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Neue Lösungen

Claudia Adrien15. Dezember 2015

Jeder tut es, kaum einer spricht darüber. Wie Europäer "ihr Geschäft" verrichten, hat sich in den vergangenen 150 Jahren kaum geändert. In Indien könnten neue innovative Toiletten helfen, viele Probleme zu lösen.

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Daniel Yeh
Bild: Aimee Blodgett

Es war ein verregneter Sonntagnachmittag Ende November, als Daniel Yeh und zwei Studenten ihre Erfindung auseinander nahmen. Vorsichtig verpackten sie Teile von Rohren in einem Karton. Ihre Toilette, zusammen mit der Verpackung, reiste noch im selben Monat nach Kerala in Indien. Dort stellten Yeh und sein Team dann ihr autonomes Sanitärsystem vor: den NEWgenerator. Die Initialen stehen für "Nährstoffe, Energie und Wasser".

Der Umweltingenieur und sein Team haben ein Jahrzehnt akribisch an dem energieunabhängigen Entsorgungssystem gearbeitet, dass das Potential hat, das Leben von Millionen Menschen zu verbessern.

Warum dauerte es so lange, die Toilette neu zu erfinden? "Es lag am Geld", sagt Yeh, Professor für Bau- und Umweltingenieurs-Wissenschaften an der University of South Florida. Dort wird seine Arbeit von der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung gefördert. "Sanitäre Einrichtungen sind nichts glamouröses, über das Leute gerne reden. Aber indem man nicht darüber redet, hat man das Thema zu einer Zeitbombe gemacht."

Und eine Zeitbombe ist es tatsächlich. Rund 13 Prozent der Weltbevölkerung - das sind 946 Millionen Menschen - sind immer noch gezwungen, im Offenen zu defäkieren. Was sie dabei hinterlassen, trägt zur Ausbreitung von Cholera, Typhus, Hepatitis A und Polio bei. Die Zahl der Todesfälle alleine durch Durchfallerkrankungen beziffert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf jährlich rund 280.000.

Aber trotz der Unterstützung internationaler Organisationen und der offenkundigen Notwendigkeit für bessere Sanitärvorrichtungen, kämpfen Wissenschaftler immer noch damit, zögerliche Beamte in Entwicklungsländern davon zu überzeugen, begrenzte finanzielle Ressourcen auch in neuere Technologien zu investieren. Alte Sanitärmethoden sind immer noch der Standard, sagt Yeh. Kurzfristig sind die billiger, aber auch ineffektiver. Und langfristig zahlt man drauf.

Tote Zonen

Schlechte Sanitärvorrichtungen sind nicht nur ein örtliches Problem, das arme Menschen in Entwicklungsländern betrifft. Die Kombination von ungeklärten Abwässern und der Abfluss von Gülle und organischen Düngemitteln in der Landwirtschaft kann ganze Ökosysteme zerstören.

Ein Beispiel dafür sind tote Zonen in Küstenregionen, die entstehen, wenn diese Schadstoffe in großen Mengen in Flüsse und schließlich ins Meer gelangen. Der Stickstoff und Phosphor, die darin enthalten sind, befeuern das Wachstum von Phytoplankton und Algen, die große Mengen Sauerstoff an der Wasseroberfläche verbrauchen. Diese sogenannte Hypoxie erstickt das Seegras am Boden, Korallen und andere Meerestiere, die den Sauerstoff benötigen. Das Ergebnis: tote Meereszonen.

Und das ist nicht alles. Diese toten Zonen wandern in der Folge durch das Meer und zerstören weitere Ökosysteme auf ihrem Weg, sagt Johannes Karstensen, Ozeanograph vom GEOMAR Helmholtz Zentrum für Meeresforschung in Kiel. Diese Sauerstoffarmut wird durch den Klimawandel noch verstärkt, weil bei höheren Temperaturen der Ozean noch weniger Sauerstoff aufnimmt.

Einem #link:http://www.greenpeace.to/publications/dead-zones.pdf:Greenpeace-Bericht# zufolge sind Algen-Pesten, die auf einen solchen Sauerstoffmangel hinweisen, bereits um Kerala vorgekommen. Und auch eine tote Zone ist bereits ausgemacht worden: im Indischen Ozean in der Nähe der indischen Westküste.

"Wenn die Polarmeere wärmer werden, verändern wir damit die Meereszirkulation. Und das hängt direkt mit der Ausbreitung dieser Sauerstoffmangelzonen zusammen", erläutert die Meeresforscherin und Klimatologin Sarah Moffitt Myhre.

Die Zahl dieser toten Zonen hat sich seit 1990 weltweit verdoppelt und nimmt gegenwärtig die Fläche von der Größe Neuseelands ein. Einmal entstanden, könnten diese toten Zonen nicht mehr verkleinert oder wiederbelebt werden. Es könnten nur weitere verhindert werden, sagt Myhre.

Ein besseres Klo

Daniel Yeh hofft, dass seine innovative Toilette helfen kann, diese Probleme zu lösen, und hat nebenbei weitere Vorteile zu bieten. Sein NEWgenerator ist viel mehr als nur eine Schüssel mit einem Rohr daran. Es enthält auch einen Bioreaktor mit Mikroben, die sich mit Vorliebe von menschlichem Kot ernähren. Während sie die Exkremente konsumieren, erzeugen sie Biogas, das in Methangas umgewandelt wird. Damit kann man dann heizen oder kochen.

Was die Bakterien verschmähen, wird durch eine Membran von der Größe eines Strohhalms heraus gefiltert. Bakterien- und Viren-behaftete Partikel werden so herausgefischt, aber das Wasser kann frei zirkulieren. Die Membran kann auch Stickstoff und Phosphor-Ionen herausfiltern. Diese Nährstoffe werden dann umgeleitet zu Blumen und Gemüse, die außen am Toilettencontainer wachsen. Solarpanele auf dem Dach versorgen das ganzheitliche Toilettensystem mit Energie.

"So würde es die Natur machen", sagt Yeh über den Kreislauf, den er in dem Toilettencontainer in die Praxis umgesetzt hat. Damit wäre er aber nicht in jeder Hinsicht ein Pionier. In den Industrienationen werden Membrane in vielen städtischen Klärsystemen eingesetzt. Das neue an Yehs Projekt ist, dass es die Technologie auch autark bereitstellt abseits städtischer Infrastrukturen und in Teilen der Welt, wo eine geregelte Abwasserversorgung nicht vorhanden ist.

Der NEWgenerator funktioniert aber auch in Tandem mit einer rudimentären Kanalisation. In dem Fall kann der Bioreaktor an eine Latrine angeschlossen werden, so dass die Mikroben einen Teil der Fäkalien von dort verarbeiten können und damit die Abwässer, die in die Kanalisation gehen, verringert werden.

Indien ist weltweit an der Spitze, was die Zahl der Menschen angeht, die im Freien defäkieren müssen. Und nur weil es eine neue Technologie gibt, heißt das noch lange nicht, dass sich dadurch die Gewohnheiten der Menschen ändern. Die Umweltfreundlichkeit des NEWgenerators ist ein Vorteil, ist sich Yeh sicher. Besonders weil das System auch das Wasser recycelt.

Von der Theorie zur Praxis

"Das Abwasser-Recycling ist nur die Hälfte der Gleichung", sat Yeh. "Die andere ist, dass die Toiletten auch tatsächlich vorhanden und sauber sind."

Die in Kerala beheimatete Organisation "Eram Scientific" kooperiert mit Yeh und kombiniert den NEWgenerator mit ihrem eToilet-System - Toiletten die sich automatisch reinigen. Die Firma hat 1000 eToiletten in ganz Indien. Ein bis zwei Rupien (0,15 - 0,30 Euro) kostet jede einzelne Benutzung. Eram bilde auch Mechaniker darin aus, den NEWgenerator mit Ersatzteilen zu reparieren, die in Indien leicht zu beschaffen sind, erläutert Yeh.

Aber bevor all das passiert, muss die Technologie erst einmal durch einen Testlauf, voraussichtlich in einer weiterführenden Schule in Kerala. Einer von Yehs Studenten wird ein Jahr in Indien verbringen und überwachen, wie sich das System im täglichen Einsatz bewährt.