Tödliche Anschläge
16. September 2008Sie waren am Montagabend (15.09.2008) zusammengekommen, um die Entlassung eines Polizisten aus amerikanischer Militärhaft zu feiern: Während des Festmahls zum islamischen Fastenbrechen in der Ortschaft Balad Ruz in der Provinz Diyala zündete die Selbstmordattentäterin ihren Sprengstoffgürtel. Sie riss mindestens 22 Menschen mit in den Tod, darunter 11 Polizisten. Unter den getöteten Polizisten ist auch der Polizeichef der Stadt, Oberstleutnant Mohammed Ashraf. Mehr als 30 Gäste wurden verletzt.
In der Ortschaft wurde eine Ausgangssperre verhängt. Am Dienstag nahm die Polizei acht mutmaßliche Terroristen fest, die den Selbstmordanschlag geplant haben sollen. In der Provinz verüben verhältnismäßig viele Frauen Selbstmordanschläge. Nach einer Statistik der örtlichen Behörden waren es seit Jahresanfang 14 Frauen.
Frustrierte Frauen
Die in Bagdad ansässige Gruppe für die "Überwachung der Verfassungs- und Menschenrechte" sieht als Hauptgrund Frustration. Viele der Frauen hätten ihre Ehemänner und Kinder bei Gewalttaten verloren, schreibt die Organisation in einem Bericht. "Eine Million Witwen und Hunderttausende von Geschiedenen leben ohne soziale und finanzielle Absicherung." Erschwert werde das Leben durch die Schwierigkeiten, Sozialhilfe zu bekommen - vor allem für diejenigen, die am Rande der Gesellschaft lebten.
Vor dem Anschlag in der Provinz Diyala waren bereits 12 Menschen bei der Explosion zweier Autobomben in der Hauptstadt Bagdad ums Leben gekommen. Fast 40 wurden verletzt. Die beiden Sprengsätze waren kurz hintereinander in der Nähe des Gerichtsgebäudes im Stadtteil Karrada explodiert.
Auch am Dienstag (16.09.2008) ereignete sich ein neuer Anschlag: In der kleinen Stadt Taji etwa 20 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad explodierte auf einem Fahrrad, das in der Nähe eines Armeefahrzeugs abgestellt worden war, eine Sprengladung. Mindestens zwei Menschen wurden getötet, fast 20 verletzt.
Dennoch: die Sicherheitslage hat sich verbessert
Trotz der neuen Anschlagswelle in den vergangenen Tagen hat sich die Sicherheitslage im Irak grundsätzlich verbessert. Dies ist hauptsächlich auf den bisherigen Oberkommandierenden, General David Petraeus, zurückzuführen. Als er im Februar 2007 das Amt übernahm, waren Anschlagsmeldungen an der Tagesordnung. Inzwischen ist die Gewalt auf ein Vierjahrestief gefallen.
Die US-Armee übergibt die Sicherheitsverantwortung nach und nach wieder an die Iraker selbst. In den vergangenen Monaten leitete die irakische Armee bereits alle wichtigen Militäroperationen. Die US-Armee will in diesem Jahr noch zwei weitere Provinzen der Oberhoheit der irakischen Streitkräfte übergeben. Damit würden dann nur noch fünf der 18 Provinzen unter US-Kontrolle stehen.
Die US-Regierung will den veränderten Bedingungen Rechnung tragen. Präsident George W. Bush hatte in der vergangenen Woche angekündigt, bis Februar kommenden Jahres würden etwa 8000 der derzeit noch rund 146.000 Mann abgezogen.
Odierno kommt für Patraeus
Der neue Oberbefehlshaber der US-geführten Truppen, Raymond Odierno, ist sich des schweren Weges, der nun vor ihm liegt, voll bewusst. Bei der Zeremonie auf einem US-Luftwaffenstützpunkt nahe des Bagdader Flughafens, bei der er das Oberkommando am Dienstag von seinem Vorgänger David Petraeus übernahm, sagte er: "Der Irak von heute unterscheidet sich von dem Irak, den ich zuallererst gesehen habe. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass die erzielten Erfolge brüchig und umkehrbar sind."
Ähnlich äußerte sich der bei der Zeremonie anwesende US-Verteidigungsminister Robert Gates. Odierno wisse, dass "wir an einer entscheidenden Stelle stehen, an der der Fortschritt noch brüchig ist und Vorsicht an der Tagesordnung sein muss. Aber da wir uns so langsam auf der Zielgeraden befinden, bin ich sicher, dass er harte, aber notwendige Entscheidungen trifft, um die nationale Sicherheit zu schützen", sagte Gates.
Die Herausforderung für Odierno sei, in Zusammenarbeit mit den Irakern die bereits erzielten Erfolge zu wahren und sie sogar noch zu erweitern - bei einer gleichzeitig sinkenden Zahl von US-Truppen in dem Land. Der General und sein scheidender Amtsvorgänger Petraeus seien ein "unschlagbares Team" gewesen. Beide zeichnen für die 2007 geänderte Sicherheitsstrategie im Irak verantwortlich.
Gates würdigte bei der Zeremonie auch Petraeus. Dieser habe das Oberkommando übernommen, "als die Dunkelheit sich auf dieses Land senkte." Die Welt habe sich gefragt, ob eine neue Strategie überhaupt helfen würde. Aber, so Gates, an Petraeus gerichtet, "Sie haben den Feinden der USA und des Irak einen immensen, wenn nicht gar tödlichen Stoß versetzt. Die Geschichte wird Sie als einen der größten Schlachtfeldführer der USA ansehen." Der so Geehrte wurde zum neuen Chef des US-Zentralkommandos befördert. Er kontrolliert künftig die Aktivitäten der US-Truppen vom Horn von Afrika bis Zentralasien. (hy)