Nahost: Israel lehnt dauerhafte Waffenruhe ab
Veröffentlicht 29. November 2023Zuletzt aktualisiert 29. November 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Israel lehnt dauerhafte Waffenruhe ab
- G7 fordern Freilassung aller Geiseln und längere Kampfpause
- Zwölf Geiseln und 30 Palästinenser freigesetzt
- Netanjahu will Gazastreifen "entmilitarisieren" und "entradikalisieren"
- UNRWA: Hamas hat nicht von Hilfen profitiert
Israel hat den Forderungen nach einer dauerhaften Waffenruhe im Hamas-Israel-Krieg vor dem Weltsicherheitsrat eine Absage erteilt. "Jeder, der eine Waffenruhe unterstützt, unterstützt grundsätzlich die fortgesetzte Terrorherrschaft der Hamas in Gaza", sagte der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan vor dem mächtigsten UN-Gremium in New York. Israel könne seine Bürgerinnen und Bürger mit einer Waffenruhe nicht schützen.
Man könne keine Waffenruhe fordern und gleichzeitig behaupten, eine Lösung für den Konflikt zu suchen. Die radikalislamische Hamas sei kein Partner für einen verlässlichen Frieden. Ein Ende der Gewalt könne es nur dann geben, wenn die Hamas alle Geiseln übergebe sowie "alle beteiligten Terroristen des Angriffs auf Israel am 7. Oktober".
Hamas: Zwei russische Geiseln an Rotes Kreuz übergeben
Die islamistische Palästinenserorganisation Hamas hat nach eigenen Angaben zwei russische Geiseln freigelassen. Die beiden Frauen seien am Mittwoch dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz übergeben worden, erklärte die Hamas. Die Befreiung habe außerhalb der Abmachungen im Rahmen der Feuerpause zwischen Israel und der Hamas stattgefunden.
Sie gehe auf "Bemühungen des russischen Präsidenten" Wladimir Putin zurück, erklärte die Hamas weiter. Die von Deutschland, der EU und anderen Staaten als terroristisch eingestufte Organisation hatte bereits am Sonntag eine israelisch-russische Geisel freigelassen. In der Erklärung dazu hatte sich die Hamas für die "Unterstützung der palästinensischen Sache" durch Putin bedankt.
G7 fordern längere Waffenruhe im Gazastreifen
Die Außenminister der G7-Staaten haben sich für eine weitere Verlängerung der aktuellen Waffenruhe und künftige Feuerpausen im Gazastreifen ausgesprochen. "Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung, einschließlich Nahrung, Wasser, Treibstoff und medizinische Versorgung, zu gewährleisten. Wir unterstützen eine weitere Verlängerung dieser Pause und weitere Pausen, wenn nötig, um die Hilfe zu verstärken und die Freilassung aller Geiseln zu ermöglichen", heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
Zugleich betonte die Gruppe sieben wirtschaftsstarker Demokratien das Recht Israels, sich in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zum Schutz vor einer Wiederholung der Ereignisse vom 7. Oktober zu verteidigen. Vor gut sieben Wochen hatten Terroristen der militant-islamistischen Hamas im israelischen Grenzgebiet zum Gazastreifen ungefähr 1200 Menschen getötet und rund 240 als Geiseln genommen.
Israel bombardierte als Reaktion wochenlang massiv Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus. Angaben der Hamas zufolge, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dort seitdem fast 15.000 Menschen getötet.
Die G7 plädierten ferner für eine Zweistaatenlösung, die es "Israelis und Palästinensern ermöglicht, unter einem gerechten, langanhaltenden und sicheren Frieden zu leben". Der G7-Gruppe gehören Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien, Deutschland und die USA an.
Fünfte Freilassung von Geiseln und palästinensischen Häftlingen
Nach der Verlängerung der Feuerpause zwischen Israel und der Hamas sind am Dienstag zwölf weitere Geiseln freigelassen worden. Sie wurden nahe dem Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten an Mitarbeiter des Roten Kreuzes übergeben. Nach Angaben der israelischen Armee kamen zehn Israelis und zwei Ausländer kurz danach in Israel an. Sie wurden in Krankenhäuser gebracht, wo sie ihre Angehörigen trafen.
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock erklärte im Onlinedienst X, unter den Freigelassenen sei eine Deutsche. "Ich bin erleichtert für sie alle", schrieb Baerbock weiter mit Blick auf die zwölf Freigelassenen.
Bei den freigelassenen ausländischen Bürgern handelt es sich dem Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu zufolge um Thailänder. Im Gegenzug ließ Israel 30 palästinensische Frauen und Jugendliche unter 19 Jahren aus seinen Gefängnissen frei.
Die Geiseln wurden am Dienstag erstmals sowohl von der Hamas als auch vom Islamischen Dschihad an das Rote Kreuz übergeben. Die im Gazastreifen rivalisierenden islamistischen Palästinensergruppen gaben sich bei den von Militärparaden begleiteten Geisel-Übergaben demonstrativ einig. Es wird vermutet, dass viele Geiseln auch vom Islamischen Dschihad festgehalten werden.
Feuerpause bis Donnerstagfrüh ausgedehnt
Seit Inkrafttreten der Feuerpause am Freitag wurden damit bisher insgesamt 60 israelische Frauen und Kinder sowie 21 weitere ausländische Geiseln freigelassen, überwiegend Gastarbeiter aus Thailand. Unter den mehrheitlich israelischen Geiseln waren bisher elf mit deutsch-israelischer Doppelstaatsbürgerschaft.
Im Gegenzug entließ Israel bisher 180 palästinensische Häftlinge aus seinen Gefängnissen. Die Hamas und der Islamische Dschihad sind militante, islamistische Palästinensergruppen. Die Europäische Union ebenso wie Israel, die USA, Deutschland und weitere Länder stufen sie als Terrororganisation ein.
Am Montag war die Feuerpause um zwei Tage bis Donnerstagfrüh verlängert worden. Der Vereinbarung zufolge sollen bis dahin noch weitere zehn israelische Geiseln aus der Gewalt der Hamas freikommen sowie 30 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Örtlichen Medien zufolge erhielt die israelische Regierung am Dienstag die Liste der Geiseln, die die Hamas an diesem Mittwoch freilassen will.
Netanjahu will Gazastreifen "entmilitarisieren" und "entradikalisieren"
Der israelische Ministerpräsident Netanjahu strebt eine Umgestaltung des Gazastreifens nach dem Vorbild der Entnazifizierung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg an. "Nach dem Sieg über die Hamas müssen wir zwei Dinge tun: Erstens entmilitarisieren wir Gaza und zweitens entradikalisieren wir Gaza", sagte Netanjahu in einem Interview der Zeitungen "Bild" und "Die Welt" sowie "Politico". "Und genau das wurde in Deutschland, Japan und anderswo getan."
Deutschland sei nun ein völlig anderes Land als in den 1930er-Jahren. "Wie wurde das erreicht? Dies wurde durch den totalen militärischen Sieg und die Veränderung der Kultur, der Bildung und des Lernens über die Fehler der Vergangenheit erreicht." Auch Japan sei ein anderes Land geworden.
Der Ministerpräsident betonte zudem, Israel werde die Einsätze gegen die Hamas nach dem Ende der derzeit vereinbarten Feuerpause wieder aufnehmen. Denn die Vertreter der Hamas sagten, "dass sie das Massaker, das sie an uns verübt haben, (...) wiederholen werden".
Netanjahu warnte zudem vor der Gefahr, die von Islamisten ausgehe. Die Hamas sei "Teil der Terrorachse des Iran, der Hisbollah, der Huthis und anderer". Ihr Ziel sei es, "zuerst den Nahen Osten und dann die Welt in ein Zeitalter der Barbarei zu führen".
UNRWA: Hamas hat nicht von Hilfen profitiert
Die palästinensische Terrororganisation Hamas war nach Angaben eines UN-Hilfswerks kein Nutznießer von Finanzhilfen der Vereinten Nationen für den Gazastreifen. "Wir kennen unsere Partner und wissen genau, wohin unsere Hilfslieferungen gehen", sagte der Leiter des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge UNRWA, Philippe Lazzarini, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Alle Hilfsgüter des UNRWA seien bislang problemlos ausgeliefert worden.
Auch mit Israel gebe es nach wie vor sehr engen täglichen Kontakt, "außer zu den politisch dogmatischen Parteien", so Lazzarini. Israel sei bewusst, dass das Hilfswerk die einzige Organisation sei, die derzeit humanitäre Hilfe im Gazastreifen leisten könne.
Zugleich forderte Lazzarini einen umgehenden Waffenstillstand. Die Lage im Gazastreifen habe sich zuletzt dramatisch verschlechtert. "Wir stehen vor einer nie dagewesenen humanitären Krise", warnte Lazzarini.
Israel solle seine militärischen Ziele weiterverfolgen können, müsse jedoch ausreichende Hilfen und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sicherstellen sowie eine Verhältnismäßigkeit wahren. "Es fällt allerdings schwer zu glauben, dass 14.000 getötete Menschen innerhalb von 45 Tagen, darunter 10.000 Kinder und Frauen, verhältnismäßig sind. Diese Zahlen sind erschütternd."
Steinmeier beendet Nahost-Reise in Katar
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist an diesem Mittwoch in den Golfstaat Katar, wo er in Doha den Emir des Staates, Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani, treffen wird. Steinmeier befindet sich seit Sonntag im Nahen Osten.
Zunächst hatte der Bundespräsident Israel besucht und dort unter anderem Präsident Isaac Herzog und Angehörige der verschleppten Geiseln getroffen. Am Dienstag war Steinmeier in das Sultanat Oman weitergereist.
Katar ist zusammen mit Ägypten und den USA der wichtigste Vermittler im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas. Der Golfstaat mit guten Verbindungen zur Hamas war auch maßgeblich an den Verhandlungen für die aktuell geltende Feuerpause beteiligt.
Katar bemüht sich um eine Verlängerung und strebt zudem einen dauerhaften Waffenstillstand an. Steinmeier will unter anderem ergründen, wie es nach der aktuellen Feuerpause weitergehen könnte.
G7 verlangen von Huthi-Rebellen Freigabe eines Frachters
Die G7-Staatengruppe hat die Huthi-Rebellen im Jemen aufgerufen, Angriffe auf die Schifffahrt einzustellen. Die Außenminister der sieben wirtschaftsstarken Demokratien verlangten von ihnen, den internationalen Schiffsverkehr nicht zu gefährden. Zudem setzten sie sich dafür ein, dass die vom Iran unterstützten Aufständischen das Frachtschiff "Galaxy Leader" und seine Besatzung freigeben. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung hervor, die das Außenministerium in Washington veröffentlichte.
Die jemenitischen Rebellen hatten den Autotransporter am 19. November im Roten Meer gekapert. Nach Berichten in israelischen Medien wird das Schiff von einem Unternehmen betrieben, das zum Teil dem britisch-israelischen Geschäftsmann Rami Ungar gehört. Auf dem Schiff befinden sich 25 Seeleute verschiedener Nationalitäten. Seit Beginn des Hamas-Israel-Krieges hatten die Streitkräfte der Huthi mehrfach versucht, Israel mit Drohnen anzugreifen.
kle/sti/AR/uh/qu/apo (afp, dpa, rtr)
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