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Normalbürger unter Terrorverdacht

Regina Mennig7. Juli 2013

Geheimdienste in den USA und in Großbritannien sammeln enorme Datenmengen, um Terroristen auf die Spur zu kommen - und sind dabei nicht immer treffsicher. Auch harmlose Bürger können ins Visier der Geheimdienste geraten.

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Hand mit Handschu tippt auf Computer-Tastatur (Foto: OleGunnar)
Bild: Fotolia/OleGunnar

Die Enthüllungen über das amerikanische Spähprogramm "Prism" schlugen bereits eine Woche lang Wellen, da meldete sich US-Präsident Barack Obama zu Wort und versuchte, die Bürger zu beschwichtigen: Beim Geheimdienst NSA (National Security Agency) arbeiteten "außergewöhnliche Profis, die sich der Sicherheit des amerikanischen Volkes verschrieben haben", sagte er in einem TV-Interview. Die Auswertung der Datenmassen, die über "Prism" bei der NSA auflaufen, übernehmen allerdings weniger die von Obama hoch gelobten Geheimdienstmitarbeiter - sondern vielmehr Computer. Und so landen nicht nur Terroristen auf Listen mit verdächtigen Personen - sondern auch harmlose Bürger.

Um ins Visier der Geheimdienste zu geraten, könne schon ein Nachbar mit verdächtigen Aktivitäten ausreichen, sagt Markus Beckedahl, Internet-Experte von netzpolitik.org: "Ihr Handy kann sicher häufig in der Nähe dieses Nachbarn geortet werden, und so laufen Sie automatisch in ein Raster und werden selbst verdächtigt." Auch Übereinstimmungen mit bestimmten Profilen können in dieses Raster führen - etwa "wenn es irgendwo einen Terroristen gibt, der zufälligerweise dieselben Bücher bestellt hat und auf denselben Webseiten unterwegs war", erklärt Beckedahl.

Markus Beckedahl (Foto: DW)
Internet-Aktivist Markus BeckedahlBild: DW

Gesucht sind nicht mehr Schlagworte, sondern Beziehungsnetzwerke

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 trafen falsche Verdächtigungen besonders häufig Wissenschaftler, die von Berufs wegen regelmäßig nach Informationen über die Arabische Welt suchen. Seither hat sich nicht nur der Etat des US-Geheimdienstes enorm erweitert, sondern auch seine Suchmethoden. "Leute, die tatsächlich einen Terroranschlag vorbereiten, werden keine Namen nennen, genauso wenig ihre Zielorte oder ihre Organisation. Deswegen zielen die Recherchen heute nicht mehr so stark auf Inhalte ab - also was sagt A zu B -, sondern eher auf Muster der Kommunikation", sagt Geheimdienst-Experte Wolfgang Krieger. Ziel seien nun die Verbindungen zwischen Menschen - in Sozialen Netzwerken, durch Geldtransfers bei Banken oder über Handytelefonate.

Datenmengen in der Größenordnung von Exabyte sollen die NSA und der britische Geheimdienst GCHQ inzwischen verarbeiten können; ein Exabyte entspricht einer Milliarde Gigabyte. Weil Speicherplatz immer günstiger wird, geht Netzexperte Markus Beckedahl davon aus, dass die enormen Datenmengen zunehmend dauerhaft gespeichert werden. Und mit den gespeicherten Daten steige das Risiko, dass für einzelne Personen Bezüge hergestellt werden können, die ein verdächtiges Profil entstehen lassen.

Das NSA-Hauptquartier in Fort Meade (Foto: Getty Images)
Das NSA-Hauptquartier in Fort MeadeBild: Getty Images

Barrieren bei der Einreise - nicht nur in den USA

"Das merken Sie aber erst, wenn Sie bestimmte Handy-Tarife nicht mehr bekommen, weil sie über den Anbieter nicht so gut abgehört werden können - oder wenn Ihnen zum Beispiel die Einreise in die USA verweigert wird, weil Sie auf einer 'No-Fly-List' stehen", so Markus Beckedahl. Immer wieder wird Flugzeugen mit Kurs auf die USA kurzfristig die Landung verweigert, weil einer der Passagiere auf der geheimen "No-Fly-List" steht und damit nicht in die USA einreisen darf. Zu den prominentesten Beispielen gehört der Sänger Cat Stevens, der sich vor einigen Jahren in Yusuf Islam umbenannt hat.

Auch in Europa kommt es vor, dass Reisende an der Zollstelle auf Datentransfers stoßen, von denen sie zuvor nichts ahnten: "Ich kenne Leute, die in Deutschland bei den Protesten gegen Atommüll-Transporte mitgemacht haben und die jedes Mal besonders durchsucht worden sind, wenn sie in England am Zoll standen", erzählt Markus Beckedahl. Dahinter stehe einerseits die Tatsache, dass Umweltproteste in Großbritannien an der Grenze zum Terrorismus gewertet würden - und dass es einen internationalen Austausch über entsprechende Aktivisten gebe.