Was ist neu in Bayreuth?
21. Juli 2009DW-WORLD.DE: Das neue Führungsteam auf dem Grünen Hügel ist mit dem Anspruch angetreten, den Festspielen ein moderneres Image zu geben – Welche Pläne gibt es?
Stephan Mösch: Die Notwendigkeit, Bayreuth neu zu definieren in unserer Zeit, besteht nach wie vor. Die beiden Halbschwestern, die Bayreuth jetzt leiten, hatten noch keine Gelegenheit, ein solches Konzept vorzulegen. Die haben ihre Verträge erst vor wenigen Wochen unterschrieben und es steht noch aus, worauf sie inhaltlich eigentlich hinaus wollen.
Gibt es für die kommenden Jahre schon so etwas wie einen roten Faden, Künstler mit denen man zusammen arbeiten möchte?
Es gibt, und das ist in der Tat in Bayreuth neu, eine Perspektive bis 2015, was die Dirigenten betrifft. Da gibt es eine viel versprechende Linie. Es ist die mittlere und junge Generation der Dirigenten, die im verdecken Orchestergraben zum Zuge kommen: Andris Nelsons, ein junger lettischer Dirigent, dann Thomas Hengelbrock als jemand, der sich sehr mit der Aufführungspraxis des 18. und 19. Jahrhunderts beschäftigt hat, dann wird Kirill Petrenko, einer der begabtesten jungen Dirigenten überhaupt, den "Ring des Nibelungen" dirigieren im Jubiläumsjahr 2013, davor Christian Thielemann den Holländer und den Tristan, das ist doch eine sehr gelungene Mischung. Was die Regisseure betrifft, ist der Altmeister Hans Neuenfels 2010 erstmals am Werk, auch das eine überfällige Entscheidung, der hätte eigentlich vor 20 Jahren in Bayreuth inszenieren müssen, und dann gibt es auch da die Wendung zur jungen Generation, wobei aber noch vieles offen ist.
Die Idee der Kinderoper und der Öffnung der Festspiele für ein breites Publikum im Internet waren schon sehr erfolgreich – wie werden die beiden Intendantinnen bisher gesehen – gibt es schon erste Einschätzungen?
Katharina Wagner profiliert sich immer mehr als Regisseurin, sie hat gerade den Tannhäuser inszeniert in Gran Canaria, eine sehr erfolgreiche, ungewöhnliche szenische Lösung dieses Stücks. Eva Wagner-Pasquier ist als Besetzungsplanerin hervorgetreten in Aix en Provence und an der Opera Bastille in Paris. Sie hat dort sehr oft auf leichte Stimmen gesetzt. Das sind Besetzungen, die man sich für Bayreuth nicht unbedingt wünscht. Man wird sehen, wie sich dann die Profile gegenseitig befruchten können.
Ich würde mir wünschen, dass die Notwendigkeit von Bayreuth noch einmal grundsätzlich definiert wird. Jedes Jahr eine Neuinszenierung heraus zu bringen mit dem Anspruch, das ist jetzt Wanger at it’s best, das reicht nicht aus, um diese Festspiele in die Zukunft zu führen.
Welches Profil sollten die Festspiele in Zukunft haben?
Ich würde mir wünschen, dass das kompositorische Umfeld von Wagner eine größere Rolle spielt, dass man die Stücke nicht nur szenisch neu deutet, sondern sie auch in den Kontext dessen stellt, was Wagner erlebt hat und sie mit neuen Hörgewohnheiten konfrontiert.
Welche Neuerungen wird es außerhalb des Spielplans geben?
Die neuen Leiterinnen versuchen, eine Akademie zu installieren in Bayreuth. Das ist allerdings bisher nur ein Plan, eine Akademie, in der der Sängernachwuchs gepflegt werden soll, in der auch Orchestermusiker unterrichten und die Instrumentalisten vorbereiten auf diese Aufgaben. Das sind Pläne, die aber bisher aus finanziellen Gründen nicht realisierbar sind.
Stephan Mösch ist Wagner-Spezialist, Buchautor und Chefredakteur der Zeitschrift "Opernwelt".
Das Interview führte Gudrun Stegen
Redaktion: Matthias Klaus