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Nike statt Adidas - DFB-Entscheidung schlägt hohe Wellen

22. März 2024

Nach über 70 Jahren wechselt der DFB den Ausrüster der Nationalmannschaften. Die Entscheidung für Nike und gegen Adidas sorgt in Deutschland für heftige Diskussionen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

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Adidas-Trikot des DFB-Teams, darauf liegt eine Textilie mit dem Nike-Logo.
Die Partnerschaft zwischen DFB und Adidas endet 2027, dann übernimmt NikeBild: picture alliance/dpa/Revierfoto

Warum wechselt der DFB nach über 70 Jahren den Ausrüster?

Die Entscheidung für Nike sei das "Ergebnis einer transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibung", ließ der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wissen. "Nike hat das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben und zudem mit seiner inhaltlichen Vision überzeugt." Der US-Konzern werde nicht nur alle DFB-Nationalteams ausstatten, sondern auch den Amateurfußball fördern und mit dafür sorgen, dass sich der Frauenfußball in Deutschland nachhaltig weiterentwickle. Eine genaue Summe, wie viel Nike in der Vertragslaufzeit von 2027 bis 2034 an den DFB überweisen wird, nannte der Verband nicht. Nach Medienberichten soll der DFB mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr kassieren - etwa doppelt so viel, wie er angeblich derzeit vom Ausrüster Adidas erhält.

Wie wichtig sind für den DFB die Einnahmen aus dem Ausrüstervertrag?

Der DFB ist mit mehr als 7,3 Millionen Mitgliedern der größte Sport-Einzelverband der Welt. Das bedeutet aber keineswegs, dass er im Geld schwimmt. Vielmehr steckt der DFB in einer finanziellen Krise. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen die sportliche Krise der Männer-Nationalmannschaft: Bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 scheiterte das DFB-Team jeweils bereits in der Gruppenphase, bei der Europameisterschaft 2021 im Achtelfinale.

Frustrierte deutsche Nationalspieler auf der Bank - während des letzten Spiels bei der WM in Katar.
Die zuletzt enttäuschenden Leistungen des DFB-Teams kosteten den Verband viel GeldBild: Frank Hoermann/Sven Simon/IMAGO

An Prämien flossen dadurch nur 27 Millionen Euro an den DFB. Zum Vergleich: Zwischen 2010, als Deutschland WM-Dritter wurde, und 2014, als das DFB-Team die Weltmeisterschaft gewann, kassierte der Verband 61 Millionen Euro. Zum anderen drohen durch Steuerstrafverfahren Verluste in zweistelliger Millionenhöhe. Und zusätzlich knabbert der Verband auch noch an den explodierten Kosten des DFB-Campus. Der Neubau der Verbandszentrale in Frankfurt am Main, die 2022 eröffnet wurde, verschlang rund 180 Millionen Euro. Das war doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt.

Was bedeutet die DFB-Entscheidung für Adidas und Nike?

Für Nike, den weltweit führenden Sportartikelanbieter, ist der Vertragsabschluss ein spektakulärer Erfolg, weil die Allianz zwischen DFB und Adidas als unantastbar galt. Nike-Konzernchef John Donahoe sprach von einem "großartigen Beweis dafür, dass uns niemand schlagen kann, wenn wir unser Bestes bringen". 2023 hatte der Konzern einen Umsatz von mehr als 51 Milliarden US-Dollar (rund 47 Milliarden Euro) gemacht, ein Plus von zehn Prozent gegenüber 2022. Der Gewinn war allerdings gefallen, von sechs Milliarden im Vorjahr auf fünf Milliarden Dollar.

Franz Beckenbauers Adidas Fußballschuh, den er bei der WM 1970 trug
Auch Franz Beckenbauer trug Adidas - hier sein Schuh von der WM 1970Bild: Jürgen Fromme/augenklick/firo/picture alliance

Für Adidas bedeutet der Verlust einen weiteren Rückschlag in wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeiten. 2023 sank der Umsatz leicht auf rund 21,4 Milliarden Euro. Erstmals seit über 30 Jahren rutschte der Konzern in die roten Zahlen: Der Verlust lag bei rund 75 Millionen Euro. Einer der Gründe war das Ende der einst lukrativen Zusammenarbeit mit dem US-Skandal-Rapper Kanye West. Adidas hatte sich 2022 von West getrennt, nachdem sich der Rapper mehrfach rassistisch und antisemitisch geäußert hatte.

Wie ist das Echo in Deutschland?

Vor allem aus der deutschen Politik kommen zahlreiche kritische Stimmen. "Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von der Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen. "Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht."

Ähnlich äußerte sich der bayrische Ministerpräsident Markus Söder. Der Adidas-Stammsitz - die Kleinstadt Herzogenaurach nahe Nürnberg - liegt in Bayern. Die Entscheidung gegen Adidas und für Nike sei "falsch, schade und unverständlich", schrieb der CSU-Politiker auf dem Portal X. "Deutscher Fußball ist Heimat pur - und kein Spielball internationaler Konzernkämpfe. Kommerz ist nicht alles. Mehr Geradlinigkeit hätte dem DFB trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen gut zu Gesicht gestanden." 

Warum sorgt der Deal für so viel Aufregung?

Weil die Erfolgsgeschichte des deutschen Fußballs nach dem Zweiten Weltkrieg so eng mit Adidas verbunden ist. Damit ist es für viele Menschen in der Fußball-Nation Deutschland auch eine emotionale Angelegenheit. Als die Nationalmannschaft 1954 in der Schweiz sensationell die Weltmeisterschaft gewann, war Adidas-Gründer Adi Dassler Zeugwart des Teams. Die von dem Unternehmen entwickelten neuen Fußballschuhe mit Schraubstollen waren Teil des "Wunders von Bern": Sie sorgten dafür, dass die deutschen Spieler auf dem vom Regen durchweichten Rasen mehr Standfestigkeit hatten als die eigentlich favorisierten Ungarn.

Adi Dassler nach dem WM-Finale 1954 an der Seite der "Helden von Bern": Bundestrainer Sepp Herberger, Kapitän Fritz Walter (mit WM-Pokal) und Torwart Toni Turek
Adi Dassler (l.) an der Seite der "Helden von Bern": Bundestrainer Sepp Herberger, Kapitän Fritz Walter (mit WM-Pokal) und Torwart Toni Turek Bild: picture-alliance/Pressefoto Baumann

Auch bei den drei weiteren WM-Triumphen Deutschlands 1974, 1990 und 2014 trugen die deutschen Spieler Schuhe und Trikots mit den drei Streifen, dem Markenzeichen von Adidas. 2006 und 2007 hatte Nike mit sehr lukrativen Angeboten schon einmal versucht, den DFB abzuwerben - ohne Erfolg. Zu groß war die Macht von Adidas. Der Rekordmeister FC Bayern München drohte sogar damit, keine Spieler mehr für die Nationalmannschaft abzustellen, sollte der DFB sich für Nike entscheiden. Adidas hält gut acht Prozent der Anteile an dem Verein. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter