Nico: Vom Supermodel zur "Priesterin der Finsternis"
18. Juli 2018Schönheit, Supermodel, Stilikone: Christa Päffgen, 1938 in Köln geboren und nach dem Krieg in Berlin aufgewachsen, hat es bereits in jungen Jahren zu internationalem Ruhm geschafft. Mit 17 modelt sie in Paris für Magazine, Fotografen geben ihr den Künstlernamen Nico, mit dem sie weiterzieht nach New York und in eine Welt ohne Zwänge und Grenzen eintaucht.
Der aktuelle Kinofilm "Nico, 1988" kehrt die Scherben dessen zusammen, was Ende der 1980er Jahre vom Ruhm der vorangegangenen Jahrzehnte übrig geblieben ist. Der Film zeigt die Musikerin Nico in ihrem letzten Lebensjahr, gezeichnet von Drogen und der Anstrengung, als eigenständige Künstlerin anerkannt zu werden.
Das war ihr Motiv für diesen Weg: die Emanzipation von allen Rollen, das Ausbrechen aus den Strukturen der Vergangenheit, die oberflächlich zwar grenzenlos erschienen, in denen sie sich dennoch nur fremdbestimmt bewegt hat.
Nico will mehr als nur schön sein
Nico gilt als eines der ersten Supermodels der Modebranche und mit ihrer Art zu singen als Wegbereiterin für Punk und Gothik. Sie hat Affairen mit unzähligen berühmten Männern, bekommt einen Sohn von dem Schauspieler Alain Delon und, wird zur Muse des New Yorker Künstlers Andy Warhol. In dessen "Factory"-Ateliers lernt sie auch Mick Jagger, Jim Morrison und Lou Reed trifft, mit denen sie zeitweise liiert ist.
Sie arbeitet auch als Schauspielerin, was vor allem auf einen Auftritt in Federico Fellinis weltberühmten Film "La Dolce Vita" zurückgeht, in dem Nico sich kurz selbst spielt. Ist es das, worüber sich ein selbstbestimmter Mensch definieren lassen will: Schönheit?, fragt sie sich immer wieder.
Nico will aus der Welt der Schönen und Reichen ausbrechen und findet einen Verbündeten: Heroin. Es hilft ihr, sich von ihrem Image als Model und Künstlermuse zu entfernen, im Auftreten und erst recht im Aussehen. Der körperliche Verfall ist ihr recht, sogar erwünscht.
In einer Film-Szene sitzt die abgewrackte Musikerin Nico, sehr authentisch verkörpert von der dänischen Schauspielerin Trine Dyrholm, vor einem Spiegel und sagt: "Bin ich hässlich? Gut. Ich war nicht glücklich, als ich schön war."
Als Mutter gescheitert
Der Film zeigt keinen gefallenen Engel. Nico ist als Mutter alles andere als eine Sympathieträgerin. Ihren Sohn Ari, dessen Vaterschaft Alain Delon nie anerkannt hat, soll sie im Kindesalter mit auf New Yorker Partys genommen haben. Auf den Tischen lagen diverse Drogen griffbereit, Alkohol war überall frei zugänglich.
Ari wächst schließlich bei seiner Großmutter in Frankreich auf. Als er als Jugendlicher im Alter von 19 Jahren zu Nico zurückkehrt, führt sie ihren Sohn an Heroin heran und teilt mit ihm das Spritzenbesteck.
Im Film tingelt Nico, die Ende der 60er Jahre auf dem Debütalbum von Velvet Underground mitsang und danach sechs Soloalben aufnahm, darunter Chelsea Girl“ (1967) in den 80ern über kleine Bühnen und beschimpft ihre Band vor den Augen des Publikums. Ihren morbiden Texten verdankt sie den Titel "Priesterin der Finsternis". Längst will sie nicht mehr Nico sein, sondern wieder Christa genannt werden.
Die Hauptdarstellerin Trine Dyrholm und die italienische Regisseurin Susanna Nicchiarelli widerstehen der Versuchung, beim Zuschauer Mitgefühl für die Protagonistin zu erzeugen. Die Atmosphäre der Inszenierung ist schlicht trist und steht damit im krassen Gegensatz zur bunten Welt der High Society, deren Aushängeschild Nico einst gewesen ist. Dyrholm sang alle Passagen selbst, was angesichts des häufig schiefen Gesangs und des harten deutschen Akzents von Nico eine Herausforderung gewesen sein dürfte.
"Nico, 1988" startet am 18. Juli in den deutschen Kinos - zum 30. Todestag der Künstlerin, die am 18. Juli 1988 auf Ibiza nach einem Fahrradunfall im Alter von 49 Jahren starb.