Nigeria will seine Bronzen zurück
26. Januar 2018Ikhuehi Omonkhua steht an der Eingangstür des Nationalmuseums von Benin City und begrüßt die Besucher. Das Museum wurde 1973 eröffnet, ist mittlerweile komplett renoviert und eines der bekanntesten und modernsten in ganz Nigeria. Mit großer Begeisterung erklärt Omonkhua den Aufbau der Ausstellungen, um sich anschließend besonders viel Zeit für den ersten Abschnitt zu nehmen: die uralten Bronzen, die aus der Region des heutigen Bundesstaates Edo stammen.
Es sind quadratische und rechteckige Tafeln, die etwas größer sind als ein Blatt Briefpapier. Sie zeigen Alltags- und Kriegsszenen. Unter den Ausstellungsstücken ist auch der Kopf einer Frau. Alle sind sehr detailgetreu ausgearbeitet. An manchen Tafeln sind im Laufe der Jahrhunderte die Ecken abgebrochen. Dennoch sind sie gut erhalten. "Die ersten Bronzen wurden in Benin etwa 1288 angefertigt", erklärt Ikhuehi Omonkhua. "Mit ihnen haben sich kulturelle Aktivitäten im Palast dokumentieren lassen. Die Nutzung dieser Bronzen war das exklusive Recht des Königs."
Bronzen "am falschen Ort"
Den König, den Oba von Benin, gibt es bis heute. Nur sind die allermeisten der bekannten Bronzen nicht mehr in Afrika. Vor dem einen oder anderen Ausstellungsstück bleibt Omonkhua zwar stehen und erklärt die Bedeutung der jahrhundertealten Platte. Die weitaus bekannteren wurden aber während der Kolonialzeit geraubt und sind heute in europäischen Museen, unter anderem im British Museum in London, im Grassimuseum für Völkerkunde in Leipzig und im Weltmuseum in Wien zu sehen. Insgesamt wurden mehr als 3000 Skulpturen während der Benin-Expedition im Jahr 1897 geraubt. Daran beteiligt waren Geschäftsleute und Vertreter der britischen Regierung, die damals Kolonialmacht im heutigen Nigeria war. In Europa angekommen, wurden die meisten Arbeiten von Museen ersteigert.
Was viele Jahrzehnte lang nicht zu einem offiziellen Diskurs geführt hat, wird mittlerweile in Nigeria immer stärker thematisiert. Besonders engagiert ist Theophilus Umogbai, Kurator des Museums von Benin City. Ein Grund dafür ist ein sehr persönliches Erlebnis. Ausgerechnet in England sah er die Kunstwerke seiner Vorfahren zum ersten Mal: "Plötzlich sah ich sie. Ich habe sogar Fotos mit ihnen im Hintergrund gemacht. Ich war sehr bewegt, was die übrigen Besucher um mich herum gar nicht gespürt haben. Ich war glücklich, aber auch wieder nicht: Sie waren am falschen Ort."
Leihgaben sind keine Option
Das Ziel des Kurators ist es deshalb, die Bronzen zurück nach Nigeria zu bringen. Eine Plattform dafür könnte die Benin-Dialog-Gruppe sein, in der sich verschiedene Museen in Europa sowie Nigerias nationale Kommission für Museen und Monumente zusammengeschlossen haben. Das wohl eindrücklichste Treffen fand 2016 an der Universität von Cambridge statt und wurde von Protesten afrikanischer Studenten überschattet. "Ein Hahn aus Bronze, sehr wichtig und ein Symbol der Königsmutter, wurde jahrelang offen in der Halle in Cambridge ausgestellt", erzählt Theophilus Umogbai. "Das ist eine Beleidigung für uns."
Inzwischen ist der Hahn nicht mehr im Jesus College zu sehen, das zur Universität von Cambridge gehört. Zurück in Nigeria ist er damit aber noch lange nicht. "Es ist gut, dass wir den Dialog aufrecht erhalten", sagt Umogbai. Gleichzeitig fordert er eine wirkliche Bereitschaft zur Rückgabe ein. Doch die Frage, wem Raubkunst gehört, ist meist nicht einfach zu beantworten. Im Fall der Benin-Bronzen ist nun eine Ausstellung in Nigeria im Gespräch. Für den Kurator in Benin City ist das aber ein falscher Ansatz: "Wie kann man uns die Bronzen geben und dann wieder wegnehmen? Das macht es nur schlimmer. Es ist wie eine verheilte Wunde, die jemand wieder mit einem scharfen Messer öffnet."
Offizielle Entschuldigung bleibt aus
Die Ausstellung im Nationalmuseum von Benin City zeigt neben den wenigen Bronzen auch frühe Fotografien aus der Region und bringt Kunst aus verschiedenen Teilen Nigerias zusammen. Täglich verzeichnet das Museum 50 bis 70 Einzelbesucher. Dazu kommen Gruppen, vor allem Schulklassen. Zu den regelmäßigen Gästen gehört Omoruyi Charles Irene, ein junger, schmaler Mann im roten Hemd: "Als jemand aus Benin City macht es mich besonders traurig, zu sehen, dass Leute gekommen sind und alles mitgenommen haben", sagt er, um dann wieder die Tafel mit einer Szene aus dem Palast des Oba - des Königs - zu betrachten.
Den jungen Mann ärgert aber noch etwas anderes: "Soweit ich weiß, gab es nicht einmal eine offizielle Entschuldigung." Museumsmitarbeiter Ikhuehi Omonkhua nickt. Was dem Museum geblieben ist, ist eine verschwommene Schwarz-Weiß-Aufnahme aus dem späten 19. Jahrhundert. Sie zeigt, wie die einige der Bronzen auf einen sandigen Platz gelagert wurden: mitten in der Sonne, mitten in der Stadt und nicht im heiligen Königspalast. Anschließend traten sie ihre Reise nach England an.