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Friedensgespräche auf wackligen Beinen

Jan-Philipp Scholz23. August 2016

Seit Monaten verübt sie Anschläge auf Ölkonzerne - jetzt ist die Rebellengruppe NDA zu Gesprächen mit Nigerias Regierung bereit. Doch Beobachter sind skeptisch, ob diese auch langfristig Erfolg haben werden.

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Rebellen patroullieren in einem Boot im Nigerdelta, Nigeria (Foto: EPA)
Seit Jahrezehnten kämpfen Rebellengruppen im Nigerdelta für ihren Anteil an den ÖleinnahmenBild: picture-alliance/dpa

Die Ankündigung des Rebellensprechers kam überraschend: Noch vor wenigen Wochen hatte Mudoch Adbinido auf der Website der "Rächer des Nigerdelta" (Niger Delta Avengers, NDA) der nigerianischen Regierung mit der Abspaltung der erdölreichen Region im Süden des Landes gedroht. Sollte Präsident Muhammadu Buhari seine "fehlgeleitete Politik" fortsetzen, dann werde man das Nigerdelta am ersten Oktober für unabhängig erklären.

Am vergangenen Samstag dann der Sinneswandel: Der NDA-Sprecher teilte in einer Internet-Botschaft mit, die Rächer des Nigerdeltas seien bereit, sich mit der nigerianischen Regierung, Vertretern der Heimatländer der Ölkonzerne und unabhängigen Vermittlern an einen Tisch zu setzen.

Die nigerianische Wirtschaft ins Herz getroffen

Dirk Steffen beobachtet seit langem für die dänische Sicherheitsfirma "Risk Intelligence" die Gefahrenlage im Nigerdelta. Für ihn zeigt das Verhalten der NDA, dass sich die bisherige Herangehensweise der nigerianischen Regierung nun auszahle. "Man setzt ganz klar auf eine Einkreisungsstrategie", erklärt der Analyst. Indem die Regierung mit anderen Rebellengruppen in der Region spreche und auf diese zugehe, versuche sie, die NDA zunehmend zu isolieren. Hinzu komme militärischer Druck, der die Rebellen weiter in die Enge treibe.

Militär-Patrouillen im Niger-Delta (Foto: DW)
Präsident Buhari setzt auch auf die Unterstützung des Militärs, um die NDA zu Gesprächen zu bewegenBild: DW/M. Bello

Seit einem halben Jahr verüben die NDA Anschläge auf Anlagen und Pipelines von Ölkonzernen - und habt dabei bereits einen massiven volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet. Das Erdöl ist die Haupteinnahmequelle Nigerias: Mehr als zwei Drittel der Staatseinnahmen hängen von Ölexporten ab. Laut Zahlen der Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC) sind diese Einnahmen aufgrund der Anschläge seit Jahresbeginn um mehr als 20 Prozent zurückgegangen.

Das Ende des erkauften Friedens

Die Unruhen im Nigerdelta stehen in einer langen Tradition: Bereits vor den NDA gab es dutzende Rebellengruppen, die von sich behaupteten, für eine gerechtere Verteilung der Erdöleinahmen zu kämpfen. 2009 rief der damalige Präsident Umaru Musa Yar'Adua ein milliardenschweres Amnestieprogramm für die Kämpfer ins Leben. Rebellen, die bereit waren, ihre Waffen niederzulegen, bekamen finanzielle Unterstützung und Weiterbildungsangebote. Einige wurden sogar zum Studieren ins Ausland geschickt. Alleine im vergangenen Jahr kostete das den nigerianischen Staat umgerechnet rund 200 Millionen Euro.

"Leute, die vorher nie aus ihrem Dorf herauskamen, die noch nicht einmal ein Auto gesehen hatten, konnten plötzlich nach Südafrika und die die USA reisen", erinnert sich John Ebi voller Begeisterung. "Viele haben so erst Lesen und Schreiben gelernt. Ihre ganze Denkweise hat sich dadurch verändert." Auch Ebi hat sich damals als einer von mehr als 30.000 Rebellenkämpfern für das Amnestieprogramm entschieden. Bis heute bekommt er deshalb eine monatliche Zahlung von umgerechnet rund 200 Euro.

Ölverschmutzung durch Ölpipelines im Nigerdelta (Foto: picture-alliance/dpa)
Durch die Sabotage von Anlagen der Ölindustrie setzen die Rebellengruppen Nigerias Wirtschaft unter DruckBild: picture-alliance/dpa

Doch in den vergangenen Monaten kamen die Zahlungen nur noch unregelmäßig. Präsident Buhari hat bereits angekündigt, das Amnestieprogramm bis 2018 komplett auslaufen lassen zu wollen. Genau aus dem Grund hätten sich viele seiner ehemaligen Mitkämpfer nun den NDA angeschlossen, erklärt Ebi: "Wir müssen doch unsere Rechnungen zahlen. Deshalb gehen viele jetzt wieder zurück in den Busch."

Nobelvillen auf Staatskosten

Außerhalb des Nigerdeltas trifft Buharis Entscheidung, das Amnestieprogramm zurückzufahren, auf weit mehr Verständnis. In seiner aktuellen Form werde das Programm von Korruption zerfressen, so die Gegner der Zahlungen. In der Tat: Nur wenige Kilometer von John Ebis bescheidener Unterkunft in der Stadt Yenagoa im Herzen des Nigerdeltas haben sich zahlreiche ehemalige Anführer der Rebellion prachtvolle Villen gebaut. Hinter vorgehaltener Hand erzählen die Anwohner des Ortes, woher ein Großteil des Geldes komme: Viele der einfachen Ex-Kämpfer wie Ebi bekämen nur einen Bruchteil ihrer monatlichen Amnestiegelder ausgezahlt - der Rest gehe an ihre ehemaligen Kommandeure.

Anstatt die ehemaligen Kämpfer direkt zu auszahlen, gebe es inzwischen vielversprechende neue Ansätze der Regierung, Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte im Nigerdelta zu fördern, sagt Nigerdelta-Analyst Steffen. Viel wichtiger für einen dauerhaften Frieden in der Region sei aber ein "politischer Kulturwandel" in ganz Nigeria: In den vergangenen fünfzehn Jahren sei Politik in dem Land zu einem Instrument verkommen, Geld an Unterstützer zu verteilen - unabhängig von der erbrachten Leistung. Diese Mentalität habe sich auch in weiten Teilen der Bevölkerung festgesetzt, so Steffen. "Davon muss man unbedingt wegkommen."