Neues EU-Verfahren gegen Polen
3. April 2019Die EU-Kommission hat wegen der umstrittenen Justizreformen ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Konkret geht es um ein Gesetz, das die nationalkonservative PiS-Regierung 2017 verabschiedet hatte. Es sieht vor, dass wegen ihrer Rechtsprechung gegen Richter ermittelt werden kann und letztlich sogar Strafmaßnahmen eingeleitet werden können. Ferner kritisiert die EU-Kommission, dass die Unabhängigkeit der Disziplinarkammer am Obersten Gericht in Warschau nicht gewährleistet sei. Sie ist für die Überwachung von Disziplinarmaßnahmen gegen Richter verantwortlich. Solche Maßnahmen wirkten einschüchternd, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans. Richter würden systematisch der politischen Kontrolle unterworfen.
Die seit 2015 allein regierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat in der zu Ende gehenden Legislaturperiode einen beispiellosen Umbau der polnischen Justiz vorangetrieben. Kritiker sehen die Rechtsstaatlichkeit durch die Reform massiv ausgehöhlt. In dem zentraleuropäischen Land kam es vor und nach der Verabschiedung der Maßnahmen immer wieder zu Massendemonstrationen.
Die schweren Geschütze der EU-Kommission
Auch die EU-Kommission hat ausdauernd darauf gedrungen, dass in dem wichtigen Mitgliedstaat die Grundwerte der EU eingehalten werden. Das neue Verfahren reiht sich ein in eine Liste mehrerer Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau. Außerdem erhob die Kommission mehrere Klagen beim Europäischen Gerichtshof. Ende 2017 eröffnete sie sogar ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge. Dieses gilt bildlich als "Atombombe" - als ultimative Waffe der Brüsseler Institutionen gegen schwerwiegendes Fehlverhalten eines Mitgliedsstaates. Am Ende eines solchen Verfahrens könnte Polen sein Stimmrecht im europäischen Rat verlieren.
ehl/fab (dpa, afp)