Neue Einschränkungen treffen Iraner hart
3. November 2018Die zweite Runde der Sanktionen ab dem 5. November soll den Iran an seiner wirtschaftlich empfindlichsten Stelle treffen: dem Ölexport. Die von Präsident Donald Trump angekündigten "härtesten Sanktionen aller Zeiten" sollen die Ölexporte weitgehend unterbinden. Auch die Anbindung des Iran an den internationalen Zahlungsverkehr sowie sein Reedereigeschäft werden durch die Sanktionen stark eingeschränkt.
Die Begründung des US-Präsidenten: Die Regierung in Teheran unterstütze den Terrorismus und verbreite Gewalt und Chaos im Nahen Osten. Ziel der Strafmaßnahmen sei es deshalb, "maximalen Druck" auf die iranische Regierung auszuüben, damit die ihr Verhalten ändere.
"Wir haben keine Angst vor US-Sanktionen", betonte Irans Präsident Hassan Rohani (Artikelbild) noch im Oktober. Die USA wollten "mit einem psychologischen und danach einem wirtschaftlichen Krieg die Legitimation des iranischen Systems untergraben".
Die iranische Regierung hat verschiedene Arbeitskreise ins Leben gerufen, um die Folgen der US-Sanktionen abzumildern. Rohani räumte in einer Kabinettssitzung am Mittwoch ein: "Die Lage war hart für die Menschen in den vergangenen Monaten, und sie könnte auch in den kommenden Monaten hart bleiben."
Wirtschaftskrise und kein Ende
Das Land steckt seit Monaten in einer Wirtschaftskrise. Die iranische Währung ist nur noch halb so viel wert wie im April. Ein Dollar wird momentan für 170.000 Rial gehandelt. Vor einem Jahr waren es noch 32.000. Die Preise für Grundnahrungsmittel sind in die Höhe geschossen. Der drohende Einbruch bei den Ölexporten nach dem 5. November droht das Land ökonomisch zu erdrosseln. Knapp 40 Prozent der iranischen Wirtschaft hängt von den Öleinnahmen ab. Acht Länder beziehungsweise "Verwaltungseinheiten" ("jurisdictions") sollen nach Aussage von US-Außenminister Mike Pompeo vom Freitag zeitlich befristete und mengenmäßig eingeschränkte Ausnahmegenehmigungen für die Einfuhr von iranischem Öl erhalten. Die EU als ganzes soll nicht darunter sein.
Auch Irans Autoindustrie, die zweitgrößte nach der Öl- und Petrochemie, ist massiv betroffen. Nach dem Inkrafttreten der ersten Runde der US-Sanktionen gegen den Iran am 6. August ist die Produktion 40 Prozent zurückgegangen. "Wir hatten uns auf unseren europäischen Partner verlassen", sagt Mohammadreza Najafimanesh, der Vorsitzende des Fachverbandes der Automobilzulieferer im Gespräch mit der Deutschen Welle. Europäische Partner wie VW, Peugeot und Daimler haben sich nach einem kurzen Frühling der Zusammenarbeit aus dem Iran zurückgezogen.
"Wir hatten nicht erwartet, dass Europa so einfach seine Zusammenarbeit und seine Geschäfte mit uns aufgibt. Sie wissen, wie viel Potential hier liegt. Und der Iran hält sich an das Atom-Abkommen. Diese Situation schadet uns sehr, sagte Najafimanesh.
Nichts Neues von der EU
Die EU will an dem Atomabkommen festhalten, ebenso wie die Mitunterzeichner China und Russland. Um dem Iran Grund zu geben, sich seinerseits weiter an das Abkommen zu halten, will Brüssel die von den USA einseitig verhängten Sanktionen mittels einer neuen Finanzinstitution umgehen. Es soll eine Zweckgesellschaft - ein sogenanntes Special Purpose Vehicle (SPV) - für "legitime finanzielle Transaktionen" mit Iran gegründet werden. Dies solle es europäischen Unternehmen ermöglichen, ihre Geschäfte mit dem Land fortzusetzen. Die Gesellschaft könnte auch "anderen Partnern" offen stehen.
Aber wann sie ihre Tätigkeit aufnimmt, ist unklar. Bislang ist noch nicht einmal klar, wo diese Institution angesiedelt werden soll. Die Mitgliedsländer fürchten den Zorn der USA und zeigen sich sehr zurückhaltend. Auf Anfrage der Deutsche Welle teilte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, die Ende September den Plan der EU für das SPV vorgestellt hatte, mit: "Bis jetzt haben wir keine zusätzlichen Details mitzuteilen. Aber wir haben konsequent klar gestellt, dass die Fähigkeit des Iran, finanzielle Transaktionen zu tätigen, sowie die Fortsetzung des Exports von Öl und Gaskondensat, Mineralölprodukten und Petrochemikalien durch den Iran erhalten bleiben müssen."
Versorgung mit Medikamenten gefährdet
Doch die Zeit drängt. Mitte Oktober verhängte Washington Sanktionen gegen 20 iranische Firmen und Banken wegen ihrer Verbindungen zu den Islamischen Revolutionsgarden, die ein weitverzweigtes Wirtschaftsimperium im Iran kontrollieren. Zu den von den neuen Sanktionen betroffenen Banken gehört auch die Bank Parsian, die bis jetzt eine Schlüsselfunktion bei der Abwicklung des Imports von Medikamenten und Agrarprodukten hatte. "Die USA wollen zeigen, dass sie alle Finanzaktivitäten der Revolutionsgarden genau beobachten", sagt der iranische Journalist Reza Haghighatnejad. "Sie wollen gleichzeitig deutlich machen, wie hoch die Kosten auch einer indirekten Kooperation mit den Revolutionsgarden sein können."
Die Maßnahme trifft vor allem die schwächsten Iraner. Medizinprodukte fallen zwar nicht unter die Sanktionen, jedoch wird die Einfuhr von Rohstoffen für die pharmazeutische Industrie und für die Herstellung von Spezialmedikamenten durch die Finanzsanktionen stark erschwert. Die in New York ansässige NGO "Center for Human Rights in Iran" fordert deshalb die Internationale Gemeinschaft auf, Mechanismen zu etablieren, um die Lieferung humanitärer Güter an den Iran sicherzustellen. Die Organisation befürchtet schlimme Folgen für die wirtschaftliche und soziale Lage von Millionen von Iranern "aufgrund des kontinuierlichen Missmanagements der iranischen Führung im Verein mit den bevorstehenden Sanktionen".