Nordkorea-Sanktionen - wie wirksam?
15. März 2019Es ist ein frustrierendes Fazit, das der am Dienstag veröffentlichten Bericht der Vereinten Nationen zieht: Ein UN-Expertengremium hat systematisch die Umsetzung der vom Sicherheitsrat verabschiedeten Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea untersucht. Das Urteil: Die Sanktionen seien streckenweise "wirkungslos".
Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen weisen die Experten verschiedenartige Wege nach, mit denen das Regime die Repressionen austrickst: So kommt es immer wieder zu heimlichen Öltransfers auf offener See, bei denen die Rohstoffe von Schiff zu Schiff transferiert werden. Zudem hat Nordkorea vor seinem größten Hafen in Nampo eine Unterwasser-Pipeline installiert, über den es - scheinbar unbemerkt - Öllieferungen entladen kann. Das Expertengremium der Vereinten Nationen geht davon aus, dass Pjöngjang auf diesem Weg seinen erlaubten Rahmen von 500.000 Tonnen Mineralöl-Import bei weitem übersteigt.
USA erwägen weitere Sanktionen
Seit dem gescheiterten zweiten Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un drohen die Verhandlungen zur sogenannten De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel erneut zu kippen. US-Sicherheitsberater John Bolton hat sich bereits dafür ausgesprochen, das Regime in Pjöngjang mit einer weiteren Runde von Sanktionen zu belegen. Kim Jong Un wird dies bitter aufstoßen, da die jüngsten Verhandlungen bewiesen haben, dass seine Priorität bei den Verhandlungen auf einer Lockerung von Sanktionen liegt. Eine Friedenserklärung oder andere Maßnahmen traten zuletzt in den Hintergrund.
Doch der jüngste UN-Bericht wirft eine entscheidende Frage auf: Inwiefern haben die Sanktionen überhaupt die nordkoreanische Wirtschaft getroffen? "Man kann mit Sicherheit sagen, dass die Sanktionen sowohl dem Regime als auch – leider- der breiten Bevölkerung signifikante Lasten auferlegen", sagt Mason Richey, Professor für internationale Politik an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul: "Gleichzeitig wirken die Sanktionen derzeit nicht ausreichend genug, um das Kim-Regime zu ernsthaften, unmittelbaren Schritten zur nuklearen Abrüstung zu bewegen". Daran seien einerseits Schlupflöcher, wie sie die der jüngste UN-Expertenbericht schildert, mitverantwortlich, aber auch die laxe Einhaltung der Sanktionen durch China, dem mit Abstand größtem Handelspartner Nordkorea.
Nordkorea veröffentlicht kaum eigene Statistiken
Eine der empirisch nachweisbaren Auswirkungen der Sanktionen könnte die sich anbahnende Nahrungsmittelknappheit sein: Laut einem weiteren UN-Bericht hat Nordkorea die schlechteste Ernte seit über zehn Jahren eingefahren. Schuld daran seien unter anderem die Überschwemmungen und gleichzeitig Hitzewellen vom letzten Jahr. Jedoch dürften genauso gut die ausbleibenden Auslandsdevisen, ohne die das Land nicht an benötigte Dünger-Importe kommt, ebenfalls dazu beigetragen haben.
Die nordkoreanische Volkswirtschaft zu vermessen ist sehr schwierig. Bis Anfang der 60er Jahre hat Nordkorea zwar noch ein statistisches Jahrbuch herausgegeben. Seither sind wirtschaftliche Daten aus dem Land immer seltener und zunehmend unzuverlässiger geworden. Während der Hungersnöte in den 90er Jahren hatte das Regime noch Statistiken an internationale Organisationen im Austausch für Hilfelieferungen veröffentlicht.
Problematisch ist ebenfalls, dass sozialistische Regime stets dazu neigen, Preissteigerungen nicht offiziell zu erfassen, was ebenfalls zu geschönten wirtschaftlichen Prognosen führt. Die koreanische Zentralbank schätzte zuletzt, dass die Volkswirtschaft Nordkoreas im Jahr 2017 um 3,5 Prozent geschrumpft ist. Gleichzeitig gab sie zu, dass eine seriöse Prognose immer schwerer fallen würde - nicht zuletzt, da immer mehr Schwarzmärkte im Land entstehen. Die Bank verlässt sich zunehmend auf Geheimdienstinformationen, Satellitenbildern und reine Spekulationen.
Bau-Boom trotz Sanktionen
Einzelne Beobachtungen scheinen zu belegen, dass das Land sich wirtschaftlich vergleichsweise gut entwickelt: In der Hauptstadt Pjöngjang transformiert ein Bau-Boom die Skyline zu der einer typischen asiatischen Metropole. Gleichzeitig scheint der Won-Dollar-Wechselkurs auf den Schwarzmärkten vergleichsweise stabil zu sein, wie auch die Benzinpreise.
Dieses Argument lässt Nordkorea-Experte Go Myong Hyun von der südkoreanischen Denkfabrik Asan Institute mit Sitz in Seoul jedoch nicht gelten: "Nordkorea hat de facto die Verwendung von Auslandswährung legalisiert und das Land an einen Währungskorb aus Yuan, US-Dollars und Euros gebunden". Forscher Go zieht einen Vergleich zur Euro-Krise: Damals seien die Löhne in Ost- und Südeuropa stark gesunken, doch gleichzeitig die Preisinflation konstant geblieben. "Das gleiche passiert derzeit in Nordkorea", sagt er. "Natürlich gibt es weiterhin Schlupflöcher, die die Effizienz der Sanktionen untergraben. Die sind aber viel zu klein, um die Negativwirkung der Sanktionen auszugleichen", meint der Südkoreaner.
Druck und Annäherung
Allein die Tatsache, dass der UN-Bericht über Nordkoreas Umgehung von Sanktionen veröffentlicht wird, ist beachtenswert: Im letzten Jahr hat dasselbe Gremium ebenfalls einen Bericht verfasst, jedoch nicht veröffentlicht. Wahrscheinlich, weil China und Russland als Mitglieder des Sicherheitsrats der Veröffentlichung nicht zugestimmt haben. Nachdem jedoch der Hanoi-Gipfel entgegen den Erwartungen keinen Erfolg gebracht hat, scheinen auch China und Russland wieder die öffentliche Druckausübung erhöhen zu wollen.
Unterdessen versucht Südkorea in Gesprächen die USA davon zu überzeugen, innerkoreanische Wirtschaftsprojekte wie die Sonderwirtschaftszone Kaesong wieder aufzunehmen. Dazu sagt Go Myong Hyun vom Asan-Institut: "Präsident Moon hat Angst, dass Nordkorea - nicht die USA - sich vom Dialog lossagen könnte. Projekte wie die innerkoreanische Sonderwirtschaftszone sollen für Pjöngjang Anreize setzen, am Kurs der innerkoreanischen Annäherung festzuhalten."