Neuer Personenkult unter Kim Jong Un?
7. November 2018Am Sonntag hat Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am Sunan-Flughafen von Pjöngjang Präsident Miguel Díaz-Canel aus Kuba begrüßt, einem der wenigen Verbündeten der ostasiatischen Diktatur. Das eigentlich Berichtenswerte des Staatsbesuchs prangte jedoch in Form eines überlebensgroßen Gemäldes im Hintergrund: Zum ersten Mal hat das Regime ein offizielles Porträt von Kim Jong Un zur Schau gestellt, zusammen mit dem Bildnis seiner Gastes aus Kuba im selben Stil und Format. Unverkennbar stammen beide Werke aus den Mansudae-Kunststudios, der staatlichen Kulturfabrik. Eines zeigt einen freundlich lächelnden Kim Jong Un in westlichem Anzug und Krawatte mit modischer Brille Modell "Malcolm X".
"Die Ähnlichkeiten zu den Porträts von Kim Il Sung und Kim Jong Il ist eindeutig und überfällig”, sagt der deutsche Nordkorea-Forscher Martin Weiser. Dass Nordkoreas Staatsoberhaupt in dritter Generation auf dem öffentlichen Bildnis seinem Vater und Großvater gleicht (bei Anpassungen an den modernen westlichen Geschmack), wurde schnell als Versuch des Propaganda-Apparats gedeutet, den Führerkult um Kim Jong Un anzukurbeln und ihn auf eine Stufe mit seinen Vorgängern zu heben.
Nordkoreas Persönlichkeitskult bleibt unerreicht
Weiser hält dies für überzogen: "Das ist keine neue Stufe der Regime-Propaganda, sondern viel mehr ein ganz banales Porträt, was man eben bei Besuchen von Staatsoberhäuptern präsentieren möchte." Wahrscheinlich habe das Gemälde schon vorher existiert, jedoch erst mit dem Besuch des kubanischen Präsidenten einen Anlass zur Verwendung gefunden.
Allerdings spielen für den Persönlichkeitskult rund um die Kim-Familie offizielle Porträts eine zentrale Rolle. Die Konterfeis von Staatsgründer Kim Il Sung und seinem 2011 verstorbenen Sohn Kim Jong Il sind schließlich allgegenwärtig: Sie hängen in jedem Gebäude des Landes, als Anstecknadeln an der linken Brust der meisten Nordkoreaner und sind zudem in Form von Bronzestatuen auf den Stadtzentren verewigt.
Für die Porträt-Gemälde gelten strikte Regeln: Sie dürfen ausschließlich an leeren Wänden hängen und müssen regelmäßig entstaubt werden. Touristen dürfen sie nur vollständig abfotografieren und nicht an den Seiten anschneiden. Wenn nordkoreanische Zeitungsleser Seiten, auf denen ein Bildnis des Staatsführers prangt, zerknüllen oder mit Zigarettenasche beflecken, wird dies regelmäßig mit Strafen geahndet.
"Nordkoreas Persönlichkeitskult hat nach seiner Staatsgründung in Sachen Extravaganz rasch die seiner osteuropäischen Brüderstaaten übertroffen. Bis Ende der 40er Jahre wurde die führende Universität des Landes nach Staatsgründer Kim Il Sung benannt, sein Heimatdorf zum nationalen Schrein erkoren und seine Statue in mehreren Städten errichtet", schreibt Brian R. Myers in seinem Standardwerk über Nordkoreas Propaganda "The Cleanest Race".
Kim-Kult wurde in den letzten Jahren abgemildert
Verglichen mit späteren Dekaden war die Propaganda des Regimes damals noch geradezu zaghaft: Sie betonte stets die "überlegene" Kultur der sowjetischen Schutzmacht und die Leistung der Roten Armee Chinas beim Koreakrieg.
In den 60er Jahren jedoch wurde Kim Il Sungs Biografie als heldenhafter Widerstandskämpfer gegen die japanischen Besatzer mythisch "aufpoliert", zudem wurde ihm retrospektiv die Autorschaft etlicher Theaterstücke und ideologischer Manifeste zugeschrieben. Als Kim Il Sung im Jahr 1972 seinen 60. Geburtstag feierte, hingen mehr Porträts von ihm im Land, als es bei Stalin in der Sowjetunion oder bei Mao in China der Fall war.
Der 34-jährige Kim Jong Un war bislang von diesem extremen Führerkult ausgenommen. Dies hat sicherlich auch mit der konfuzianischen Tradition zu tun, die der Seniorität höchste Bedeutung beimisst. Zudem hatte er als Staatspräsident in dritter Generation nicht mehr die natürliche Autorität wie seine Vorgänger. Kim Jong Un kann weitaus weniger auf blinde Loyalität seiner Landsleute setzen als seine Vorfahren, sondern muss sich verstärkt an seinen Taten messen lassen. Nicht umsonst hat der junge Diktator seine Legitimität mit dem Versprechen wirtschaftlichen Wohlstands für die Bevölkerung verknüpft.
Generell haben sich der Persönlichkeitskult und die Propaganda des Regimes zuletzt deutlich abgemildert, vor allem seit der innerkoreanischen Annäherung mit Beginn dieses Jahres. Zum ersten Mal seit Ende des Koreakriegs 1953 sind beispielsweise die bislang allgegenwärtigen Anti-US Wandmalereien aus dem Stadtbild Pjöngjangs verschwunden.
Auch der Gouverneur der südkoreanischen Provinz Gangwon, Choi Moon Soon, der Kim Jong Un bereits zweimal persönlich getroffen hat, meint: "Als ich Nordkorea im letzten Monat besucht habe, habe ich einen spürbaren Wandel gemerkt. Als wir früher zu den touristischen Wahrzeichen von Pjöngjang geführt wurden, wurden diese stets von unseren Reiseleitern gleich im ersten Satz mit Verweis auf die Güte des Führers Kim Jong Il vorgestellt. Davon war zuletzt nur mehr wenig zu spüren. Ein internationaler Standard hält langsam Einzug."