Ölpreis setzt Iran unter Druck
15. Januar 2015Der Ölpreis ist binnen sechs Monaten rasant gesunken - ein Ende der Entwicklung ist nicht absehbar. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI fiel am Dienstag (13.01.2015) kurzzeitig sogar unter 45 Dollar. Eine Drosselung der Fördermengen durch die OPEC könnte den Preis wieder ansteigen lassen. Doch ist diese nicht in Sicht. Unter den OPEC-Staaten, zu denen auch Saudi-Arabien und Iran gehören, herrscht noch immer Uneinigkeit hinsichtlich des Handlungsbedarfs. Die USA stiegen dank der Fracking-Methode zum weltweit größten Ölproduzenten auf. Doch Fracking ist teuer und rentiert sich nur bei einem hohen Ölpreis. Die bisherige Nr. 1, Saudi-Arabien, produziert ungeachtet der Entwicklungen weiter wie bisher. Experten gehen davon aus, dass Saudi-Arabien so hohe Rücklagen besitzt, dass es noch etwa zwei Jahre lang niedrigere Erdölpreise verkraften könnte. Dass wichtige Konkurrenten wie Russland und der Iran durch die jüngste Entwicklung des Ölpreises wirtschaftlich ins Trudeln geraten sind, verstärkt die ablehnende Haltung Saudi-Arabiens, die Produktion zu drosseln. Hinzu kommt, dass Teheran und Riad nicht nur auf dem Ölmarkt miteinander konkurrieren, sondern auch erbitterte Rivalen um die geopolitische Vormachtstellung in der Region sind.
Schwierigkeiten für Irans Wirtschaft
Der dramatische Fall des Ölpreises hat der Hoffnung Irans auf einen wirtschaftlichen Aufschwung einen starken Dämpfer versetzt, zumal das Land immer noch mit den Sanktionen des Westens und ihren Folgen zu kämpfen hat. Die iranischen Erdölexporte haben sich in den vergangenen vier Jahren von 2,5 Millionen Barrel auf 1,2 Millionen Barrel am Tag mehr als halbiert, bedingt durch eine enorme Verschärfung der Sanktionen seit 2011. Die Lieferausfälle konnte der Iran bislang zumindest zum Teil durch hohe Ölpreise kompensieren. Nun aber brechen die Einnahmen weg. Hinzu kommt, dass ein Teil der Ölgewinne aufgrund der Sanktionen im Ausland eingefroren wurde.
Dass das Ölgeschäft für den Iran eine extrem wichtige Rolle spielt, ist unumstritten, auch wenn es sehr unterschiedliche Zahlen dazu gibt, wie abhängig das Land von den Ölexporten ist. Offiziellen Angaben zufolge ist die Wirtschaft des Landes zu 30 bis 35 Prozent auf Öleinnahmen angewiesen. Experten gehen jedoch von einem weit höheren Anteil aus. Einige sind der Meinung, dass der Iran rund 70 Prozent seiner Deviseneinnahmen mit dem Ölgeschäft erzielt. Tatsache ist, dass der starke Rückgang des Ölpreises die iranische Regierung veranlasst hat, ihren Haushaltsplan für das kommende iranische Kalenderjahr (21.03.2015 bis 20.03.2016) zu überarbeiten. Teheran kalkuliert nun mit einer durchschnittlichen Einnahme von 40 Dollar pro Barrel. Ursprünglich war man von einem Durchschnittspreis von 100 Dollar pro Barrel ausgegangen. Experten vermuten jedoch, dass angesichts der jüngsten Entwicklungen beim Ölpreis eine neue Korrektur nötig sein wird. Kein Problem, heißt es dazu aus Regierungskreisen. Die Regierung sei imstande, auch mit einem derartigen Ölpreis die Wirtschaft des Landes zu verwalten, so der iranische Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobakht Ende Dezember 2014.
Teheraner Zweckoptimismus
Anfang des Jahres wurde sogar ein Entwurf dem iranischen Parlament vorgelegt, der eine Abkopplung des Haushaltes von den Öleinnahmen vorsieht. Ein Unterfangen, das nur in ferner Zukunft und unter bestimmten Bedingungen umgesetzt werden könne, so der iranische Wirtschaftsexperte Ahmad Alavi im DW-Interview: "Man versucht schon seit fünfzig Jahren, die Abhängigkeit der iranischen Wirtschaft und des Haushalts von den Öleinnahmen zu reduzieren. Wenn wir aber auf die historische Entwicklung der iranischen Ökonomie zurückblicken, gibt es kaum Posten im Haushaltsplan, in der Binnenwirtschaft und im Außenhandel, die nicht auf die Erdöleinnahmen zurückzuführen sind".
Trotz der optimistischen Haltung, die die iranische Regierung derzeit an den Tag legt, wird sie nicht umhinkommen, neue Einnahmequellen zur ausgleichenden Finanzierung des künftigen Haushaltes zu erschließen. Manche Experten sehen den drastischen Fall des Ölpreises daher als eine Chance für den iranischen Präsidenten Hassan Rohani und seine Regierung, wichtige Wirtschaftsreformen voranzubringen. Im DW-Interview spricht Alireza Namvar Haghighi, Politikwissenschaftler an der University of Toronto, in diesem Zusammenhang von einem "chirurgischen Eingriff in die iranischen Wirtschaft". Zum einen gehe es darum, die vor allem unter dem Ex-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad entstandene überbordende Bürokratie zu entschlacken. Zum anderen wird derzeit über ein Gesetz nachgedacht, dass reiche religiöse Stiftungen und Institutionen besteuern soll, die alleine der Kontrolle des religiösen Führers, Ayatollah Ali Chamenei unterliegen. Bislang waren diese von einer Steuerzahlung befreit.
Undurchsichtige Stiftungen
Aus Sicht von Alireza Haghighi bildet dieses Gesetz einen ganz entscheidenden Punkt für den Erfolg der Reformen. Die Finanzen und Transaktionen dieser Stiftungen müssten endlich transparent gemacht werden. Die Einsparpolitik könne nur funktionieren, wenn die Regierung es mit einer einheitlichen Wirtschaftsgrundlage zu tun hat: "Wir können nicht zwei quasi unabhängige Wirtschaftsblöcke besitzen. Die Kontrolle und Übersicht über all der wirtschaftlichen Aktivitäten und all der Institution, die Gelder einnehmen muss bei der Regierung liegen". Bislang besitzt die Regierung bei zahlreichen Institutionen, etwa bei den Sepah Pasdaran (Revolutionsgarden) oder der Qods-Stiftung nicht einmal einen Überblick darüber, wie viele Gelder dort gebunden sind. Hinzu kommt, dass sich Rohani und seine Regierung bei all den Vorhaben mit einem Parlament auseinandersetzten muss, das fest in konservativer Hand ist.
Nicht nur innenpolitisch hat Rohani einen steinigen Weg vor sich. Auch außenpoltisch steht seine Regierung mit dem Rücken zur Wand. Zwar haben sich der Iran und die internationale Staatengemeinschaft in Form der 5+1-Gruppe vorgenommen, bis März 2015 zu einem Atomkompromiss zu kommen. Der sinkende Ölpreis setzt Teheran unter Zugzwang. Der Iran braucht mehr denn je einen Deal, um eine Lockerung oder gar die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen und an die eingefrorenen Gelder heranzukommen.
Die iranische Wirtschaft sei nun mal abhängig von Erdöleinnahmen, so Ahmad Alavi: "Durch den Verkauf von Erdöl nimmt der Iran dringend nötige Devisen ein. Ein Rückgang dieser Einnahmen wird unter anderem dazu führen, dass der Kurs für Dollar und andere ausländische Währungen im Iran steigt und auch die Güter teurer werden". Ohne diese Einnahmen werden ein Anstieg der Inflation und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit unvermeidbar sein, so der iranische Ökonom.