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Politik

Wer entführte den Deutschen im Niger?

Aarni Kuoppamäki
12. April 2018

Im Niger ist ein Deutscher entführt worden - möglicherweise von Islamisten. Die Afrikanische Union warnt schon länger, dass die Terrorgefahr durch IS-Rückkehrer wächst. Doch die Zusammenhänge sind komplex.

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Lehmhäuser in der Stadt Agadez im Norden des Niger
Der Entwicklungshelfer wurde im Norden des Landes entführtBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Sie kamen auf vier Motorrädern. Bewaffnete hielten am Mittwoch den Wagen des deutschen Entwicklungshelfers bei Ayerou im Norden Nigers an, verprügelten die Insassen und nahmen den Deutschen mit. Das Auto setzten sie in Brand. So berichten es lokale und internationale Medien unter Berufung auf örtliche Behörden und den Fahrer des Deutschen.

Im Interview mit der Deutschen Welle bestätigte auch der zuständige Landrat Jando Rhichi Algaher die Entführung des Deutschen. "In solch einem Fall verschränkt die Regierung nicht die Arme, sondern versucht alles, um die Geisel zu finden", so Algaher zur DW. Trotz der Bemühungen, die Region zu stabilisieren, gebe es noch einzelne Bewaffnete, die auf solch eine Gelegenheit warten würden, sagte der Landrat. Der Entwicklungshelfer arbeitet für die Hilfsorganisation Help, die im Niger Projekte zur Gesundheitsversorgung und Ernährungssicherung durchführt.

Laut dem Online-Portal ActuNiger sind Islamisten für die Entführung verantwortlich. Immer wieder gibt es in der Region um Ayerou Anschläge durch dschihadistische Gruppen. Ziele sind in der Regel militärische Einrichtungen und Flüchtlingslager. Bei einem Angriff aus dem Hinterhalt kamen am 4. Oktober vier amerikanische und vier nigrische Soldaten sowie ein Übersetzer ums Leben. Die Amerikaner hatten nach den Entführern eines 2016 verschwundenen US-Entwicklungshelfers gesucht. Am 21. Oktober wurden zwölf nigrische Polizisten bei einem Angriff auf eine Wache in Ayerou getötet.

Polizeibeamte auf einem blauen Geländewagen mit der Aufschrift "Police" in Nigers Hauptstadt Niamey
Sicherheitskräfte suchen nach dem EntführtenBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Auch in anderen afrikanischen Ländern gibt es immer wieder Anschläge durch islamistische Terroristen. In Somalias Hauptstadt Mogadischu wurden bei der Detonation zweier Bomben im Oktober mehr als 300 Menschen getötet. Im Februar entführten Islamisten mehr als 100 Schulmädchen aus dem Ort Dapchi in Nordostnigeria. Und im März attackierten Islamisten die Zentrale der Streitkräfte und die französische Botschaft in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou - 16 Menschen starben.

Wachsende Gefahr durch IS-Heimkehrer?

Manche Beobachter sehen in diesen Anschlägen einen gefährlichen  Trend. Im Dezember warnte der Kommissar der Afrikanischen Union für Frieden und Sicherheit, Smail Chergui, vor dem negativen Einfluss afrikanischer Dschihad-Rückkehrer. So hätten 6000 Afrikaner für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak gekämpft - und könnten nach den militärischen Misserfolgen des IS im Mittleren Osten zurückkehren. "Die Rückkehr dieser Leute nach Afrika stellt eine ernste Bedrohung für unsere nationale Sicherheit und Stabilität dar", sagte Chergui. Zu ihrer Bekämpfung sei eine intensive Zusammenarbeit afrikanischer Länder notwendig.

Die Folgen sind schon sichtbar, meint der Chef der UN-Mission in Mali: "Wenn wir die Sprengstoffe, die Minen, Munition und Waffen untersuchen, die verwendet werden, sagen unsere Fachleute, dass dafür eine recht hohe Fachkenntnis erforderlich ist, die die Islamisten bisher nicht besaßen", so Mahamat Saleh Annadif  im Februar. Wahrscheinlich komme die Unterstützung für die Extremisten aus Libyen ins Land. Finanzmittel gewännen sie unter anderem durch Lösegelder nach Entführungen und den Schmuggel mit Drogen und Migranten.

Kanzlerin Merkel mit Nigers Präsident Issoufou bei einem Besuch 2016
Deutschland arbeitet eng mit Niger zusammenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Doch nicht alle Experten sind überzeugt, dass IS-Rückkehrer für die zunehmende  Bedrohungslage verantwortlich sind . Es seien vor allem Tunesier, die aus Afrika nach Syrien oder in den Irak gereist seien, um für den IS zu kämpfen, und nur sehr wenige Islamisten aus Ländern südlich der Sahara, sagt der Konfliktforscher Marc-Antoine Pérouse de Montclos vom Entwicklungsforschungsinstitut IRD in Paris. Die Beweise dafür, dass die Rückkehrer einen Einfluss auf organisierte Terrorgruppen in Afrika hätten, seien sehr dünn. Und auch die kolportierte Zahl von 6000 sei fragwürdig. Es gebe keine Dschihadisten-Liste und auch keine andere Quelle, daher müsse man hier sehr vorsichtig sein.

Terrorbekämpfung als Geschäft

Die Lage werde vorsätzlich dramatisiert, sagt Pérouse de Montclos im DW-Interview: "Der Krieg gegen den Terror ist auch ein Geschäft". Weil vor allem europäische Länder keine eigenen Soldaten nach Afrika schicken wollten, unterstützten sie die Afrikanische Union oder einzelne Nationen, die daran gut verdienten. "Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um diplomatisches Kapital. Denn wenn wir zum Beispiel mit dem Tschad verbündet sind, werden wir uns mit Kritik an ihren Menschenrechtsverstößen zurückhalten, denn sie helfen uns ja, den Terrorismus und illegale Einwanderung zu bekämpfen."

Auch Deutschland baut auf Sicherheitskooperationen in Afrika und beteiligt sich mit rund 1000 Soldaten an der UN-Mission in Mali. Die Luftwaffe betreibt einen Stützpunkt in Nigers Hauptstadt Niamey. Und am Mittwoch beschloss die Bundesregierung die Verlängerung und Ausweitung des Mandats für deutsche Soldaten, die an der Europäischen Trainingsmission EUTM in Mali teilnehmen. Künftig soll die Bundeswehr auch Soldaten in den Sektor-Hauptquartieren der afrikanischen Eingreiftruppe G5-Sahel beraten und ausbilden - voraussichtlich in Mauretanien, im Tschad und Niger. Fast zeitgleich wurde der deutsche Entwicklungshelfer im Niger entführt.

DW MA-Bild Aarni Kuoppamäki
Aarni Kuoppamäki Program Director Displacement and Crisis Preparedness