Niederländische Journalistin wieder frei
24. April 2016Die "Metro" liegt in Bahnhöfen und Supermärkten, in U-Bahnstationen und auf Postämtern aus. Die niederländischen Gratiszeitung, für die die Journalistn Ebru Umar (Artikelbild) ihre Erdogan-kritische Kolumne schrieb, hat also vermutlich eine große Reichweite. In der Türkei dürften ihre Themen üblicherweise aber nicht wahrgenommen werden. Dennoch war Umar in der Nacht zu Sonntag aus ihrer Ferienwohnung in der westlichen Küstenstadt Kusadasi von der Polizei mitgenommen worden.
Journalistin darf die Türkei vorerst nicht verlassen
Die Journalistin türkischer Abstammung hatte zuvor Auszüge aus ihrer Kolumne über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet. Inzwischen ist die Journalistin wieder auf freiem Fuß. Sie dürfe aber die Türkei nicht verlassen, schrieb Umar auf Twitter. Die Journalistin betonte, dass sie von der Polizei gut behandelt worden sei. "Ich will so schnell wie möglich in die Niederlande zurück", sagte sie. Wann der "Landesarrest", wie sie sagte, aufgehoben werde, konnte sie nicht sagen.
Nach Angaben des niederländischen Außenministeriums in Den Haag ist unklar, was ihr zur Last gelegt wird. Außenminister Bert Koenders begrüßte die Freilassung, betonte jedoch, dass damit das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Er hatte bei seinem türkischen Amtskollegen gegen die Festnahme protestiert und erklärt, "dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut" sei. Dies müsse auch ein Bewerberstaat für die EU-Mitgliedschaft respektieren.
Rief das türkische Konsulat zum Denunzieren auf?
In ihrer Kolumne hatte Umar Erdogan als Diktator bezeichnet. Der Text der Niederländerin kritisiert ein Schreiben des türkischen Konsulats in Rotterdam. Darin wurden die Türken in der Region aufgefordert, jede mutmaßliche Beleidigung Erdogans in den sozialen Netzwerken zu melden. Das Schreiben hatte für heftige Kritik gesorgt. Die niederländische Regierung hatte sich "überrascht" über das "merkwürdige" Schreiben des Konsulats gezeigt. Das Konsulat sprach anschließend von einem "Missverständnis".
Nach der Festnahme Umars hatte der niederländische Regierungschef Mark Rutte per Twitter mitgeteilt, die niederländische Botschaft stehe in "engem Kontakt" mit Umar, um ihr beizustehen. Bildungsministerin Jet Bussemaker sagte dem Fernsehsender WNL, eine Festnahme wegen eines Tweets sei "absurd". Die Festnahme hatte in den sozialen Medien in den Niederlanden für großes Aufsehen gesorgt. Der Hashtag #FreeEbru verbreitete sich rasant. Politiker und Journalisten forderten die Freilassung Umars.
Bild-Fotograf darf nicht in die Türkei einreisen
Unterdessen berichtet die "Bild"-Zeitung, der in ihrem Auftrag arbeitende griechische Fotojournalist Giorgos Moutafis sei am Samstagabend am Atatürk-Flughafen in Istanbul zur Rückreise nach Athen gezwungen worden. Eigentliches Ziel seiner Reise sei Libyen gewesen. Laut "Bild" wurde dem Fotoreporter bei der Passkontrolle erklärt, sein Name stehe auf einer Liste von Personen, die nicht in die Türkei einreisen dürften. Gründe dafür seien nicht genannt worden.
In der vergangenen Woche wurde bereits dem ARD-Journalisten Volker Schwenck die Einreise in die Türkei verweigert. Der Leiter des ARD-Studios in Kairo wollte von Istanbul in das türkisch-syrische Grenzgebiet reisen, um dort mit syrischen Flüchtlingen zu sprechen. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, Schwenck habe vor seiner Einreise "keinen Antrag auf journalistische Tätigkeit" gestellt.
2000 Verfahren gegen Künstler und Journalisten
In der Türkei ist derzeit ein starker Anstieg von Prozessen gegen Kritiker des zunehmend autoritär herrschenden Erdogan zu beobachten. Derzeit laufen rund 2000 Verfahren, viele gegen Künstler, Journalisten und Intellektuelle, aber auch gegen Privatleute.
Auch im Ausland versucht die Türkei derzeit offenbar Einfluss auf Kunst und Presse zu nehmen. So berichtet der Intendant der Dresdner Sinfoniker, Markus Rindt, die Türkei versuche ein Konzertprojekt zu behindern, das den Völkermord an den Armeniern thematisiert. Laut Rindt hatte der türkische EU-Botschafter die Europäische Union gedrängt, die finanzielle Förderung für die Produktion einzustellen.
Für anhaltende Diskussionen sorgt die Strafanzeige des türkischen Präsidenten gegen den deutschen Fernseh-Moderator Jan Böhmernann wegen Beleidigung. Böhmernann hatte in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" ein Schmähgedicht über Erdogan vorgetragen, das teilweise Formulierungen unter der Gürtellinie enthielt. In demselben Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft auch nach § 103 StGB wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts. Diesem Verfahren hatte zuvor die Bundesregierung zugestimmt, was eine heftige Kontroverse auslöste.
cw/stu (dpa, afp, epd)