Nahrung als Menschenrecht
15. Oktober 2007Der Generaldirektor der Welternährungsorganisation, Jacques Diouf, hat in seiner Ansprache zum diesjährigen Welternährungstag alle Länder und Regierungen an ein Versprechen erinnert. "Auf dem Ernährungsgipfel 1996 haben die Staats- und Regierungschef noch einmal bestätigt, dass jeder Mensch ein Grundrecht auf gesunde und ausreichende Ernährung hat, und dass es ein Grundrecht für alle ist, nicht Hunger leiden zu müssen", sagte Diouf. "Sie haben sich verpflichtet, dieses Ziel konsequent zu verfolgen und nach und nach zu erreichen, dass für alle Menschen eine ausreichende Ernährung gesichert ist."
Neue Strukturen
Jedes Jahr wird der 16. Oktober als Welternährungstag ausgerufen - zur Erinnerung an den Tag, an dem 1945 die Welternährungsorganisation FAO im kanadischen Quebec gegründet wurde. Doch auch am 16. Oktober 2007 hungern 854 Millionen Menschen dieser Erde, weil sie zu arm sind, Essen für sich und ihre Familien zu kaufen, weil sie aus ihren Dörfern durch Bürgerkrieg oder Unruhen vertrieben worden sind, weil Dürre oder Überschwemmungen ihre Ernten vernichtet haben.
Es ist die dritte Amtszeit für Jaques Diouf als Generaldirektor von FAO - er wurde 2005 für weitere sechs Jahre gewählt. Seit seinem Amtsantritt im Januar 1994 hat sich viel in der Arbeit der Organisation geändert. Viele Aktivitäten wurden vom Hauptquartier in Rom in die einzelnen Ländern verlegt, eine internationale Datenbank, ähnlich derjenigen der Weltgesundheitsorganisation, wurde eingerichtet, die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und mit Nicht-Regierungsorganisationen wurde ausgebaut und mehr Experten aus den Entwicklungsländern selbst wurden in die Organisation berufen.
Hunger bleibt das Hauptproblem
Doch an der Situation an sich hat sich wenig geändert: Hunger ist nach wie vor das Hauptproblem, und Afrika südlich der Sahara ist und bleibt das große Sorgenkind. Dort hat sich in den letzten zehn Jahren wenig zum Besseren geändert. Nach wie vor sind viele afrikanische Länder auf Lebensmittelhilfe von Außen angewiesen. Dabei ist Nahrung ein Grundrecht. "Das Grundrecht auf Nahrung muss auch im Kopf aller als ein Recht und nicht als eine Almose gesehen werden", erinnerte Diouf. "Sicherzustellen, dass jeder Mensch eine ausreichende und stabile Ernährungsversorgung hat, ist nicht nur eine moralische Verpflichtung oder eine Investition mit riesigem finanziellem Potenzial, sondern ein grundlegendes Menschenrecht. Die Welt hat die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen."
Doch das Recht auf Nahrung fängt an der Basis der Nahrungskette an. Die Länder, die sich nicht selbst ernähren können, werden sich auch nicht entwickeln können. Die Armutsfalle - Hunger, Krankheiten, fehlende Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssysteme - klappt in den Ländern zu, wo die Landwirtschaft durch Politik, Konflikte und Korruption nie reformiert worden ist. Die zwei größten Schwellenländer - Indien und China - erlebten erst eine rasante wirtschaftliche Entwicklung, nachdem sie die Landwirtschaft reformierten. Die so genannte grüne Revolution ist die Voraussetzung für Entwicklung und Bekämpfung des Hungers.
Subventionierte Überproduktion als "Hilfe"
Doch ähnlich wie die EU haben auch die USA jahrzehntelang die subventionierte Überproduktion der eigenen Landwirte als Lebensmittelhilfe in die Dritte Welt geschickt. Oft genug mit Erfahrungen wie in Somalia, wo maximal 20 Prozent bei der hungernden Bevölkerung ankam und der Rest verkauft wurde, um Privatkonten der lokalen Machthabern aufzubessern oder um Waffen für den Bürgerkrieg zu kaufen. Doch spätestens seit der UN-Generalversammlung Ende September sind auch aus dem Weißen Haus neue Töne zu vernehmen: Die Nahrungsmittelhilfe soll, wenn möglich, vor Ort oder in anderen Entwicklungsländern eingekauft werden, erklärte US-Präsident George W. Bush. "Dies würde helfen, die lokale Landwirtschaft aufzubauen und den Kreislauf des Hungers in der Dritten Welt zu durchbrechen."
Genau das ist auch die Forderung der UN-Koordinatorin für die Millenniums-Entwicklungsziele, Eveline Herfkens. Die ehemalige niederländische Entwicklungsministerin fordert seit Jahren, dass die reichen Länder ihre Subventionen für die eigene Landwirtschaft abbauen und ihre Märkte für die Produkte der Dritten Welt öffnen. "Zwei Drittel der Armen wohnen in ländlichen Gebieten, sie sind von der Landwirtschaft abhängig. So lange wir Europäer weiterhin ihre Lebensgrundlage zerstören, indem wir unsere Landwirtschaft subventionieren und unsere reichen Märkte für sie schließen, werden wir die Ziele nicht erreichen können", erklärte sie. "Nicht nur die Hilfe ist wichtig, sondern mindestens genauso wichtig ist eine Änderung der Handelsbedingungen." Bis sich diese Absichten an den Zahlen der globalen Hungerstatistik ablesen lassen, werden allerdings wohl noch etliche Welternährungstage vergehen.