Brexit: EU startet neue Verfahren gegen London
22. Juli 2022Trotz zahlreicher Appelle der 27 EU-Staaten an London, das Nordirland-Protokoll umzusetzen, habe sich die britische Regierung geweigert, heißt es in einer Erklärung der Brüsseler Kommission. Mehr als ein Jahr lang habe man versucht, eine gemeinsame Lösungen zu finden. Großbritannien sei jedoch nicht bereit, ernsthafte Gespräche zu diesem Thema zu führen. Brüssel wirft dem Vereinigten Königreich vor, gegen wesentliche Teile des sogenannten Nordirland-Protokolls zu verstoßen. Vertragsverletzungsverfahren können zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen und mit einer Geldstrafe enden.
Konkret gehe es bei den Vorwürfen darum, dass etwa geltende Zollvorschriften nicht eingehalten und bestimmte EU-Vorschriften nicht umgesetzt würden, so die Kommission. Großbritannien hat nun zwei Monate Zeit, um zu reagieren. Der Streit über die Umsetzung der Brexit-Regeln dauert schon lange an. Zuletzt hatte die EU-Kommission den Druck auf London im Juni erhöht. Damals startete die Behörde zwei neue Vertragsverletzungsverfahren und nahm ein weiteres wieder auf.
Das Nordirland-Protokoll ist Teil des 2019 geschlossenen Abkommens über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Es sieht vor, dass die zum Vereinigten Königreich gehörende Provinz weiter den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Europäischen Zollunion folgt. Damit sollten Warenkontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Irland verhindert werden, um ein Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Befürwortern und Gegnern einer Vereinigung der beiden Teile Irlands zu verhindern.
Grund für die neuen Verfahren ist unter anderem, dass am Mittwoch das britische Unterhaus einen umstrittenen Gesetzentwurf zum Nordirland-Protokoll in dritter Lesung angenommen hatte. Mit dem geplanten Gesetz sollen die Brexit-Vereinbarungen zur britischen Provinz einseitig von London außer Kraft gesetzt werden können.
Die Regierung in London will mit dem Gesetzesvorhaben erzwingen, dass Brüssel die Vereinbarung über den Sonderstatus für Nordirland grundsätzlich überarbeitet. Die EU-Kommission schließt das aber strikt aus und will stattdessen über Lösungen im Rahmen der bestehenden Vereinbarung verhandeln.
Ryanair fordert Lockerung der Brexit-Einwanderungsregeln
Für großen Ärger sorgt der Brexit auch in der Luftfahrtbranche. Der Chef der Billig-Airline Ryanair Michael O'Leary fordert angesichts des akuten Personalmangels eine Lockerung der Brexit-Einwanderungsregeln. "Wir haben die bizarre Situation, dass ich in Großbritannien Visa bekommen kann, um etwa Marokkaner einzustellen", sagte O'Leary im BBC-Interview. "Aber ich bekomme keine Visa für junge Portugiesen, Italiener oder Slowaken." Nötig sei eine pragmatische Umsetzung der Regelungen.
Seit dem Brexit gibt es keine Arbeitnehmerfreizügigkeit mehr für EU-Bürgerinnen und -Bürger in Großbritannien. Zwar gibt es Arbeitsvisa, jedoch sind diese teuer und aufwendig zu beantragen, was viele abschreckt. O'Leary ist der Meinung, dass eine Lockerung der Einwanderungsregeln das derzeitige Chaos an vielen Flughäfen und bei etlichen Airlines mindern könnte. Die britische Regierung lehnt eine Lockerung ab und argumentiert, dass Arbeitgeber britische Arbeitnehmer zu höheren Löhnen einstellen sollten anstatt sich auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zu verlassen.
uh/rb (dpa, afp, rtr)