Nordkoreas Bedrohungsspielchen
22. Juni 2006
Der Grund für das Bedrohungsszenario heißt "Taepodong-2". Weitere, verlässliche Angaben über den modernsten Raketentyp Nordkoreas gibt es nicht. Das Londoner International Institute for Strategic Studies vermutet, dass die Rakete mit nuklearer Ladung bestückt ist und das amerikanische Festland erreichen könnte. Umso beunruhigender ist für die USA die Ankündigung Nordkoreas, diese Rakete zu testen.
Vor allem innenpolitische Interessen
Die Motive Nordkoreas sind nach Meinung von Hanns-Günther Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik vor allem innenpolitische: Kim Jong Il wolle die militärischen und technologischen Fähigkeiten seines Landes unter Beweis stellen. Außerdem sei Technologie eines der bedeutendsten Exportprodukte Nordkoreas, dessen Vermarktung durch die Tests gestärkt würde. Und außenpolitisch wolle Nordkorea sich hinsichtlich der Sechser-Gespräche in eine Position bringen, den USA Zugeständnisse abzuringen.
Neues Bedrohungsszenario für die USA?
Eine reale Bedrohung gehe allerdings von Nordkorea für die USA nicht aus, sagt Werner Pfennig, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Die nordkoreanischen Langsteckenraketen erreichten allenfalls Alaska oder Hawaii, ein Gegenschlag wäre Pjöngjang sicher. "Die Nordkoreaner wären verrückt, wenn sie die Rakete auf die USA abschießen würden", so Pfennig. Aber ein anderes Druckmittel als die Raketenabwehr bleibe den Amerikanern kaum: "Die Nordkoreaner haben den makaberen Vorteil, nicht in die Weltwirtschaft eingebunden zu sein." Wirtschaftssanktionen ließen Pjöngjang weitgehend unberührt.
Wer hat Einfluss?
Die einzigen Staaten, die nachhaltigen Druck auf Nordkorea ausüben könnten, seien China, Südkorea und Japan, da sie einen Großteil der Nahrungsmittellieferung stellten. Eine Allianz zwischen den Ländern hält Pfennig allerdings für unwahrscheinlich.
Zwar hat Südkorea jetzt mit dem Stopp seiner Nahrungsmittelhilfen gedroht, "aber Südkorea hat Angst vor einer Eskalation, es fürchtet Flüchtlingsströme aus dem Norden", erklärt Pfennig. Auch Japan verfolgt seine eigenen Interessen in dem Konflikt: So habe Japan das von Nordkorea ausgehende Bedrohungspotenzial auch dazu genutzt, sein eigenes sicherheitspolitisches Profil zu stärken. Es erhielt ein von den USA entwickeltes Raketenabwehrsystem und eigene Spionagesatelliten, obwohl dies eigentlich seiner Verfassung widerspricht. "Aufrüstung lässt sich mit äußerer Bedrohung besser legitimieren", erklärt Pfennig.
Die besondere Beziehung zu China
"China ist das einzige Land, von dem Nordkorea abhängig ist und dessen Stimme Gewicht hat", erklärt Hanns-Günther Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Nachdem Nordkorea sich wegen seines Atomprogramms von den Sechs-Parteien-Gesprächen verabschiedet hatte, konnte der chinesische Vermittler Wang Jiarui das Land zu neuen Verhandlungen überreden. Zwischen den beiden Staaten gilt noch immer ein Beistandspakt von 1961, "das ist schon ein enges Verhältnis", sagt Hilpert. China liefere Erdöl und Nahrungsmittel, "zum Teil sogar unentgeltlich", sagt er. Es brauche aber Nordkorea auch als kommunistisches "Bollwerk gegen den Westen", fügt Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung hinzu.
Venezuela als neuer Akteur?
Als neuer Akteur in dem Konflikt macht neuerdings auch der Staatspräsident Venezuelas, Hugo Chávez von sich Reden. Er kündigte an, im Rahmen von Staatsbesuchen die "strategische Allianz" mit Pjöngjang zu vertiefen. Diese Ankündigung belastete bereits die ohnehin angespannten Beziehungen zu den USA, denn Nordkorea gehört neben dem Iran zu der von US-Präsident Bush im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus so genannten "Achse des Bösen". Pfennig ist bezüglich der strategischen Allianz jedoch skeptisch: "Nordkorea ist energieabhängig und möglicherweise wird Chávez ihnen Öl liefern, aber er wird dafür keine dieser unzuverlässigen Raketen aus Nordkorea importieren. Für Chávez war das lediglich die beste und öffentlichkeitswirksamste Art, die USA zu ärgern."