Neustart in Syrien?
16. Mai 2014Die Erfolgsaussichten waren von Anfang an nicht gut. Trotzdem bemühte sich Lakhdar Brahimi um eine Lösung des Syrien-Konflikts. In zahllosen Gesprächen versuchte der Sondergesandte von UN und Arabischer Liga, die Konfliktparteien in Richtung eines Friedensprozesses zu bewegen. Geduld war eine seiner wichtigsten Verhandlungstugenden. Doch nach 20 Monaten war diese Geduld erschöpft: Brahimi trat von seiner Vermittlerrolle zurück.
Der algerische Diplomat hinterlässt eine Lücke, die die Staaten-Gruppe der "Freunde Syriens" nun auf ihre Weise zu füllen sucht. Dazu gehören unter anderem die USA, EU-Länder wie Deutschland, aber auch Saudi-Arabien und Katar. "Es besteht große Einigkeit, dass wir unsere Anstrengungen in Syrien verdoppeln müssen", erklärte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, am Donnerstag (15.05.2014) zu Beginn eines zweitägigen Treffens der Gruppe. Neben Hilfslieferungen für die Opfer des Bürgerkriegs wolle man über eine weitere Unterstützung der syrischen Opposition sowie erhöhten Druck auf Damaskus diskutieren.
Konfrontationslogik hat versagt
Diese Politik verfolgen die Unterstützer der syrischen Opposition seit drei Jahren. Gebracht hat sie wenig. Ob sie in Zukunft mehr Erfolg haben könnte? Die arabische Tageszeitung "Al Hayat", die in Beirut und London herausgegeben wird, zeigt sich skeptisch. Russland und der Iran, die beiden wichtigsten Verbündeten des Assad-Regimes, zeigten keinerlei Anzeichen des Einlenkens. Beide Länder hingen der Vorstellung an, der Westen bedrohe ihre Existenz und versuche seinen Einflussbereich auf ihre Kosten auszubauen. Ein Entgegenkommen der beiden Länder sei darum nicht zu erwarten, im Gegenteil: "Beide bemühen sich, ihr militärisches Arsenal zu entwickeln und ihren Einflussbereich zu erweitern - und das keinesfalls nur dort, wo sie auf ihnen angeblich aufgezwungene Gefahren reagieren müssen", so "Al Hayat".
Die Logik der Konfrontation hat bislang keine Früchte getragen. Sie hat weder den Tod von rund 150.000 Syrern verhindert, noch den Umstand, dass neun Millionen Menschen zu Flüchtlingen innerhalb oder außerhalb der Landesgrenzen wurden. Ebenso wenig hat sie verhindert, dass der Konflikt längst auch andere Länder in der Region beeinflusst: Insbesondere im Irak und im Libanon ist es zu kleineren und größeren Gefechten zwischen Anhängern und Gegnern des Assad-Regimes gekommen. Auch die Türkei blieb auf andere Weise von der Gewalt im Nachbarland nicht verschont. Ankara ließ ein syrisches Kampfflugzeug abschießen, das in den türkischen Luftraum eingedrungen war. Dauert der Krieg in Syrien an, könnte die Gewalt in den Nachbarstaaten weiter zunehmen.
Ansätze zur Kooperation
Wohl auch deswegen schlagen zumindest einige der "Freunde Syriens" parallel zur Unterstützung der Opposition einen ganz anderen Kurs ein. So hat die saudische Regierung vor, den iranischen Außenminister zu Gesprächen nach Riad einzuladen. "Iran ist ein Nachbar, wir haben Beziehungen zueinander und werden miteinander verhandeln," erklärte der saudische Außenminister Saud al-Faisal. Die Einladung könnte als Reaktion auf die Annäherung der USA an den Iran erfolgt sein. Diese zeigt sich am deutlichsten in der sechsmonatigen Aufhebung des gegen Teheran verhängten Embargos. Im Gegenzug verpflichtet sich der Iran, sein Atomprogramm für ein halbes Jahr auszusetzen. Angesichts dieser Einigung herrscht in Riad die Sorge, Saudi-Arabien könnte durch die amerikanisch-iranischen Kontakte außenpolitisch an Gewicht verlieren.
Zwar erklärten namentlich nicht genannte Vertreter der Regierung in Teheran gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian", die Regierung Assad habe den Krieg gewonnen. Zugleich aber berichtete die mit der Politik des Nahen Ostens befasste Internet-Zeitung "Al Monitor" unter Berufung auf ebenfalls anonyme offizielle ägyptischen Quellen, iranische Diplomaten hätten in vertraulichen Gesprächen in Moskau einen Vier-Punkte-Plan vorgelegt. Dieser sehe einen Waffenstillstand, die Bildung einer nationalen Einheitsregierung, eine Verfassungsreform und eine Einschränkung der Macht des syrischen Präsidenten vor.
Grundstein für neue Verhandlungen?
Kooperation statt Konfrontation - diese Idee scheint auch in Syrien erste Früchte zu tragen. In der letzten Woche hatten sich die Regierung in Damaskus und die bewaffnete Opposition auf einen Waffenstillstand in der Stadt Homs geeinigt. Nach monatelanger Belagerung hatten rund 2000 Menschen die Stadt verlassen, unter ihnen auch 1800 islamistische Rebellen. Im Gegenzug hatten sie Dutzende von Geiseln freigelassen. Nach Angaben der libanesischen Zeitung "Al Safir" waren an der Einigung nicht nur iranische Diplomaten, sondern auch die eines namentlich nicht genannten Golfstaats beteiligt gewesen. Ebenso seien US-amerikanische Unterhändler an der Einigung beteiligt gewesen, vermutet die Zeitung.
Wer immer auch an den Verhandlungen beteiligt war: Die Einigung über Homs könnte ein Modell für die Zukunft werden, vermutet "Al Safir". "Die Tragödie von Homs hat den Grundstein für erste ernsthafte Verhandlungen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene gelegt".
Nach über drei Jahren Krieg zeichnet sich nun womöglich ein neuer Ansatz ab, die Gewalt zu beenden. Der Weg zum Frieden in Syrien führt über Syrien selbst. Denn dort beginnt man womöglich zu verstehen, dass der Krieg für niemanden zu gewinnen ist. Denn der Sieg der einen oder anderen Seite ist mit einem Blutzoll zu bezahlen, den niemand mehr entrichten möchte.