Filmmarkt Afrika: Ein schlafender Riese erwacht
28. Februar 2020Eine südafrikanische Geheimagentin versucht die Wahrheit über die Ermordung ihrer Mutter aufzudecken und gleichzeitig ihr Land vor finsteren Mächten zu beschützen: Das ist, knapp zusammengefasst, der Plot von "Queen Sono", der ersten afrikanischen Originalproduktion, die vom US-amerikanischen Streamingdienst Netflix in Auftrag gegeben wurde. Ab dem 28. Februar soll die Serie weltweit verfügbar sein.
Und glaubt man Netflix, ist "Queen Sono" nur der Anfang. "Genau das wollen wir", schreiben die Verantwortlichen in einer schriftlichen Stellungnahme an die DW: "Afrikanische Thriller, unterhaltsame und kluge politische Dramen." Man wolle lokale Geschichten erzählen, die global verstanden werden. Und großartige Geschichten gebe es überall auf der Welt. "Auch auf dem afrikanischen Kontinent."
Netflix: Impuls für afrikanische Filmschaffende?
Die nigerianisch-amerikanische Produzentin Melissa Adeyemo ist bereits seit Jahren auf dem afrikanischen Filmmarkt präsent. Ihren letzten Spielfilm hat die Gründerin der Ominira Studios in New York gerade vollständig im nigerianischen Lagos gedreht und produziert. Dass auch Netflix inzwischen das Potential des Kontinents entdeckt, kann sie gut nachvollziehen: "Ich sehe in Afrika, speziell in Nigeria, einen Riesennachfrage, einen Riesenappetit nach Geschichten. Das wird auch daran sichtbar, dass in Lagos mit 'Nollywood' eine richtige Filmindustrie entstehen konnte."
Die neue Netflix-Serie aus Südafrika werde sicherlich dazu beitragen, mehr Interesse für Geschichten aus Afrika zu wecken. "Ich denke, das könnte auch ein Türöffner für afrikanische Schauspieler, Drehbuchautoren und Regisseure auf dem internationalen Markt sein", sagt Melissa Adeyemo im DW-Interview.
Ähnlich sieht es Chuku Esiri. Er hat gerade mit seinem Zwillingsbruder Arie Esiri bei dem Film "Eyimofe" Regie geführt, eine nigerianische Kinoproduktion, die bei der diesjährigen Berlinale vorgestellt wurde. "Natürlich ist es großartig, wenn ein Riesenunternehmen wie Netflix Interesse zeigt, verstärkt in Afrika zu arbeiten, die Geschichten Afrikas zu erzählen und kreative Filmschaffende zu unterstützen. Der Start der der südafrikanischen Serie ist eine tolle Nachricht und ich hoffe, dass weitere Länder des Kontinents bald dazukommen", so Esiri.
Vergleichsweise wenig Abonnenten in Afrika
Tatsächlich stehen schon jetzt weitere afrikanische Produktionen bei Netflix in den Startlöchern. So soll im April erstmals ein in Afrika produzierter Zeichentrickfilm auf der Streamingplattform verfügbar sein. "Mama K's Team 4" ist ein Film über den Alltag von vier Mädchen in einem futuristischen Sambia. Ein südafrikanisches Teenie-Drama mit dem Titel "Blood & Water" sei ebenfalls in Arbeit. Dazu kommt: Netflix ist schon längst dabei, sich die Rechte an hochwertigen Nollywood-Filmen zu sichern, darunter "Lionheart" und "Chief Daddy".
Doch es gibt einen Haken: Weltweit hat Netflix zwar nach eigenen Angaben über 167 Millionen zahlende Mitglieder. Speziell in Afrika sieht es bislang aber eher mau aus. Zwar veröffentlicht der Anbieter für den Kontinent keine Abozahlen, Analysten von Digital TV Research in London schätzen aber, dass es zurzeit etwa 1,4 Millionen Netflix-Kunden in Afrika südlich der Sahara gebe - die meisten davon in Südafrika.
Stimmen die Zahlen, hat sich der Konzern ehrgeizige Ziele gesteckt: Bis 2025 soll die Zahl der Netflix-Abonnenten in Afrika auf fünf Millionen ansteigen. Analysten gehen davon aus, dass der Streamingmarkt in Subsahara-Afrika bis 2024 die magische Grenze von einer Milliarde US-Dollar überschreitet. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 war der afrikanische Markt - Internet-TV und On-Demand-Angebote zusammengenommen - erst 223 Millionen US-Dollar groß.
Hindernisse überwinden
Ein Haupthindernis für die Streamingdienste auf dem afrikanischen Kontinent sind die nur sehr rudimentär ausgebauten Netze für kabelgestütztes Internet sowie die hohen Kosten für mobile Daten. Das bestätigt auch die deutsche Filmkritikern Dorothee Wenner, die seit Jahrzehnten auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs ist, um afrikanische Geschichten und neue Talente aufzuspüren. Sie weiß: Nur eine kleine Schicht von Leuten kann sich Videostreaming überhaupt leisten. "Im Kongo zum Beispiel ist es für die meisten Leute unerschwinglich, mal abgesehen davon, dass das Netz nicht stark genug ist, um wirklich etwas zu streamen." Nur in einzelnen Ländern, wie beispielsweise in Ruanda, sei man mit der Digitalisierung schon weiter.
Doch es gibt Alternativen. Um die Datenkosten zu senken, könnte Netflix zum Beispiel spezielle Mobil-Abos einführen, die weniger Daten verbrauchen. In Indien gibt es entsprechende Angebote bereits für Gegenden, in denen der Mobilfunk praktisch die einzige verfügbare Infrastruktur für Onlineangebote ist.
Wettbewerb auf dem afrikanischen Markt
Obwohl Netflix als weltweit größter Player gute Karten im Rennen um die Streaming-Vorherrschaft in Afrika hat, punkten einheimische Dienste mit cleveren Angeboten. Der südafrikanische Anbieter Showmax etwa bietet seinen Nutzern einfache digitale Zahlungen über einen lokalen Partner und Pauschalangebote mit einem inländischen Satellitendienst. Und das nigerianische Unternehmen IrokoTV verfügt sogar über eigene Kioske, an denen die Kunden Filme auf ihre Mobiltelefone laden können, um sie später anzusehen. Das spart Datenkosten und beschäftigt lokale Angestellte, die den Nutzern einen umfassenden Kundendienst bieten.
Im Rennen mit seinen US-amerikanischen Konkurrenten hat Netflix in Afrika allerdings die Nase vorn. Schon seit 2016 ist Netflix in allen 54 Ländern auf dem Kontinent verfügbar. Amazon Prime ist bislang noch nicht in Afrika aktiv und auch Disney+ hat bislang noch keinen Starttermin für afrikanische Länder. Von den großen Anbietern ist außer Netflix bislang lediglich Apple TV+ in zwölf Ländern südlich der Sahara aktiv. Dennoch: Der Kampf um den Filmmarkt Afrika ist eröffnet.