Louise Glück: Nobelpreis für "intime Stimme"
10. Dezember 2020Anders Olsson von der für den literarischen Preis zuständigen Schwedischen Akademie stellte Louise Glücks poetische Arbeit am Donnerstag (10.12.2020) auf einer feierlichen Online-Zeremonie zu Ehren der Preisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Wirtschaftswissenschaften nochmal vor.
Die normalerweise sehr prunkvolle Preiszeremonie in Stockholm fand wegen der Corona-Pandemie diesmal in deutlich kleinerem Rahmen und ohne Preisträger vor Ort statt. Das anschließende Bankett war bereits vor längerem abgesagt worden.
Ihre Nobel-Medaille und auch die Urkunde der Schwedischen Akademie hatte Louise Glück bereits am Sonntag bei sich zu Hause in den USA in Empfang genommen, Filmaufnahmen davon wurden während der Online-Zeremonie gezeigt.
Glücklicher Empfang der Nobel-Medaille
Louise Glück steht in ihrem verschneiten Garten. Sie trägt einen Mantel und einen dunklen Mundschutz, was der 16. weiblichen Gewinnerin des Literaturnobelpreises einen feierlichen, aber auch etwas strengen Ausdruck verleiht. Die Trophäe hält sie vor sich in die Kamera. Im Corona-Jahr 2020 verzichtet die Schwedische Akademie auf die traditionell prunkvolle Zeremonie in Stockholm, bei der sonst auch der schwedische König und die Königin anwesend sind.
Stattdessen verlieh sie die Medaillen an Ausgezeichnete wie Louise Glück in ihrem Zuhause in den USA. Die 77-Jährige veröffentlichte ihre Nobelpreisvorlesung, die traditionelle Dankesrede, bereits am Montagabend in schriftlicher Form. Nachzulesen ist sie auf der Webseite der Nobelstiftung. "Ich glaube, dass die Schwedische Akademie mit meiner Auszeichnung die intime, private Stimme ehrt, die durch öffentliche Äußerungen manchmal verstärkt oder erweitert, aber niemals ersetzt werden kann", schrieb die US-Lyrikerin.
Glücks Vorbilder: Dickinson und Blake
Diese intime Stimme prägt auch das Werk ihrer Vorbilder: der Lyrik von Emily Dickinson und William Blake. Von ihnen fühlt sich Glück ihr Leben lang inspiriert. Mit der Auszeichnung habe sie nicht gerechnet, ja sogar mit Panik reagiert. "Es war eine Überraschung für mich, am Morgen des 8. Oktober die Art von Panik zu spüren, die ich beschrieben habe. Das Licht war zu hell. Das Ausmaß war zu groß", schrieb sie.
Wer Bücher schreibe, wolle damit vermutliche viele Menschen erreichen. Manche Dichter erreichten ihre Leser dagegen häufig erst eher temporär, der Reihe nach und im Laufe der Zeit. "In einer tiefsinnigen Weise kommen diese Leser immer einzeln nacheinander."
Das Gedicht "I'am nobody! Who are you?" von Emily Dickinson zitiert sie und bezeichnet es als ein Beispiel für Lyrik, die "intim, oft verstohlen oder heimlich" sei. Und wendet sich im gleichen Satz von "Stadiondichtern", also Dichtern, die viel Tamtam brauchen und "zu sich selbst sprechen", ab.
Glück erhielt 1993 den Pulitzer-Preis
Die Schriftstellerin wurde in New York geboren und wuchs in Long Island auf. Schon als Mädchen schrieb sie Gedichte. Nach ihrem Debüt "Firstborn" (1968) veröffentlichte die heutige Literaturprofessorin bislang elf weitere Gedichtbände sowie mehrere Bücher mit Essays über Poesie. Spätestens seit "The Triumph of Achilles" (1985) ist sie einem größeren US-Publikum bekannt.
Aktuell lehrt Louise Glück an der US-Eliteuniversität Yale Englisch. Für "The Wild Iris" erhielt sie 1993 den prestigeträchtigen Pulitzer-Preis, 2014 bekam sie den National Book Award für "Faithful and Virtuous Night". Sie war zeitweise Vorsitzende des Literaturkomitees der American Academy of Arts and Letters, zudem auch im Führungszirkel der Academy of American Poets. Der Literaturnobelpreis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (etwa 950.000 Euro) dotiert.
Übersetzung neuer Gedichte von Louise Glück
Im Anschluss an die Auszeichnung wurde außerdem bekannt gegeben, dass neue Werke von Louise Glück im Herbst 2021 veröffentlicht werden sollen. In Deutschland waren ihre Gedichtbände "Averno" und "Wilde Iris" lange vergriffen, sind aber inzwischen wieder lieferbar.
Im Herbst 2021 soll ihr bislang nicht übersetzter Band "Winter Recipes from the Collective" ins Deutsche übertragen werden und Ende 2024 plant der Luchterhand-Verlag eine Gesamtausgabe der Werke, zu denen auch Essays gehören.