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Mehr NATO-Flieger im Baltikum

Bernd Riegert1. April 2014

Solidarität für die östlichen NATO-Partner, aber keine Eskalation: Das soll die Botschaft des NATO-Treffens in Brüssel sein. Bodentruppen werden nicht ins Baltikum geschickt. Russland soll "abgeschreckt" werden.

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Ein Soldat steht vor einem Eurofighter-Kampfjet (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die 28 Außenminister der NATO-Staaten versuchen in Brüssel bei ihren Beratungen im Hauptquartier der Militärallianz eine Balance hinzubekommen. Auf der einen Seite wollen sie den Mitgliedsstaaten, die an Russland grenzen (Estland, Lettland, Litauen, Polen), den Rücken stärken. Auf der anderen Seite soll aber nichts beschlossen werden, was das Zerwürfnis mit Russland und die Spannungen nach der Eingliederung der ukrainischen Krim-Halbinsel ins russische Staatsgebiet verschärften könnte. NATO, EU und USA halten diese Annexion für völkerrechtswidrig und fordern den Abzug russischer Truppen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach zum Auftakt davon, die Allianz müsse für die nötige "Abschreckung" sorgen. Militärische Lösungen für die Krise schloss Rasmussen erneut aus: "Ich glaube nun wirklich nicht, dass irgendjemand wirklich eine militärische Konfrontation in Europa will. Wir müssen den Weg der Diplomatie weiter gehen. Dabei ist es enorm wichtig, dass die Welt versteht, wir sind entschlossen unsere Alliierten und unsere Bevölkerung zu schützen und zu verteidigen. Da werden wir die nötigen Schritte unternehmen."

Die NATO beschließt, die gemeinsame Luftraum-Überwachung über dem Baltikum zu verstärken. Mehrere Staaten, darunter Deutschland, haben angeboten, Jagd-Flugzeuge bereitzustellen und nach Estland oder Litauen zu verlegen, sollte der NATO-Oberbefehlshaber in Europa diese anfordern. Die USA wollen außerdem Kampfflugzeuge vom Typ F-16 mit dem dazu gehörenden Personal von 300 Soldaten in Polen stationieren. Aufklärungsflugzeuge vom Typ AWACS haben bereits ihre Flüge über Polen und Rumänien verstärkt.

Infografik Mitglieder der NATO Deutsch

Keine russischen Aktivitäten an der NATO-Grenze

Militärische Kreise bei der NATO weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass die Luftraum-Überwachung schon seit zehn Jahren, also seit dem Beitritt der baltischen Staaten, routinemäßig von anderen Bündnis-Mitgliedern übernommen wird. Militärisch notwendig sei die Verstärkung nicht, es handele sich eher um einen symbolischen Akt. "Russland hat keine zusätzlichen Flüge an den Grenzen unternommen, die irgendwie als Provokation aufgefasst werden könnten", so ein hochrangiger Offizier. Die Jagdflugzeuge stehen in Alarmbereitschaft auf dem Fliegerhorst und steigen nur auf, wenn ein verdächtiges Flugzeug in den Luftraum eindringt. Das Flugzeug würde verfolgt und gegebenenfalls zur Landung gezwungen, aber nicht abgeschossen. "Das kommt sehr selten vor. Die meiste Zeit sitzen die Piloten am Boden, warten und spielen Karten. Total langweilig", heißt es aus NATO-Kreisen.

Kein Konsens über Stationierung von NATO-Verbänden im Baltikum

Bodentruppen werden nicht in die baltischen Staaten verlegt. Zwar hatten Generalsekretär Rasmussen und auch US-Präsident Barack Obama in der vergangenen Woche über eine mögliche dauerhafte Präsenz von NATO-Truppen in den besorgten Staaten gesprochen, aber darüber gibt es in der NATO "überhaupt keinen Konsens", so ein Diplomat im NATO-Hauptquartier. Obama hatte auch die Überprüfung der "Notfall-Pläne" für die Verteidigung einzelner Bündnis-Staaten in Osteuropa angeregt. Die Außenminister werden lediglich Aufträge an die Militärs vergeben, bis Ende des Monats Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dabei gehe es aber keinesfalls um konkrete Planungen, versicherten NATO-Diplomaten. Die Verteidigungspläne für die einzelnen NATO-Staaten sind streng geheim. Wird an ihnen gearbeitet, erfahre dies die Öffentlichkeit kaum. Die Zusage der NATO an Russland aus den 1990er Jahren, keine NATO-Truppen auf das Gebiet neuer NATO-Mitglieder zu verlegen, gelte nur für Atomwaffen und große Verbände von Kampftruppen, heißt es in Brüssel. Kleinere Einheiten könnten permanent stationiert werden. Das ist aber bislang nicht geschehen. "Es ist offensichtlich, dass Russland sich nicht an die Regeln hält und sich nicht um die partnerschaftlichen Verabredungen schert. Also, können wir unsere eigenen Regeln ja wohl auch überprüfen", sagte Douglas Lute, der US-Botschafter bei der NATO.

Anders Fogh Rasmussen (Foto: Reuters)
Anders Fogh Rasmussen: Abschrecken und verhandelnBild: Reuters

Zieht Russland erste Truppen aus Manöver ab?

Die größte Sorge der NATO gilt den geschätzt 20.000 russischen Soldaten, die an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen worden sind und dort militärische Übungen abhalten. Die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Telefongespräch mit der deutschen Bundeskanzlerin, einige hundert Soldaten in ihre Kaserne zurückzubeordern, wurde zunächst mit Vorsicht aufgenommen. Rasmussen sagte in Brüssel, er könne den Beginn des Abzugs leider nicht bestätigen: "Das sehen wir nicht. Dieser massive Truppenaufmarsch trägt in keiner Weise zur Deeskalation bei. Ich fordere Russland weiter auf, seine Truppen abzuziehen, seine internationalen Verpflichtungen einzuhalten und mit der Ukraine konstruktiv zu verhandeln."

Präsident Putin hatte in dem Telefonat am Montag auch davon gesprochen, dass die "Blockade" Transnistriens aufgehoben werden müsse. Transnistrien ist ein von Russen beherrschtes, von Moldawien abgefallenes Gebiet, das an den Süden der Ukraine grenzt. Der Sicherheits-Experte Giles Merritt von der Brüssler Denkfabrik "Friends of Europe" rät zu mehr Gelassenheit und einer Konzentration auf wirkliche Probleme. "Wie soll die Sicherheit von irgendjemand in der NATO bedroht sein? Die wirkliche Bedrohung liegt ganz woanders: Wie kommen die europäischen Gesellschaften aus der schweren Wirtschaftskrise heraus, von der sie seit fünf Jahren geplagt werden?", sagte Giles Merritt der DW.

Eine russische Panzertruppe auf der Krim (Foto: Reuters)
Russische Panzertruppe auf der KrimBild: Reuters

NATO-Russland-Rat auf Eis gelegt

Dem ukrainischen Außenminister, der die NATO-Außenminister in der gemeinsamen Kommission treffen wird, soll eine stärkere Zusammenarbeit im nicht-militärischen Bereich angeboten werden. Deutsche Ausbilder könnten zum Bespiel die Mitarbeiter des ukrainischen Verteidigungsministeriums fortbilden, um bei einer Reform der Armee zu helfen. Direkte Militärhilfe für die Ukraine, mit der die NATO schon seit vielen Jahren auch bei Auslandseinsätzen zusammenarbeitet, sei nicht vorgesehen, heißt es in NATO-Kreisen. Die Außenminister bestätigen in Brüssel formal einen Beschluss ihrer Botschafter von Anfang März: Sämtliche Sitzungen des NATO-Russland-Rates werden vorläufig auf Eis gelegt. Allerdings gibt es noch weiter Kontakte zum russischen Botschafter bei der NATO, der sich von seinen Kollegen zumindest informell über Beschlüsse der Allianz unterrichten lässt. Die NATO und Russland beraten seit 1997 im NATO-Russland-Rat über militärische Fragen. Von allen Staaten in Europa, die nicht der NATO angehören, hatte Russland bislang die engsten institutionellen Bindungen zur NATO.