Braunes Glockenspiel
21. April 2018Das habe eine Umfrage in den evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche ergeben, berichtete das Nachrichtenmagazin "Spiegel" in seiner jüngsten Ausgabe. Mindestens 21 Exemplare hängen demnach in evangelischen Kirchen, zwei weitere in einer katholischen Kirche im hessischen Amöneburg im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Allein in Ostdeutschland sind neun Kirchen betroffen.
Auf den Glocken finden sich Hakenkreuze oder Inschriften, die auf Adolf Hitler oder Ereignisse wie den Anschluss des Saargebiets an das "Deutsche Reich" verweisen. Manche Landeskirchen haben laut "Spiegel" keine oder nur unvollständige Erkenntnisse über Inschriften und Symbole im Turmgeläut.
Im vergangenen Jahr hatte zunächst eine mit Nazi-Symbolen ausgestattete Glocke im pfälzischen Herxheim am Berg für bundesweite Diskussionen gesorgt. In der Folge trat der Bürgermeister des Ortes wegen unglücklicher Äußerungen in einem Fernsehbeitrag von seinem Amt zurück. Nach Recherchen von Kirchen und Medien tauchten nach und nach weitere "Nazi-Glocken" auf, darunter vier in der Pfalz, zwei in Berlin, zwei in Niedersachsen und eine in Saarland.
Mit Winkelschleifer gegen Symbole
Für Schlagzeilen sorgte zuletzt die "Hakenkreuz-Glocke" im niedersächsischen Schweringen bei Nienburg. Dort kletterten Unbekannte kurz vor Ostern heimlich auf den Kirchturm der evangelischen Gemeinde und entfernten das 35 mal 35 Zentimeter große Hakenkreuz und Teile einer nationalistischen Inschrift, vermutlich mit einem Winkelschleifer. Die Glocke ist seitdem unbrauchbar und kann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr läuten, da Risse und Absprengungen drohen. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf. Der Umgang mit der Glocke hatte in dem 800-Einwohner-Dorf für heftigen Streit gesorgt.
Nach Ansicht des Historikers und Glockenkundlers Sebastian Wamsiedler können Glocken mit NS-Symbolik unter bestimmten Voraussetzungen in Betrieb bleiben. "Man muss auf jeden Fall über die Hintergründe informieren, etwa mit einer Hinweis- und Mahntafel mit historisch einordnender Bewertung", sagte er kürzlich im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Glocken seien schließlich nicht nur durch ihre Gestaltung "Denkmäler ihrer jeweiligen Entstehungszeit". Auch deshalb sei ein Entfernen von Hakenkreuzen oder Inschriften keine Option: "Es ist schließlich auch ein zeitgeschichtliches Dokument, zu dem man stehen muss. Man kann unliebsame Dinge nicht einfach runterschleifen."
Die Glocken "stillschweigend weiter zu benutzen, ohne dass eine kritische Auseinandersetzung seitens der Gemeinde stattfindet, geht auf keinen Fall", erläuterte Wamsiedler weiter. Das Thema sei noch zu wenig erforscht, weshalb er eine gründlichere Debatte begrüßen würde.
cgn/se (epd, kna)