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Napoleon-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn

16. Dezember 2010

Die einen verklären ihn als einen politischen Heros, andere sehen in ihm vor allem einen menschenverachtenden Kriegstreiber: Napoleon Bonaparte. Eine Ausstellung in Bonn zeigt Licht und Schatten seiner Regentschaft.

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Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867) Ausschnitt: Napoleon I. im Krönungsornat auf dem Kaiserthron, 1806, Öl auf Leinwand, 260 x 163 cm Musée de l'Armée, Paris (Foto: Musée de l'Armée)
Im KrönungsornatBild: Musée de l'Armée

Knapp vierhundert Exponate, geordnet in zwölf Kapiteln: Großformatige Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Dokumente, Medaillen, Waffen, Möbelstücke, Werkzeuge - Leihgaben aus siebzehn Ländern. Dazu ein mehr als 40 Seiten umfassendes Rahmenprogramm und ein kiloschwerer 400-seitiger Katalog. In der Bundeshalle wird geklotzt, nicht gekleckert. Das freilich erscheint dem Thema angemessen, geht es doch um nicht weniger als um die Darstellung Napoleons und seines Regimes, die Auswirkungen seiner Politik und die künstlerische Auseinandersetzung mit ihr - ein groß angelegtes Panorama zwischen Krieg und Kunst, Militär und Moderne, Aufklärung und Propaganda, ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt zudem, das unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy steht.

Napoleons Kaiserreich - das erfahren wir - galt als Paradebeispiel eines modernen, effizienten Staates, in dem technischer Fortschritt eine große Rolle spielte: Infrastruktur, Straßenbau, Post und Telegrafie wurden auf einen damals neuen Stand gebracht. Vor allem aber initiierte Napoleon den "Code Civil", ein epochemachendes Zivilgesetzbuch, das in Frankreich bis heute gültig und zum Vorbild für Verfassungen anderer Länder geworden ist. Das ist die eine Seite.

Christian Wilhelm von Faber du Faur (1780–1857) In der Gegend von Smorgony, 3. Dezember 1812, Aquarell (Foto:Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt)
Der Schrecken des Krieges: In der Gegend von Smorgony 1812Bild: Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt

Schlachtfeld Europa

Die andere, abstoßende Seite zeigt Napoleon als den Verfechter eines Polizeistaats, einen Schreckensherrscher, dessen Militärmaschine Europa mit Krieg und Vernichtung überzog. Sein Traum von Weltreich kostete wahrscheinlich 3 Millionen Europäer das Leben, 10 Millionen blieben als Verwundete auf Schlachtfeldern und in zerstörten Ländern zurück - die kollektive Erfahrung einer ganzen Generation, sagt Ausstellungskuratorin Benedicte Savoy. "Krieg, Vernichtung, Angst, Kälte, Verletzungen, das ist ein europäisches Erbe, eine gemeinsame Erinnerung, die wir hier unbedingt zeigen wollten."

Bilder des Grauens

Johann Michael Voltz (1784–1858) Triumph des Jahres 1813. Den Deutschen zum Neujahr 1814 Kolorierte Radierung und Aquatinta, 11,6 x 9,3 cm Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte (Foto: LWL – Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte, Münster)
Napoleon, ein TotenkopfBild: LWL/Münster/S.Ahlbrand-Dornseif

Napoleon hat ganz Europa mit seiner Militärmaschine – der "Grande Armee" – überrollt. Zum Einmarsch nach Russland 1812 sammelte er das größte Heer, das es bis dahin jemals in Europa gegeben hatte: 600.000 Mann. Die meisten starben, nur ein Bruchteil von ihnen kehrte aus dem eisigen russischen Winter zurück. Und noch 2002 wurde nahe der litauischen Hauptstadt Vilnius eines von vielen Massengräbern aus jener Zeit entdeckt.

In der Ausstellung sind zeitgenössische Bilder zu sehen, die Krieg und Tod, das Leiden im Feld und in Lazaretten dokumentieren, Darstellungen vom deprimierenden Rückzug geschlagener Armeen, medizinische Zeichnungen von fürchterlichen Wunden, Koffer mit Amputationsbesteck, Prothesen und chirurgische Instrumente, die etwas vom Grauen auf den Schlachtfeldern ahnen lassen.

Benjamin Zix (1772-1811), Einpacken der konfiszierten Gemälde in Wien, 1810, Paris, Privatbesitz (Foto: Privatbesitz)
Konfiszierte Kunst wird abtransportiertBild: Privatbesitz

Raub am kulturellen Gedächtnis

Andererseits war Napoleon ein Förderer der Künste, ein Mäzen – der die Künstler freilich auch für den Kult um die eigene Person instrumentalisierte, sich huldigen ließ in großformatigen Gemälden. Dass Paris sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem Mekka der Künste und der Wissenschaften entwickelte, war freilich nur möglich durch die umfassende Aneignung von Bibliotheken, Archiven und Kunstsammlungen: Statuen aus Rom, Gemälde aus Wien, Kisten voller Bücher aus Berlin, Kunstschätze aus Kirchen und Klöstern – Trophäen, konfisziert und penibel aufgelistet von Kommissionen, die im Dienste Napoleons unterwegs waren, als Fracht nach Paris geschickt zum Ruhme des Kaisers und Feldherrn.

Radierungen, Gemälde, Dokumente legen davon in der Ausstellung Zeugnis ab. Benedicte Savoy erläutert: "Die Idee dabei war, Paris zu einem zentralen Gedächtnisort zu machen, alle Archive Europas sollten hier vereinigt werden. Der Plan war auch, eine Art universelles Museum zu schaffen, Lücken in den schon bestehende Sammlungen zu füllen und sie zu den größten und schönsten zu machen." Die Restitution der europäischen Archivalien war, wie die Kuratorin sagt, ein zähes Geschäft. Doch letztlich seien fast alle Bestände an die beraubten Länder zurück gegeben worden.

Faszinosum Bonaparte

Jonathan Meese, Der Terminator: Napoleon, 2006, Bronze, 185 x 68 x 67 cm, Privatsammlung, (Foto: Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin/ Jochen Littkemann)
Der TerminatorBild: Court.Contemp.Fine Arts Berlin/Foto:J.Littkemann

Napoleon hat viele Zeitgenossen fasziniert: Friedrich Hölderlin zum Beispiel, Ludwig van Beethoven, Alexander von Humboldt, Friedrich Hegel. Sie waren Vertreter einer Generation die von Bonaparte "elektrisiert" wurde, sagt Benedicte Savoy. Die Faszination reicht bis heute: Am Ende der Ausstellung findet sich eine Skulptur von Jonathan Meese. Titel:"Terminator Napoleon" - der eigenwillige Künstler zeigt eine Mischung aus archaischen Fetisch, Comicfigur und schwer bewaffnetem Monstrum - mit einem riesigen Penis.

Autorin: Cornelia Rabitz

Redaktion: Conny Paul