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"Neue Sicherheitslage" für Deutschland

15. März 2004

In Deutschland wird nach den Terror-Anschlägen von Madrid über eine "neue Sicherheitslage" diskutiert. Der Objektschutz wird verschärft und auch auf das Ausländerrecht könnte sich die näher rückende Bedrohung auswirken.

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Nachdenklich: Innenminister Otto SchilyBild: AP

Zahlreiche deutsche Bundesländer haben nach den Terroranschlägen von Madrid und Hinweisen auf einen möglichen islamistischen Hintergrund ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Bereits am Sonntag (14.3.2004) hat das Sicherheitskabinett im Berliner Kanzleramt getagt.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) ordnete am Montag einen stärkeren Schutz von Einrichtungen der rund 30 Staaten an, die die USA beim Irak-Krieg unterstützt haben. In Hessen wurden spanische Einrichtungen und Verkehrsknotenpunkte stärker bewacht. Auch in Hamburg erhöhten die Behörden den Schutz zahlreicher Objekte. Niedersachsen fuhr die Zahl der Sicherheitskräfte besonders vor spanischen Einrichtungen hoch. Einige Länder sahen dagegen keine Notwendigkeit für schärfere Vorkehrungen.

Kontrollen auch auf Autobahnen

Besonders gefährdet sind nach Ansicht der NRW-Regierung weiterhin jüdische, britische, israelische und US-amerikanische Einrichtungen. Sachsen-Anhalts Innenminister Klaus Jeziorsky (CDU) rief zu größerer Wachsamkeit für Bereiche mit viel Publikumsverkehr auf. Thüringen verstärkte die Kontrollen auf Autobahnen. Baden- Württembergs Innenminister Thomas Schäuble (CDU) sagte: "Wir waren schon vor den schrecklichen Ereignissen von Madrid wach." Allerdings wurde auch dort der Schutz spanischer Einrichtungen verstärkt.

Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien

Die Bahn stand ebenfalls im Blickfeld. In Sachsen stehen die Behörden nach Angaben des Innenministeriums in engem Kontakt mit den Kollegen in Tschechien und Polen. Der Bundesgrenzschutz verstärkte die Streifen in Reisezügen Richtung Tschechien und auf Bahnhöfen im Grenzgebiet zu Tschechien und Polen. In Mecklenburg-Vorpommern waren ebenfalls mehr Einsatzkräfte unterwegs - in Zivil. In Bayern werden Bahnhöfe bereits seit Freitag (12.3.2004) stärker überwacht.

Schily warnt vor Übertreibungen....

Innenminister Schily (SPD) warnte allerdings vor Übertreibungen und unnötiger Panik. Schily sagte dazu in Berlin: "Die Sicherheitslage hat sich so grundlegend nicht verändert, weil wir ja schon bisher Teil des allgemeinen Gefahrenraums waren und Deutschland auch erwähnt wurde in Verlautbarungen von islamistischen Gruppierungen." Das hänge auch zusammen mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Trotzdem werde die Bundesregierung diesen Einsatz weiterführen wie bisher, betonte Regierungssprecher Bela Anda.

Dennoch spricht Bundes-Innenminister Schily nach den Anschlägen von Madrid von einer neuen Qualität des islamistischen Terrors in Europa. So fordert er einen engen europäischen Informationsverbund für die Terroristenbekämpfung. Wahscheinlich werden sich die Innenminister der Europäischen Union bereits am 22. März über EU-weite gemeinsame Konsequenzen aus den blutigen Terroranschlägen von Madrid beraten.

...will aber dennoch Ausweisungen erleichtern

Schily ist auch bereit, die Ausweisungsbestimmungen nochmals zu verschärfen. "Wenn jemand in einem Ausbildungslager in Afghanistan war, hat er in unserem Lande nichts suchen", sagte er in der ARD.

Wolfgang Bosbach, CDU
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang BosbachBild: dpa

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (Bild) stieß in dieselbe Richtung: "Wir müssen uns die Menschen, die nach Deutschland kommen wollen, genauer ansehen - insbesondere, wenn sie aus Problemstaaten kommen. Da muss wieder gelten: Im Zweifel für die Sicherheit und nicht im Zweifel für die Reisefreiheit." Auch die deutschen Sicherheitsdienste haben "Problemstaaten" und deren Bürger bei ihren Beobachtungen im Auge. Es wird vermutet, dass in Deutschland Rekrutierungszentren bestehen, vor allem in den Groß- und Universitätsstädten. In den strategischen Überlegungen wird davon ausgegangen, dass es in der zweiten oder dritten Generation der hier lebenden Moslems Extremisten gibt.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes leben in Deutschland rund 30 600 muslimische Extremisten, die sich islamistischen Organisationen angeschlossen haben. Das entspricht etwa einem Prozent der hier lebenden Muslime. (dpa/mib)