1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Asienstrategie - neue Bescheidenheit

Matthias von Hein15. Juni 2012

Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens verschieben sich weltweit die politischen Gewichte. Ein Kongress in Berlin diskutierte über die Folgen für Deutschland und Europa. Eine ist schon sichtbar: Bescheidenheit.

https://p.dw.com/p/15Fk6
Die Fahnen Deutschlands, der Europäischen Union und Chinas wehen während der Eröffnungsfeier für die neue Frachtflugverbindung zwischen Deutschland und China am Montag (24.09.2007) in Parchim im Wind. Vom Flughafen Parchim soll eine regelmäßige Frachtverbindung nach China aufgebaut werden. Die Frachtfirma LinkGlobal hatte den defizitären Flugplatz südöstlich von Schwerin im Mai vom Landkreis gekauft und wird künftig regelmäßig auf der Route zwischen der zentralchinesischen Stadt Zhengzhou (Provinz Henan) und Parchim fliegen. Das Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge rund 100 Millionen Euro für den Flughafen bezahlt. LinkGlobal ist das erste chinesische Unternehmen, das die Betriebserlaubnis für einen europäischen Flughafen erworben hat. Foto: Jens Büttner dpa/lmv/lno (zu dpa 0285 vom 24.09.2007) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Symbolbild Europa ChinaBild: picture-alliance/dpa

"Politik beginnt mit der Wahrnehmung von Wirklichkeit". Ein großer Satz, ausgesprochen von Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle am Mittwoch (13.06.2012 ) in Berlin. Deutschland sei zwar in Europa groß, im Weltmaßstab aber eher klein, so Westerwelle in seiner Rede zur deutschen Außenpolitik. Er sprach auf einem Kongress der CDU/CSU Bundestagsfraktion mit dem Titel "Asiens neue Gestaltungsmächte – Werte, Wirtschaft, Weltordnung". Neben dem FDP-Außenminister wurde dort der außenpolitische Sachverstand der Union aufgeboten. Glanz verliehen dem Podium zudem Vertreter der Wirtschaft sowie Diplomaten aus Deutschland und Asien.

Neue Bescheidenheit

Der Ton auf der Veranstaltung war von ungewohnter Bescheidenheit geprägt angesichts der Verschiebung der globalen Gewichte. "Wir haben den Taktstock nicht mehr in der Hand", resümierte Westerwelle. Schon der Veranstaltungstitel "Gestaltungsmächte" signalisiert den gewachsenen Respekt, den man den früher nur "Schwellenländer" genannten Staaten heute entgegenbringt - in Asien Ländern wie China und Indien, aber auch Indonesien, Malaysia oder Vietnam. Westerwelle referierte einige Zahlen: Das Pro-Kopf Einkommen der asiatischen Schwellenländer habe sich seit 1999 verdreifacht, allein die chinesische Mittelschicht wachse um 15 Millionen Menschen jährlich.

Außenminister Guido Westerwelle erklärt einen Sachverhalt (Foto: Reuters)
Guido Westerwelle: "Wir haben den Taktstock nicht mehr in der Hand"Bild: Reuters

Die neue Bescheidenheit speist sich aus der in ganz Europa wachsenden Gewissheit, dass etwa Indien und China nicht nur wirtschaftlich zur alten Welt aufschließen. In Kooperation mit anderen regionalen Mächten nehmen sie auch weltpolitisch größeren Einfluss. Aus politischem Erfolg erwachse zunächst regionaler und schließlich auch globaler Gestaltungsanspruch, so der deutsche Außenminister. Zumal sich viele Gesellschaften Asiens auch wegen ihrer jungen Bevölkerung sehr viel dynamischer entwickelten als das alternde Europa. Im Jahr 1900 lebten noch 21 Prozent der Weltbevölkerung in Europa. Nach Expertenschätzungen werden es 2050 schätzungsweise nur noch 7,6 Prozent sein. Relativ schrumpfen auch die Anteile Europas am Handel und an Investitionen.

Multipolare Weltordnung

Westerwelle zufolge sind wir inzwischen in eine multipolare Weltordnung eingetreten - mit entsprechenden Verschiebungen der Prioritäten. Die neue Weltordnung müsse sich endlich auch in internationalen Gremien widerspiegeln, forderte der Außenminister – vor allem im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen. Der repräsentiere noch die mittlerweile überholte Ordnung von der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Hongkong: Panorama mit in den Himmel strebenden Hochhäusern (Foto: dpa)
Wachsender Respekt gegenüber der Wirtschaftsmacht ChinaBild: picture alliance/dpa

Die neuen globalen Gewichtsverhältnisse standen im Mittelpunkt der Berliner Veranstaltung. Die CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag hat ein neues Strategiepapier für Asien entworfen. Das wurde auf dem Kongress der Öffentlichkeit vorgestellt. "Wertegebunden, von Interessen geleitet und zielorientiert" – dies seien die Grundsätze der außenpolitischen Vorstellungen der CDU/CSU Fraktion, so der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Philipp Mißfelder.

Wirtschaft und Werte

Eine große Rolle spielen im Zusammenhang mit Asien die Wirtschaftsinteressen, so wurde auf dem Kongress deutlich. Immer wieder war von Rohstoffpartnerschaften die Rede, etwa mit Staaten Zentralasiens. Auch die Rolle des freien Handels wurde betont. Manche Podiumsteilnehmer erhoben sogar im Ausland tätige deutsche Unternehmen zu Trägern und Botschaftern europäischer Werte, etwa durch die in ihnen üblichen Verfahren zur Mitbestimmung.

Philipp Missfelder gestikuliert am Rednerpult (Foto: dapd)
Präsentiert die neue Asien-Strategie: der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Philipp MißfelderBild: dapd

Das Thema Werte fand seinen Ausdruck besonders im Bekenntnis zur Religionsfreiheit: Man wolle gegen die Verfolgung von Christen eintreten. Ansonsten scheint sich auch gegenüber autoritären Systemen eine pragmatische Haltung durchzusetzen. In seinem Schlusswort formulierte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer: Der Wirtschaftsaustausch mit China sei so groß wie mit den USA. Als Herausforderung sei zu erkennen: Nicht alle Welt strebe automatisch nach unseren Werten. Auch CDU Außenpolitiker Mißfelder wies mit Blick auf Asien darauf hin, dass Wirtschaftserfolg nicht automatisch an Demokratie gekoppelt sei.

Deutlich war das Bekenntnis zu Europa. Wirklichen Einfluss im Konzert der globalen Kräfte habe nur ein gemeinsam auftretendes Europa, darüber waren sich die Teilnehmer der Konferenz einig. "Europa" so formulierte Außenminister Westerwelle, "ist eben nicht nur eine Antwort auf das dunkelste Kapitel unserer Geschichte, sondern ebenfalls auf die Herausforderungen der Globalisierung und des Wettbewerbs – auch mit Asien."