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Polio-Erkrankungen in Nigeria

Benjamin Mack, Nadina Schwarzbeck28. Oktober 2012

Die Zahl der Polio-Erkrankungen weltweit ist 2012 deutlich zurückgegangen. An den Kampagnen zur Bekämpfung der Krankheit beteiligt sich auch Nigeria. Noch ist die Zahl der Erkrankungen dort hoch.

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Kind bekommt Polio-Impfstoff in Nigeria (Global Polio Eradication Initiative).
Bild: Global Polio Eradication Initiative

Am Welt-Polio-Tag gibt es Grund zur Freude. Denn die weltweiten Kampagnen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind erfolgreich: Poliomyelitis, auch bekannt als Kinderlähmung, steht vor der Auslöschung. Die Zahl der Neuerkrankungen lag 2011 bei 650 - nicht mal ein Hundertstel der Erkrankungen im Jahr 1988.

Polio ist eine Viruserkrankung des Nervensystems. Der Virus kann innerhalb weniger Stunden zu einer vollständigen Lähmung führen. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr sind aber schon einzelne Fälle eine Gefahr für die Gesellschaft. 2012 wurden bislang weniger als 200 Fälle registriert - rund die Hälfe davon allerdings allein in Nigeria, die meisten im Norden des Landes.

Kind in Nigeria wird nach Polio-Impfung mit Stift markiert (Global Polio Eradication Initiative).
Nach der Impfung erhalten die Kinder eine MarkierungBild: Global Polio Eradication Initiative

Viele wollen nicht geimpft werden

Die Situation beunruhigt auch Politiker vor Ort. Einer von ihnen, Umaru Pate, ist durch ganz Nigeria gereist, um die Polio-Epidemie zu erforschen. Auf seinen Reisen konnte er zwei Gruppen von Menschen ausmachen, die von den Impfkampagnen nicht erreicht werden. "Zur ersten Kategorie gehören die, die aus geografischen Gründen nicht zu erreichen sind. Und zur zweiten gehören diejenigen, die zwar in der Stadt leben, aber gegen Impfungen sind." Pate ist Vorsitzender der Kommunikationsabteilung an der Maiduguri Universität im Nordosten Nigerias. In diesem Teil Nigerias ist der Einfluss durch Islamisten so stark, dass westliche Werte von den meisten Menschen abgelehnt werden. Das führt auch dazu, dass das Misstrauen gegenüber Impfungen groß ist.

Boko Haram sabotiert Impfkampagnen

Boko Haram, eine islamistische Terrororganisation, heizt das Misstrauen weiter an. Sie verbreitet in Nordnigeria nicht nur Tod und Schrecken, sondern bekämpft auch die Impfkampagnen. Erst vor zwei Wochen wurden in der Stadt Maiduguri zwei Polizisten, die ein Impf-Team begleiteten, erschossen. Die Täter sollen in Verbindung zu Boko Haram stehen. Die Terrororganisation behauptet, dass die Polio-Impfung bei Kindern zu Unfruchtbarkeit führen würde. Damit nicht genug: In Pakistan, so wird verbreitet, sei eine Polio-Impfkampagne Teil eines geheimen CIA-Komplotts gewesen, um den Aufenthaltsort von Osama Bin Laden ausfindig zu machen, 

Videoausschnitt zeigt Boko-Haram-Führer Imam Abubakar Shekau mit Maschinengewehren(AP Photo).
Boko Haram kämpft gegen westlichen Einfluss in NordnigeriaBild: AP

Aber es gibt auch Muslime, die Polio-Impfungen unterstützen. Einer von ihnen ist Al-Deen Abubakar. Der Imam war früher gegen Impfungen. Inzwischen hat er seine Meinung geändert: "Ich bin verantwortlich für meine Gemeinde. Darum habe ich verstanden, dass Polio gefährlich ist und bekämpft werden muss", meint der Geistliche.

Impfkampagnen sind nicht gut geplant

Oliver Rosenbauer, Sprecher der Globalen Initiative zur Auslöschung von Polio der WHO, kennt die Situation in Nordnigeria gut. Er sieht das Misstrauen der Bevölkerung nicht als einziges Problem im Kampf gegen Polio. Organisatorische Schwierigkeiten kämen hinzu: "Es gibt nicht genug Karten, um zu sehen, wo die Leute wohnen, und es gibt zu wenig Eis, um die Impfstoffe zu kühlen", erklärt Rosenbauer gegenüber der DW. Außerdem würden die Impfkampagnen nicht professionell durchgeführt.

Polio-Impfstoffe und technisches Zubehör in Nigeria
Impfkampagnen sind organisatorisch sehr aufwändigBild: Global Polio Eradication Initiative

Neue Versuche, Polio zu besiegen

An Polio kann man zwar in jedem Alter erkranken, am häufigsten aber sind Kinder betroffen. Und weil fast 50 Millionen Nigerianer jünger als fünf Jahre sind, könnte die Krankheit zu einem noch viel größeren Problem werden. Das hat auch die Regierung erkannt. Nigerias Präsident Goodluck Jonathan startete im März eine Kampagne gegen die Infektionskrankheit. In Südnigeria hatte sie Erfolg - der islamisch geprägte Norden bleibt aber weiterhin ein schwieriges Terrain für die Impfbefürworter. Die Weltgesundheitsorganisation glaubt trotzdem, dass sie die Krankheit dort bezwingen kann. Ein Vorbild ist Indien: Wo es einst die meisten Polio-Fälle weltweit gab, erschien es zunächst unmöglich, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Doch mittlerweile ist das Land seit mehr als einem Jahr poliofrei. In Nigeria will die WHO das mit einem neuen Aktionsplan schaffen. Er soll in den nächsten vierzehn Monaten durchgeführt werden - nur die Finanzierung ist noch nicht gesichert.

Präsident Goodluck Jonathan
Präsident Goodluck Jonathan will Polio besiegenBild: Katrin Gänsler