EU-Neuregelungen für Trucker nehmen Hürde
4. April 2019Begleitet von hitzigen Debatten und einer Flut von Änderungsanträgen stimmte das EU-Parlament in Brüssel für ein Gesetzespaket, das Lkw-Fahrer besser vor Ausbeutung schützen soll. Länder wie Frankreich und Deutschland beklagen seit längerem unfaire Wettbewerbsbedingungen im Speditionsgewerbe durch Lohndumping osteuropäischer Unternehmen.
Lange Ruhepause nicht mehr im Lkw
Die Regeln sehen zum Beispiel vor, dass Lkw-Fahrer ihre gesetzliche 45-Stunden-Ruhepause am Ende einer Arbeitswoche nicht mehr im Fahrzeug verbringen dürfen. Auch soll verhindert werden, dass Fahrer nicht mehr monatelang in Europa unterwegs sein dürfen, ohne ihr Heimatland zu sehen. Deshalb muss es ihr Dienstplan künftig zulassen, dass sie mindestens alle vier Wochen in das Ursprungsland ihres Unternehmens zurückkehren können.
Zusätzliche Vorgaben soll es auch bei der sogenannten Kabotage geben - wenn also ein ausländisches Unternehmen eine Lieferleistung komplett innerhalb eines anderen Landes erbringt. Derlei Aufträge sollen künftig innerhalb von drei Tagen nach Abschluss der ursprünglichen Lieferung erlaubt sein. Bislang sind drei Kabotage-Fahrten innerhalb von sieben Tagen möglich. Die Einigung des Parlaments sieht auch vor, dass Fernfahrer beim reinen Import-, Exportgeschäft sowie beim Transitverkehr weiterhin von der sogenannten Entsenderichtlinie ausgenommen sind. In diesen Fällen würden also weiterhin die Bestimmungen des Ursprungslandes der Arbeiter gelten.
EU-Abgeordnete und nationale Politiker aus östlichen Mitgliedstaaten kritisieren die vorgeschlagenen Neuregelungen als Protektionismus und Einschränkung des europäischen Binnenmarktes. Bislang sind auf Europas Straßen viele Fahrer vor allem aus Osteuropa unterwegs, die deutlich weniger verdienen als etwa ihre deutschen Kollegen. Der Widerstand rührt auch daher, dass Speditionsunternehmen etwa in Rumänien und Bulgarien um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchten.
Mehr als 1200 Änderungsanträge
Die Mitgliedstaaten der EU hatten sich bereits im Dezember - ebenfalls gegen heftigen Widerstand aus östlichen EU-Ländern - auf eine gemeinsame Haltung zu der Reform verständigt. Bis zum letzten Moment war jedoch ungewiss gewesen, ob die jüngste Abstimmung überhaupt stattfinden würde. Ursprünglich für vergangenen Donnerstag angesetzt, war das Votum um eine Woche verschoben worden, weil Abgeordnete mehr als 1200 Änderungsanträge eingebrachten. Dem Verkehrsausschuss gelang es nicht, die Zahl der Anträge deutlich zu reduzieren.
"Ich freue mich sehr, dass das Europäische Parlament (das Thema) abschließen konnte", sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc im Anschluss. Der verkehrspolitische Sprecher der Europa-SPD, Ismail Ertug, begrüßte das Ergebnis als einen "Durchbruch für faire Arbeit auf Europas Straßen". Dagegen kam es in Bulgarien nach der Annahme des Gesetzespakets im EU-Parlament zu Demonstrationen. Fernfahrer setzten in der Stadt Plowdiw aus Protest einen Lkw in Brand. Auf Bannern war etwa zu lesen: "Gibt es einen Platz für bulgarische Unternehmen in der EU?" oder "Nein zur Diskriminierung".
Wohl keine Einigung noch vor Europawahl
Auch grüne und linke EU-Abgeordnete aus westlichen EU-Staaten lehnten Teile des Gesetzespaketes ab - allerdings weil ihnen die Regeln nicht weit genug gehen. Sie bemängeln in erster Linie, dass ausländische Fernfahrer nicht in allen Fällen denselben sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie heimische Arbeitskräfte unterliegen sollen.
Die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über den finalen Gesetzestext können nun beginnen. Dass es noch vor den EU-Wahlen Ende Mai zu einer Einigung kommt, ist allerdings fraglich.
sti/gri (afp, dpa)