Partei-Jubiläum in Nordkorea
8. Oktober 2015Im vergangenen Jahr stand alles unter der Frage: Kommt er oder kommt er nicht? Mehr als einen Monat war der nordkoreanische Diktator schon nicht mehr öffentlich gesehen worden, als in Pjöngjang am 10. Oktober die Feierlichkeiten zum 69. Jahrestag der Gründung der Partei der Arbeit Koreas (PdAK) anstanden. Kim tauchte damals nicht auf - erschien aber wenig später wieder in der Öffentlichkeit - er soll sich einer Fußoperation unterzogen haben.
In diesem Jahr steht wieder eine Frage im Raum: Wird Nordkorea das runde Jubiläum zu einer Machtdemonstration nutzen und im Umfeld des 70. Jahrestags - der in Nordkorea Nationalfeiertag ist - militärisch provozieren? Anzeichen darauf gab es in den vergangenen Wochen mehrfach. Mitte September hatte Nordkoreas Luft- und Raumfahrtbehörde angedeutet, man wolle im kommenden Monat einen weiteren Satelliten ins All schießen. Eine Aussage, die bei Südkorea und seinen Alliierten Spekulationen auslöste: darüber, ob Nordkorea nicht tatsächlich plane, eine Langstreckenrakete abzufeuern oder gar den vierten Atomtest durchzuführen.
Andeutungen, Warnungen, Spekulationen
Der Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums machte nach der Ankündigung aus Pjöngjang deutlich, eine solche Provokation sei eine "klare Verletzung der UN-Resolutionen, die jegliche Aktivitäten zur Nutzung ballistischer Raketentechnologie untersagen." Allerdings, so der Sprecher weiter, seien bisher keine "besonderen Aktivitäten" beobachtet worden, die vermuten ließen, dass ein Abschuss unmittelbar bevorstehe. Für den Fall, dass aus den Spekulationen Ernst wird und Nordkorea seine Ankündigung wahr macht, könnten dem Land neue internationale Sanktionen drohen.
Doch das schreckt das international isolierte Regime nicht ab, stellte Anfang Oktober Hyon Hak-Bong klar, der nordkoreanische Botschafter in Großbritannien. Bei einem seltenen öffentlichen Auftritt sagte er, sein Land ließe sich davon nicht abhalten. "Es gibt nichts, wovor wir uns fürchten müssten. Wir werden ganz sicher mit unseren Plänen fortfahren, das ist gewiss. Wir sind in der Lage, jederzeit und überall abzufeuern."
Demonstration der Stärke?
Sich nicht in die Karten schauen lassen, verbale Drohgebärden, die Welt rätseln lassen, was man als nächstes tut oder auch nicht - all das ist nicht neu, sondern gängige Praxis. Traditionell legt die nordkoreanische Führung großen Wert darauf, den Informationsfluss aus dem Land heraus genau zu steuern, zu kontrollieren - und gezielt einzusetzen. Und man ist auch immer darauf bedacht, möglichst undurchschaubar zu sein. Mit Erfolg, schreibt Rüdiger Frank, Ostasienwissenschaftler an der Universität Wien, in seinem 2014 erschienenen Buch "Nordkorea. Innenansichten eines totalen Staates". Seit Jahrzehnten forscht er zu Nordkorea und hat auch ein Semester an der Kim- Il-Sung-Universität in Pjöngjang studiert.
"Es kling paradox und doch ist es in gewissem Sinne folgerichtig: Je wichtiger ein Element des politischen Systems Nordkoreas ist, umso weniger gesichertes Wissen haben wir darüber und umso mehr sind wir auf Gerüchte und Vermutungen angewiesen." Am wenigsten sei bekannt über Kim Jong Un selbst und über die internen Strukturen und Abläufe in Partei und Militär.
Schwer zu durchschauende Strukturen
Die Partei der Arbeit Koreas (PdAK), deren 70jähriges Bestehen am 10. Oktober gefeiert wird, ist das bedeutendste Machtorgan des Landes. Sie ist es, die sämtliche Organisationen bis hin zum Militär durchdringt und kontrolliert und die festgeschriebene Ideologie bewahrt. Ihre führende Rolle ist auch in der Verfassung des Landes festgelegt.
Von ihrer Organisation, so erklärt Rüdiger Frank, folgt die PdAK weitgehend dem allgemein üblichen Aufbau von Parteien in sozialistischen Ländern. An der Basis stehen kleinste Organisationseinheiten, die dann zu immer höheren zusammengefasst werden. Oberstes Organ ist der Parteitag, der theoretisch alle fünf Jahre zusammentritt. Theoretisch: Der bislang letzte, der 6. Parteitag fand im Jahr 1980 statt.
Daneben gibt es sogenannte Delegiertenkonferenzen der Partei, die bislang viermal stattfanden. Frank vermutet, dass die Auswahl der Delgierten anders ist als bei den Parteitagen. Die Zeiträume zwischen den Konferenzen weichen stark voneinander ab: 1958, 1966, 2010 und 2012. Bei den beiden letzten Veranstaltungen ging es nach Auffassung des Experten darum, die Nachfolge des kranken Ex-Staatschefs Kim Jong Il zu klären beziehungsweise nach dessen Tod die Machtübernahme seines jungen und politisch unerfahrenen Sohnes Kim Jong Un auch auf Parteiebene formal zu bekräftigen.
Lässt Kim Jong Un wieder die Muskeln spielen?
Seit Ende 2011 steht Nordkorea mittlerweile unter der Führung von Kim Jong Un. In punkto militärische Abschreckung setzte der junge Machthaber schon kurz nach seiner Amtseinführung eine eigene Duftmarke: Im Dezember 2012 wurde eine Langstreckenrakete gezündet - nur fünf Tage vor dem symbolträchtigen ersten Todestag Kim Jong Ils. Und wenige Monate später, im Februar 2013, führte Nordkorea seinen dritten und bis dato letzten Atomtest durch.
Dass man bei ihm mit militärischen Überraschungs-Aktionen rechnen muss, hat Kim Jong Un also schon mehrfach unter Beweis gestellt. Vor diesem Hintergrund verwundert es daher wenig, wenn Ankündigungen aus Nordkorea über einen möglichen Satelliten-Start anlässlich des runden PdAK-Jubiläums im Ausland Sorge auslösen.