche Journalisten sind nämlich der Meinung, dass sei kein Rassismus, was auch daran liegt, dass es in deutschen Redaktionen meistens wenige Menschen gibt, die von Rassismus betroffen sind. 

Kritik an der Arbeit der Polizei mögen die Deutschen nicht so gerne, also halten Sie sich damit zurück. Auch auf Defizite bei den Geheimdiensten sollten Sie lieber nicht aufmerksam machen. Wenn unsere neuen Mitbürger von rechtsextremen Terroristen ermordet werden, neigt der Verfassungsschutz dazu, die Täter nur unter den Migranten selbst zu suchen, weil sie auf dem rechten Auge etwas schlechter sehen. Aber keine Sorge, die Behörden in Deutschland werden eine weiße Weste behalten, weil sie rechtzeitig alle Dokumente schreddern werden, die noch größere Skandale ans Licht bringen könnten. Die konservativen Parteien in Deutschland werden nach solchen Skandalen sogar noch fordern, die Kompetenzen der Geheimdienste auszuweiten. Das klingt jetzt etwas verrückt, ist aber alles schon passiert. 

Manche Deutsche glauben auch, dass sie in einem armen Land leben ("Armes Deutschland" ist ein beliebter Ausruf) und bedanken sich dafür bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel ("Danke Merkel!"). Sollten Sie aus einem Land kommen, dass wirklich arm ist und in dem es wenig Grund gibt, sich beim Regierungschef zu bedanken, dann denken Sie nicht zu viel darüber nach und tun Sie das bitte als kleine deutsche Sonderheit ab. 

Wenn Sie sich an diese Regeln halten, dann wird das Ihren Aufenthalt in Deutschland angenehmer gestalten. Wir freuen uns auf ein schönes Zusammenleben. 

Mit freundlichen Grüßen 

Krsto Lazarevic 

Der Autor (27) ist in Bosnien-Herzegowina geboren und floh als Kind mit seiner Familie nach Deutschland. Heute lebt er in Berlin und schreibt für verschiedene deutschsprachige Medien. 

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