Neue Ideen gegen Jugendarbeitslosigkeit
23. Juni 2014Das erste eigene Geld verdienen, Berufserfahrungen sammeln, vielleicht auch eine eigene Familie gründen: Für viele junge Leute in Europa ist dieser Lebensweg nahezu unerreichbar geworden. Sie sind arbeitslos, ohne richtige Perspektive. Nach jüngsten Statistiken sind in den europäischen Krisenländern wie Spanien und Griechenland noch immer 50 bis 60 Prozent der jungen Erwachsenen ohne Job, europaweit sind es über fünf Millionen. Auch nach zahlreichen Gipfeln scheint eine echte Besserung noch nicht in Sicht.
Der bis Mittwoch (25.06.2014) andauernde Kongress "Europatriates" in Saarbrücken will sich dem Problem nun von einer anderen Richtung nähern: Es ist nach Angaben der Veranstalter die erste Tagung, die sich explizit um Methoden und Instrumente gegen Jugendarbeitslosigkeit kümmert. Initiator ist Peter Hartz. Der Arbeitsmarktreformer hält die Bemühungen der EU für unzureichend - und will deshalb etwas Eigenes auf den Tisch bringen. Die EU habe mit der "Jugendgarantie" zwar ein schönes Programm, aber es hapere an der Umsetzung, erklärte er.
Die Jugendgarantie besagt, dass Arbeitslose unter 25 Jahren binnen vier Monate einen Job, einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz angeboten bekommen sollen. Dafür stehen seit September 2013 insgesamt sechs Milliarden Euro zur Verfügung. Doch um die Gelder zu erhalten, müssen die Länder der Europäischen Kommission Konzepte vorlegen - bislang ist erst Frankreich aktiv geworden. Gleichzeitig forderte Hartz deutlich mehr Geld: "Wenn Sie das Problem der Jugendarbeitslosigkeit lösen wollen, dann brauchen Sie ganz andere Summen." Seine Expertenrunde sei auf 215 Milliarden Euro gekommen.
Alte Daten reichen nicht mehr aus
Hartz, der "Vater" von Ex-Kanzler Gerhard Schröders Agenda 2010, sieht deshalb Handlungsbedarf und gründete die Initiative "Europatriates". Die grundsätzliche Idee dahinter: Junge Leute sollen in wirtschaftsstarken Gastländern ausgebildet werden oder dort einen Job finden. Mit Berufserfahrung ausgerüstet, kehren sie Monate oder Jahre später wieder in ihre Heimat zurück. Zeitgleich sollen die Herkunftsländer darin unterstützt werden, wieder selbst Jobs zu schaffen. Ein Wechsel in andere europäische Länder ist jedoch nicht einfach, der Kongress will dafür Konzepte und Instrumente vorstellen.
Eine der Methoden ist die sogenannte Talentdiagnostik. Sie soll den bisherigen Weg des Bewerbers zum Job verändern. Andreas Frintrup vom Anbieter HR Diagnostics AG erklärt die Idee: "Bislang hat man sich auf biographische Daten verlassen, zum Beispiel: Welche Ausbildung hat jemand gemacht, welche formalen Voraussetzungen bringt er mit?" Bei der Talentdiagnostik wird davon ausgegangen, dass diese Art Daten nicht mehr ausreichen. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Bewerber aus einem anderen Land stammt. "Schon die formalen Schulabschlüsse in Deutschland und Frankreich sind schwer vergleichbar." Hinzu kommt, dass viele junge Leute noch nicht mal eine Berufsausbildung hätten. "Und wenn ich so eine Ausbildung nicht habe, habe ich auch kein Ticket, um überregional oder sogar über die Grenzen meine Landes hinweg mobil zu sein", sagt Frintrup.
Ohne Ausbildung - kein Ticket
Eine neue Form von Bewerbersuche muss deshalb her, meint der Personaler. "Talentdiagnostik stellt den Menschen in den Vordergrund und fragt: Was kann diese Person? Welche Ressourcen bringt sie mit? Was interessiert sie? Wo möchte sie selber gerne hin?" Anschließend sucht eine Software heraus, welche Jobs in Frage kommen würden. Gleichzeitig hätten Forscher ein System entwickelt, das den Bedarf an Berufen in den einzelnen europäischen Regionen ermitteln soll, die Netzwerke dazu befinden sich aber noch im Aufbau. "Die Frage ist: Wie kann ich Mobilität erreichen? Entweder kann ich sie über fachliche Qualifikation erreichen oder ich weise meine Eignung über andere Formen nach", erklärt Frintrup weiter. Dieser Ansatz sei auch aus Sicht der Unternehmen interessant, denn so könnten auch sie die geeigneten Mitarbeiter finden - jenseits von formalen Voraussetzungen.
Auch Arbeitsmarktexpertin Jutta Steinruck, SPD-Abgeordnete im Europa-Parlament, begrüßt den Ansatz von "Europatriades". "Es ist alles gut, was Lösungsansätze aufzeigt, aber wirtschaftlicher Aufschwung und strukturelle Reformen bleiben trotzdem notwendig", sagt sie. Sie wünscht sich etwas mehr "Zwang statt Freiwilligkeit" bei der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Denn: "Wir haben die Erfahrung gemacht: Wer unmittelbar nach der Schule oder Studium keinen Einstieg ins Berufsleben bekommt, hat auch im weiteren Lebensweg enorme Schwierigkeiten."