Niederlande geben koloniale Raubkunst zurück
7. Juli 2023Vor allem im 17. Jahrhundert waren die Niederlande eine der bedeutendsten Kolonialmächte der Welt. Um 1650 erreichte das niederländische Handelsimperium seinen Höhepunkt, als rund die Hälfte des Welthandels von der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen umgeschlagen wurde. Fast 500 der seinerzeit aus den Kolonien geraubten Objekte sollen jetzt an Indonesien und Sri Lanka zurückgegeben werden - zumeist wertvolle und kulturell bedeutsame Kunstwerke, wie das Kulturministerium in Den Haag mitteilte.
Die für Kulturfragen zuständige Staatssekretärin Gunay Uslu sprach von einem "historischen Moment". Es würden Objekte zurückgegeben, "die niemals in den Niederlanden hätten sein dürfen". Zu den Kunstwerken zählt der indonesische Lombok-Schatz. Er besteht aus einer großen Menge an Edelsteinen, Gold und Silber, die 1894 von niederländischen Truppen aus einem Palast auf der Insel geraubt wurde. Ein Teil des Schatzes wurde bereits 1977 an Indonesien zurückgegeben, die einst wichtigste niederländische Kolonie.
Die Kanone von Kandy
Ein weiteres bedeutsames Stück ist die Kanone von Kandy, eine 1765 im heutigen Sri Lanka erbeutete, in Edelsteinen eingefasste Zierkanone. Sie ist nach dem srilankischen Adeligen Lewke Disava benannt, der sie dem Monarchen des Königreichs Kandy auf Ceylon - dem heutigen Sri Lanka - schenkte. Die niederländischen Truppen sollen die Kanone erbeutet haben, als sie Kandy 1765 eroberten. Ein mit 138 Diamanten besetztes Prunkschwert wird ebenfalls an das Land zurückgegeben.
Mit ihrer Restitutionsentscheidung folgt die niederländische Regierung der Empfehlung einer von ihr eingesetzten Kommission. Bislang sind die Kunstwerke in niederländischen Museen ausgestellt, die sich nun absehbar von Prunkstücken ihrer Sammlungen trennen müssen. Dazu zählt das Amsterdamer Rijksmuseum, das den "Lombok-Schatz" mit hunderten Objekten aus Silber und Gold beherbergt oder auch die Zierkanone von Kandy.
Koloniales Erbe im Fokus
Betroffen sind aber auch die drei ethnologischen Museen des Landes, die sich als Weltkulturen Museum zusammengeschlossen haben - das Amsterdamer Tropenmuseum, das Museum für Völkerkunde in Leiden und das Afrika Museum in Berg en Dal.
Wie Frankreich, Deutschlandund Belgien sind die Niederlande derzeit intensiv mit der Aufarbeitung ihrer Kolonialgeschichte befasst. Schon 2017 hatte das Rijksmuseum erste Nachforschungen zur Herkunft kolonialer Sammlungsobjekte angestellt, und zwar "gemeinsam mit Forschern in den Herkunftsländern", wie das Museum auf seiner Website schreibt. 2019 folgte ein internationales Pilotprojekt zur Provenienzforschung.
Die gesellschaftliche Debatte über die koloniale Vergangenheit ist inzwischen auch im niederländischen Königspalast angekommen: Anfang Juli hatte sich König Willem-Alexander in einem historischen Schritt offiziell für die Versklavung von schätzungsweise 600.000 Menschen in der Kolonialzeit durch die Niederlande entschuldigt. Auch Ministerpräsident Mark Rutte hatte im Dezember 2022 für das einstige Handeln des niederländischen Staates um Entschuldigung gebeten und die Sklaverei in den früheren Kolonien als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet.