Nicole Anyomi: Auf dem Weg zur deutschen WM-Hoffnung
23. Juni 2023Man wolle da weitermachen, wo man im Sommer bei der EM 2022 aufgehört habe, heißt es bei den DFB-Frauen mit Blick auf die WM in Australien und Neuseeland immer wieder. Von "besonderen Gefühlen" ist die Rede, wenn die Spielerinnen über ihre Auftritte im Dress der Nationalmannschaft sprechen. Jede Einzelne bringe ihre Stärken zum Wohle der Mannschaft ein.
Das Schlüsselwort bei Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist Weiterentwicklung. Nach jeder Trainingseinheit und jedem Spiel betont die 55-Jährige unermüdlich ihr Gebot der Selbstverbesserung. Eine, die der Bundestrainerin genau zuhört, ist Nicole Anyomi - wie die 23 Jahre alte Stürmerin von Eintracht Frankfurt der DW sagte.
Experiment mit gemischten Ergebnissen
"Die Spiele, die ich gespielt habe, die Minuten, die ich sammeln konnte, haben mir geholfen, mich weiterzuentwickeln", sagte Anyomi. "Und das bin nicht nur ich. Man kann sehen, wie sich das Team weiterentwickelt hat und durch die gesammelte Erfahrung gewachsen ist."
Entwicklungsfähigkeit ist etwas, das Anyomi im Nationalteam unter Beweis stellen musste. Die 23-Jährige, die bei Eintracht Frankfurt eine Offensivrolle inne hat, musste im DFB-Team häufig auf der Außenverteidiger-Position spielen. Flexibilität ist unter Bundestrainerin Voss-Tecklenburg Voraussetzung. "Als ich das erste Mal als Außenverteidigerin gespielt habe, war das etwas Neues für mich, weil ich die Position nie gelernt hatte", sagt Anyomi. "Aber die Teamkolleginnen haben mir geholfen. Und obwohl es nicht meine Lieblingsposition ist, gebe ich immer mein Bestes."
Ambition, Flexibilität und ein Vertrauen in die Bundestrainerin haben Anyomi geholfen, auf der ungewohnten Position Fuß zu fassen, was sie zu einer vielseitigeren Spielerin macht. "Ich habe die Gründe der Bundestrainerin, mich dort aufzustellen, verstanden. Denn so kann ich dem Team mit meiner Schnelligkeit und meiner Physis helfen", sagt Anyomi. "Und taktisch gesehen bin ich als Außenverteidigerin in der Dreierkette sowieso auch offensiv eingebunden."
Kampf um die Startelfplätze
Doch Anyomis offensichtlicher Vorwärtsdrang sorgte dafür, dass sie zuletzt auch wieder dort eingesetzt wurde, wo sie sich am wohlsten fühlt: in der Offensive. "Wir haben uns entschieden, dieses kleine Experiment zu beenden", erklärt Voss-Tecklenburg zuletzt auf einer Pressekonferenz und ergänzte: "Wir planen, sie offensiv einzusetzen. Sie hat sehr gute Auftritte gezeigt, ist selbstbewusst und hat Tore geschossen." Anyomi sei in ihrer persönlichen Entwicklung "auf einem sehr guten Weg".
Für eine ganze Reihe an Spielerinnen sind die kommenden Testspiele vor dem WM die letzte Chance, sich in den Fokus zu spielen und für einen Platz im endgültigen 23-er-Kader für die WM zu empfehlen. Eine Nominierung Anyomis gilt als wahrscheinlich. Die Chancen auf die Startelf dürften aber eher überschaubar sein, weil die etablierten Flügelspielerinnen Svenja Huth und Klara Bühl wohl kaum zu verdrängen sein dürften.
Auch wenn sie vielleicht noch kein Name für die erste Elf ist, so hat Anyomi sich dennoch in den Kreis der Spielerinnen gespielt, auf die Voss-Tecklenburg vertraut. Seit ihrem Debüt 2021 - ein Moment, den sie als stolzesten Moment ihres Lebens beschreibt - hat Anyomi eine Menge Erfahrung auf internationaler Bühne gesammelt. Vor allem bei der EM 2022 in England, wo sie im dritten Gruppenspiel gegen Finnland eingewechselt wurde und ihr erstes Länderspieltor erzielen konnte.
"Obwohl wir verloren haben, war es unbeschreiblich vor 90.000 Zuschauern in Wembley zu spielen", sagt Anyomi mit Blick auf das Finale gegen die Gastgeberinnen aus England. "Das ist etwas, das ich nie vergessen werde. Definitiv das Highlight des Turniers."
Frage des Selbstvertrauens
Als Vizeeuropameisterinnen reisen die deutschen Frauen als Mitfavoritinnen zum Turnier nach Australien. Doch laut Anyomi sei es für manche nicht einfach, mit einer (Mit)-Favoritenrolle umzugehen. "Das ist ein schwieriges Thema, weil wir natürlich alle den Titel gewinnen wollen und bei der Euro gesehen haben, in welch guter Form wir sind", sagte sie. "Als Spielerinnen sprechen wir zwar ab und zu darüber. Aber es ist nicht so, dass wir großspurig verkünden, dass wir die Besten sind. Wir sind da eher zurückhaltend."
Doch Zurückhaltung bedeutet nicht, dass man nicht seine Ziele formulieren kann. Das Wort Weltmeisterin ist für Anyomi keinesfalls unaussprechlich: "Warum es nicht einfach sagen? Es ist eine Frage des Selbstvertrauens. Ich möchte Weltmeisterin werden - keine Frage."
Aus dem Englischen übersetzt