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Politik

Ultimatum an Russland

Barbara Wesel
4. Dezember 2018

Washington stellt Moskau Bedingungen: Abbau der russischen Raketensysteme oder Kündigung des INF-Abrüstungsvertrages. Auch alle anderen NATO-Mitgliedsstaaten fordern Russland auf, zu handeln. Aus Brüssel Barbara Wesel.

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NATO Gipel in Brüssel
War mit klaren Worte angereist: Der US-Außenminister Mike PompeoBild: Reuters/Y. Herman

"Wir können entweder den Kopf in den Sand stecken, oder im Sinne der Vernunft auf den eklatanten Bruch des INF-Vertrages durch Russland reagieren", erklärte US-Außenminister Mike Pompeo beim Treffen mit seinen NATO-Kollegen in Brüssel und setzte den Russen eine Frist von 60 Tagen. Er machte dabei eher den Eindruck, als ob er gar nicht warten könnte, bis Washington den Vertrag zerreißt und Präsident Wladimir Putin vor die Füße wirft. Es gilt als diplomatischer Erfolg der deutschen Bundeskanzlerin, dass sie am Rande des G20-Gipfels Präsident Donald Trump wenigstens zu dieser letzten Frist bewegen konnte.

Russland ist vertragsbrüchig

Zum ersten Mal stellt die NATO bei diesem Treffen einstimmig fest, dass Russland seit Jahren die Regeln des INF-Abrüstungsvertrages gegen atomare Mittelstreckenraketen bricht. Das neue russische Raketensystem 9M729 verstoße eindeutig gegen die Regeln des Vertrages. Seit über fünf Jahren sei die russische Regierung deswegen immer wieder abgemahnt worden und habe jahrelang nur mit Verleugnen regiert.

Familienfoto aller NATo-Mitgliedsstaaten in Brüssel
In der Sache waren sich die NATO-Mitgliedsstaaten einig: Russland verstößt seit Jahren gegen den INF-AbrüstungsvertragBild: Reuters/Y. Herman

"Erst haben die Russen gesagt, es gebe keine Vertragsverletzung, dann änderten sie die Erzählung und räumen inzwischen ein, dass es die Raketen gibt", sagt Pompeo dazu. Moskau würde aber behaupten, dass sie nicht gegen den Vertrag verstoßen. "Es hat keinen Sinn, dass die USA in einem Vertrag bleiben, der nicht eingehalten wird."

Außerdem gebe es weitere Länder wie China und Iran, die nicht Teilnehmer des Vertrages seien, und alle Versuche den Kreis der Vertragspartner zu erweitern, seien gescheitert. "Wir unterstützen keine Verträge, die unsere Sicherheit unterminieren", fügt der US-Außenminister noch hinzu. Damit macht er klar, dass die Trump-Regierung den INF-Vertrag derzeit eher hinderlich für eigene Rüstungsvorhaben ansieht, denn als nützlich zur Begrenzung eines atomaren Wettrüstens. Sieht er eine Chance, dass Russland angesichts des von ihm gestellten Ultimatums einlenken könnte? "Wir würde eine Sinnesänderung begrüßen", erklärt Pompeo nur lapidar.

Gibt es die aber nicht, kommt es also nach Ablauf des Ultimatums zu der einseitigen Erklärung durch die USA, den Vertrag verlassen zu wollen. Dann beginnt ab Februar nächsten Jahres eine vertraglich vereinbarte Nachfrist von sechs Monaten. Innerhalb dieser Zeit könnte Moskau noch zur Vertragstreue zurückkehren. Das tatsächliche Ende der Vereinbarung würde also Ende Juli 2019 erfolgen.

Ronald Reagan und Michail Gorbatschow stoßen am 8. Dezember 1987 auf die Unterzeichnung des INF-Vertrages an
Ronald Reagan und Michail Gorbatschow am 8. Dezember 1987 nach Unterzeichnung des INF-VertragesBild: picture-alliance/dpa

In der Sache sind sich die NATO und der US-Außenminister hier einig: Russland verstößt seit Jahren gegen den Abrüstungsvertrag. Das Ultimatum aber und der harsche Ton kommen von den amerikanischen Vertragspartnern. Pompeo hatte bereits am Morgen in einer Rede vor dem German Marshallfund in Brüssel in einem Rundumschlag deutlich gemacht, was er von internationalen Institutionen hält, die nicht im Sinne der USA funktionieren: Nichts - die WTO, der IWF und der Internationale Strafgerichtshof unter anderem gehörten allesamt auf den Prüfstand.

Europäer sind besorgt

"Die Konsequenzen werden vor allem Europa treffen", sagt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu dem drohenden Ende des INF-Vertrages. Als Norweger versteht er die Sicherheitsbedürfnisse vor allem der Nachbarländer Russlands.

NATO Gipel in Brüssel
Jens Stoltenberg warnte vor den Konsequenzen des Endes des INF-VertragesBild: Reuters/Y. Herman

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas ist besorgt: "Der INF-Vertrag ist seit dreißig Jahren ein tragender Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur". Er bezeichnet es bereits als begrenzten Erfolg, dass der Vertrag nicht beim heutigen Treffen, sondern erst nach einer 60-Tage-Frist gekündigt werde.

Und vor allem betont der deutsche Vertreter: "Wir wollen keine neue nukleare Aufrüstungsspirale in Europa", stattdessen müsse sich die NATO wieder viel mehr mit dem Thema Abrüstung und Waffenkontrollverträgen befassen. Es gebe so viele neue Entwicklungen, die davon überhaupt noch nicht umfasst würden, daran müsse man arbeiten. Vor der Antwort auf die Frage, ob Europa demnächst wieder zum Standort neuer Atomraketen werden könne, wenn das Abkommen mit Russland beendet werde, drückt sich der Minister allerdings herum. Diesen logischen nächsten Schritt will in Berlin derzeit noch niemand gehen.

Sieht er noch Chancen? Es werde schwierig, räumt Maas ein, aber "wir wollen alles daran setzen, den Abrüstungsvertrag zu erhalten, dafür werden in nächster Zeit viele Gespräche geführt werden. Es geht in erster Linie um die europäische Sicherheit. Das wird nicht einfach, aber es liegt bei Russland. Sonst hat der Vertrag keine Zukunft mehr".