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Nigeria: Bald zwei Jahre Gefängnis für einen Läster-Tweet?

Gwendolin Hilse5. Dezember 2015

Der Senat plant ein Mediengesetz, das Nutzer sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter wegen Falschaussagen belangen will. Klingt nach staatlicher "Netiquette", ist aber eine grobe Einschränkung der Meinungsfreiheit.

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Symbolbild Afrika Presse
Bild: picture-alliance/dpa/M. Schmidt

Es ist ein "Verbot von leichtfertigen Petitionen und anderen damit verbundenen Angelegenheiten" - so der kuriose Titel eines Gesetzvorhabens, dass der Senat nun in der zweiten offiziellen Lesung anerkannt hat. Damit ist es ein Stück wahrscheinlicher geworden, dass der umstrittene Entwurf Realität wird.

Sollte er tatsächlich verabschiedet werden, kann die bewusste Veröffentlichung von Falschinformationen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldbußen bis zu 18.000 Euro geahndet werden. Explizit werden neben traditionellen Medien wie Rundfunk und Zeitungen auch Textnachrichten, Whatsapp-Nachrichten, Tweets oder "andere Social Media Posts" genannt. Zudem sollen alle "Petitionen" und "Darstellungen", die sich auf das Verhalten von Einzelpersonen, Personengruppen, aber vor allem gegen Personen im öffentlichen Dienst und Regierungsinstitutionen richten als ungesetzlich erklärt werden - solange nicht vor dem Gerichtshof eine eidesstattliche Erklärung abgelegt wird.

Meinungen über das geplante Gesetz gehen auseinander

"Wenn es wirklich nur um die Bestrafung von Falschinformationen geht, dann sollten sie das Gesetz durchsetzen", sagt Laniyan Olumide, Besitzer eines Internetcafés in Lagos. "Aber eigentlich haben wir größere Probleme in Nigeria, auf die sich die Politiker konzentrieren sollten." Auch Auwalu Muazu begrüßt das Vorhaben des Senats. "Während es für die traditionellen Medien Gesetze und Regulierungen gibt, haben wir so etwas nicht für soziale Medien. Das ist ein großes Problem." Viele Menschen würden die Anonymität und Redefreiheit des Internets maßlos ausnutzen, so der Redakteur der nigerianische Zeitung Daily News Stream weiter. "Deshalb sehe ich es nicht als Eingriff in die Meinungsfreiheit. Ich denke auch nicht, dass dies die Absicht der Abgeordneten ist."

Symbolbild - Handys in Afrika
Auch Handy-Nutzer stehen unter BeobachtungBild: Getty Images

Doch Menschenrechtsorganisationen und Blogger schlagen Alarm: Sie befürchten einen massiven Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit in Afrikas bevölkerungsreichstem Land. Die 'Organisation für Sozioökonomische Rechte und Rechenschaftspflicht', eine Gruppe in Nigeria, die sich für Transparenz und Menschenrechte engagiert, habe sich bereits an die Vereinten Nationen gewandt um dieses Vorhaben zu stoppen, sagte einer ihrer Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Sorge um Pressefreiheit

Unter den Bloggern und Onlineaktivisten herrsche jetzt schon eine gewisse Unruhe, erzählt Aliyu Tilde, selbst Blogger und Kolumnist. "Ich denke, dass ist genau das, was der Senat erreichen will. Sie wollen die Menschen einschüchtern und ein Werkzeug generieren, mit dem sie diejenigen bestrafen können, die schlecht über sie reden." Mittlerweile hätten mehr als 17 Millionen Nigerianer Zugang zum Internet und sozialen Netzwerken, was den korrupten Eliten Angst mache - das seien dieselben die für diesen Entwurf stimmen.

Afrika Computer Schüler aus Johannesburg 2013
Kritische Kommentare im Internet können gefährlich werdenBild: Alexander Joe/AFP/Getty Images

"Es gibt keinen Zweifel, dass im Internet auch viele Falschinformationen kursieren, aber ich denke, dass unsere vorhandenen Gesetze da eingreifen können." In der Tat steht es jeden Nigerianer zu, bei Verleumdung, übler Nachrede oder Beleidigung den Urheber vor Gericht zu bringen. 'Reporter ohne Grenzen' zeigt sich besorgt: "Ein Gesetz, das die Verbreitung vermeintlich verleumderischer Anschuldigungen speziell in den sozialen Medien unter Haftandrohung stellt, wäre brandgefährlich", so Christoph Dreyer, Pressereferent der Organisation im DW-Gespräch. "Verbote vermeintlich falscher Äußerungen widersprechen internationalen Menschenrechtsstandards, denn sie laden regelrecht dazu ein gegen abweichende Meinungen und kritische Medienveröffentlichungen vorzugehen." Medienfreiheit sei ein Menschenrecht und lasse sich nicht gegen andere Grundrechte ausspielen, so Dreyer.

Nigeria belegt aktuell Platz 111 von 180 auf dem Index für Pressefreiheit von 'Reporter ohne Grenzen'. Die Organisation beschreibt die nigerianische Medienlandschaft zwar als lebendig und pluralistisch, sieht das Land aber zugleich auch als "eines der gefährlichsten Länder Afrikas für Journalisten." Immer wieder hindern Polizei und Sicherheitsbehörden Journalisten an freier Berichterstattung, halten Medienschaffende fest oder beschlagnahmen Zeitungen und Ausrüstung. Auch die radikal islamische Terrormiliz Boko Haram verübt immer wieder gezielte Anschläge auf Redaktionen und Medienmacher.

Regierung arbeitet gegeneinander

Vergangene Woche noch hat der nigerianische Informationsminister Lai Mohammed beteuert "die Regierung beabsichtigt nicht, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken." Auch wolle sie die sozialen Netzwerke nicht regulieren oder eindämmen. Präsident Muhammadu Buhari, der als Militärdiktator in den 80er Jahren noch hart gegen Kritiker vorgegangen ist, versprach bei seinem Amtsantritt im Frühjahr dieses Jahres, dass er sich für eine freie Presse einsetzen werde. Zu dem umstrittenen Mediengesetz hat er sich bisher nicht geäußert. Doch auch er könnte es im Zweifelsfall nicht stoppen.

Präsident von Nigeria Muhammadu Buhari
Präsident Buhari schweigt zu dem umstrittenen GesetzBild: picture-alliance/AP Photo/S. Alamba

"Der Senat hat die Macht Gesetzte zu verabschieden. Auch wenn der Präsident sie nicht unterschreibt, haben sie die Möglichkeit in einem zweiten Anlauf das Gesetz ohne seine Einwilligung durchzusetzen", erklärt Blogger Aliyu Tilde. "Der Senat, der diesen Gesetzesentwurf verabschieden will, arbeitet nicht Hand in Hand mit Präsident Buhari."

Cléa Kahn-Sriber, Leiterin der Afrika-Abteilung von 'Reporter ohne Grenzen' appelliert an die nigerianischen Senatoren, das Gesetz zu verwerfen. "Die begriffliche Unschärfe dieses Gesetzesentwurfs schafft eine unsichere Umgebung für Journalisten und Bürgerjournalisten, die Vorwürfen zu öffentlichen Personen nachgehen wollen." Kolumnist Aliyu Tilde bezweifelt, dass sich das Gesetz lange halten wird, sollte es verabschiedet werden. "Wir hatten in Nigeria schon eine Reihe von Gesetzen, die direkt nach der Einführung wieder verworfen wurden. Spätestens wenn 2019 Wahlen anstehen, wollen dieselben Senatoren, die für dieses Gesetz gestimmt haben, die sozialen Netzwerke für ihren Wahlkampf nutzen."