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Nationalismus

Matthias von Hein28. November 2013

Es geht um Öl, es geht um Gas, es geht um Fischerei. Aber es geht auch um Gefühle. Nationalistische Strömungen spielen im Inselstreit eine große Rolle – und machen ihn schwer beherrschbar.

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A protester yells slogans during a march in front of the Japanese consulate in Shanghai August 16, 2012. The protesters were demanding the release of detained activists after they landed on the disputed islands called Senkaku in Japan, or Diaoyu in China. China urged Japan on Wednesday to immediately and unconditionally release 14 Chinese nationals held over a protest landing on disputed islands that have long been a source of tension between the two big Asian powers. REUTERS/Aly Song (CHINA - Tags: POLITICS CIVIL UNREST)
Japan China Streit um Insel Senkaku alias Diaoyu Demonstration vor Konsulat in SchanghaiBild: Reuters

Seit 1969 weiß man: Es gibt beträchtliche Öl- und Gasvorkommen in der Umgebung jener umstrittener Inseln, die in Japan Senkaku und in China Diaoyu heißen. Doch der Konflikt zwischen der zweitgrößten und der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt wird nicht allein vom Hunger nach Brennstoffen befeuert. Brisant - weil irrational - wird der Inselstreit, weil auf beiden Seiten tief sitzende nationalistische Gefühle im Spiel sind.

In China sei der anti-japanischer Nationalismus fest verwoben mit der nationalen Geschichte und von der chinesischen Regierung gefördert worden, analysiert Stephanie Kleine-Ahlbrandt von der International Crisis Group. "Über Jahrzehnte hat die  Regierung die sogenannte 'patriotische Erziehung' vorangetrieben. Die Medien schildern immer wieder die brutale Besatzung durch die Japaner und Chinas 'heroische Triumpfe' unter der Führung der Kommunistischen Partei", so die China-Expertin im Interview mit der Deutschen Welle.

Identität durch nationale Stärke

Damit berühren die fünf unbewohnten Inseln und drei Felsen der Inselgruppe den Gründungsmythos des kommunistischen Chinas: Nach einem Jahrhundert der Demütigung durch ausländische Mächte habe die Kommunistische Partei die nationale Souveränität erkämpft. Und nur die Partei könne die territoriale Integrität des Landes garantieren.

Ein japanischer Demonstrant schreit seinen Ärger heraus (Foto: REUTERS/Toru Hanai)
Ein Demonstrant lässt keinen Zweifel an Japans BesitzansprüchenBild: REUTERS

Da die KP ideologisch abgewirtschaftet hat, spielt die Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität als Legitimation für die KP-Herrschaft eine umso größere Rolle. Und wenn der neue Staats- und Parteichef Xi Jinping wiederholt vom "chinesischen Traum" und der "Wiederherstellung nationaler Stärke" spricht, bezieht es sich genau auf die seit Jahrzehnten genährte Opfermentalität. Der Tübinger Chinawissenschaftler Gunter Schubert sieht im Pekinger Umgang mit dem Inselstreit eine politische Methode: "In der Außenpolitik wird immer eine klare Sprache geredet, so dass man Unklarheiten im innenpolitischen Bereich teilweise kompensieren kann eben mit sogenannten 'Erfolgen' in der Außenpolitik."

Regierung unter Druck der Bürger

Das Problem: Peking wird Gefangener seiner eigenen Rhetorik. Das gilt umso mehr, als der Einfluss der chinesischen Führung auf die Stimmung in der Bevölkerung schwindet. Grund sind – trotz Zensur – das Internet und vor allem die massive Verbreitung von Kurznachrichtendiensten analog zu Twitter.

Die Chinaexpertin Kleine-Ahlbrandt stellt fest, die chinesische Regierung müsse nun ihre Bürger zufriedenstellen, die sich vermehrt lautstark und kritisch äußerten: "Inzwischen verfolgen chinesische Internetuser die Schiffe der chinesischen Küstenwache per Satellit. Dann kritisieren sie die Regierung und sagen: Ihr habt es nicht zu den Inseln geschafft!" Die neuen Medien, so Kleine-Ahlbrandt, hätten den Nationalismus in eine politische Macht verwandelt, die so stark sei, dass sie die Legitimität der Regierung bedrohe.

Japans fürchtet um seine Bedeutung

Speist sich der chinesische Nationalismus aus einem Gefühl vergangener Schwäche und Demütigung, ist es beim japanischen Nationalismus genau umgekehrt: Der nährt sich aus einem Gefühl des Verlustes vergangener Stärke. Der Berliner Historiker Sebastian Conrad drückt es angesichts des auch in Parlament und Regierung wachsenden Nationalismus in Japan im Interview mit der DW so aus: "Das ist eine Kompensationsrhetorik vor dem Hintergrund des eigenen Einflussverlustes in der Region."

Der japanische Sondergesandte wird von Chinas Parteichef Xi Jinping begrüßt. (Foto: REUTERS/Ng Han Guan/Pool)
Ein japanischer Sondergesandte wird von Chinas Parteichef begrüßt. Er soll im Inselstreit schlichten.Bild: Reuters

Zu dieser These passt die Konjunkturentwicklung nationalistischer Strömungen in Japan. Noch in den 1990er Jahren nämlich haben sie kaum eine Rolle gespielt. Damals ging es dem Land noch relativ gut. China war noch nicht die dominierende Macht in Ostasien. Japan beschäftigte sich sogar kritisch mit den eignen Verbrechen während der Kriegs- und Besatzungszeiten. Es gab Gesten der Entschuldigung gegenüber den Nachbarn. Als aber die japanische Wirtschaft zu schwächeln begann und der chinesische Einfluss dagegen beeindruckend wuchs, wurden die Stimmen der Nationalisten lauter. Die, so der Historiker Conrad, seien im Inselreich zwar noch immer in der Minderheit. Aber sie würden die Diskussion treiben.